Der Iran und die Bombe

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Von Gastautor Hans Hofmann-Reinecke

Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühten sich die vier Siegermächte, alle im Besitz von Atomwaffen, den übrigen Nationen den Zugang zur Bombe zu versperren. Das führte 1957 zur Gründung der Internationalen Atombehörde (IAEA) unter dem Dach der Vereinten Nationen.

Die IAEA trifft mit den Regierungen dieser Erde eine bilaterale Vereinbarung – das „Non Proliferation Treaty (NPT)“ –, durch welche ein Land sich verpflichtet, auf den Besitz von Bomben zu verzichten. Zur Verifizierung dieses Versprechens gewähren die Regierungen dann den Inspektoren der IAEA Zugang zu den relevanten nuklearen Anlagen in ihrem Land. Dazu sind ein paar erklärende Worte in Sachen Physik notwendig.

Uran, Atomstrom und die Bombe

Uran ist ein natürlicher Rohstoff, dessen Energiegehalt je Kilogramm das Millionenfache der gleichen Menge an Kohle oder Öl beträgt. Dieses enorme Potenzial kann kontinuierlich über Jahre hinweg freigesetzt werden, etwa zur Erzeugung von Elektrizität in einem Kernreaktor, oder aber innerhalb des Bruchteils einer Sekunde in der Atombombe.

Uran, so wie es in der Natur vorkommt, ist jedoch weder für den einen noch für den anderen Zweck geeignet. Es besteht nämlich aus zwei Komponenten, von denen nur die eine Energie liefert. Ausgerechnet dieser Anteil macht aber weniger als ein Prozent aus und muss für technische Anwendungen „angereichert“ werden: für die gängigen Reaktoren auf 4 Prozent, für Bomben auf 90 Prozent.

Der schwach angereicherte Brennstoff für einen Reaktor kann also nicht zum Bau von Bomben missbraucht werden, und ein Reaktor kann aus dem gleichen Grund auch nicht wie eine Bombe explodieren, wenngleich oft das Gegenteil suggeriert wird. Weder in Chernobyl noch in Fukushima hat es eine Atomexplosion gegeben.

Ein zahnloser Tiger?

Die IAEA befürwortet friedliche Nutzung von Kernenergie. Um nun sicherzustellen, dass  Uran nicht für Bomben missbraucht wird, muss sie jegliche Anreicherung über die besagten 4 Prozent hinaus unterbinden. Die Anlagen für Anreicherung sind riesig; sie bestehen aus tausenden Zentrifugen, die man nicht in einer Garage vor den Inspektoren der IAEA verstecken kann.

Wie effizient funktioniert die Kontrolle nun in der Praxis? In den Fünfzigerjahren hatten nur die vier erwähnten Staaten USA, UdSSR, UK und Frankreich die Bombe; heute sind es vermutlich derer zehn. Der Grund: Die IAEA ist ein zahnloser Tiger, denn sie kann nur das kontrollieren, was man ihr freiwillig zeigt. Sie kann nicht in ein Land einmarschieren und es nach Waffen durchkämmen. Und ein Staat, der kein NPT unterschrieben hat, kann ohnehin machen, was er will. Davon gibt es ein halbes Duzend.

Einer davon ist Israel. Dessen erster Premierminister Ben Gurion sah nur eine Möglichkeit, um die Existenz seines kleinen, von großen feindlichen Mächten umgebenen Landes zu sichern: Israel brauchte Atombomben. Falls dann arabische Panzer über die Grenze kämen, falls Bomben auf Tel Aviv oder Haifa fielen, dann könnte man nuklear zurückschlagen und Damaskus oder Bagdad oder Teheran zerstören. Man wäre bereit zu einem vernichtenden Gegenschlag. Mit konventionellen Waffen wäre Israel dazu nicht in der Lage. So entwickelte das Land also Atombomben.

Anreicherungen im Iran

Das atomar bewaffnete Israel ist den Nachbarn natürlich ein Dorn im Auge. Einige versuchten gleichzuziehen, anscheinend ohne Erfolg, wobei auch Israel die Finger mit im Spiel hatte.

Der Iran war seit Zeiten des Schahs an ein NPT gebunden. Man betrieb eine Reihe von Anlagen zu Forschungszwecken, die regelmäßig von Inspektoren der IAEA besucht wurden. Die Aktivitäten wurden nach der islamischen Revolution 1979 intensiviert. 2003 wurde bei Inspektionen dann zu hoch angereichertes Uran gefunden, worauf die IAEA den Iran zum sofortigen Stopp der entsprechenden Aktivitäten aufforderte – ohne Erfolg.

2005 kam Mahmoud Ahmadinejad an die Macht, und die nuklearen Aktionen gingen ungebremst weiter. 2007 beschuldigte man den Iran öffentlich des Bruchs des unterzeichneten NPT, und der UN-Sicherheitsrat verhängte schmerzhafte Sanktionen – darunter das Einfrieren ausländischer Konten. Im Zentrum der Kritik stand eine Anlage in Natanz, wo auf hunderttausend Quadratmetern, unterirdisch in einem betonierten Bunker, die Anreicherung von Uran im militärischen Maßstab betrieben wird. Hier surren tausende von Zentrifugen vor sich hin.

Das „friedliche“ Atomprogramm des Iran

2013 kommt Hassan Rouhani an die Macht. Als seine primäre Aufgabe sieht er die Befreiung des Landes von den seit sechs Jahren wirksamen Sanktionen. Es beginnen Gespräche mit den 5 Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland, den „5+1“. Nach zwei Jahren harter Verhandlungen einigt man sich auf einen „Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA)“, der die Beendigung der Sanktionen gegen den Iran bringt und Randbedingungen für das nukleare Programm der kommenden 15 Jahre vorgibt. Die friedliche Natur des Programms wird in dem umfangreichen Dokument betont. Aber da bleibt dennoch ein Widerspruch.

Auch wenn Iran Interesse an „friedlicher kernphysikalischer Forschung“ haben sollte, es wäre kein Grund für die Anreicherung von Uran in industriellem Maßstab, so wie das in Natanz oder Fordow geschieht. Die einzige vernünftige Annahme ist, dass der Iran trotz JCPOA nach wie vor an der Herstellung von Bomben arbeitet, dass aber die Handelsbeschränkungen erst einmal aufgehoben sind.

So war die Situation im Juli 2015, als der JCPOA mit viel Schulterklopfen, Fahnen und Weihrauch verabschiedet wurde. 2017 fand dann eine Inspektion statt, bei der die IAEA dem Iran „Full Compliance“ bestätigte.

Zweifelsfrei militärischer Natur

Dieser gute Eindruck wurde Anfang 2018 gestört, als der israelische Geheimdienst im Iran auf Dokumente stieß, welche zweifelsfrei die militärische Natur des nuklearen Programms offenbarten. Darunter war eine PowerPoint-Präsentation, offensichtlich für politische Entscheidungsträger bestimmt, in der Wissenschaftler über Pläne zum Design, Bau und Test von fünf Atombomben zu je 10 Kilotonnen Sprengkraft berichten, sowie über geeignete Trägerraketen.

Dieser Fund war Grund für Donald Trump das Abkommen mit dem Iran zu kündigen. Ab August 2018 wurden wieder Handelssanktionen verhängt – nicht nur gegen den Iran, sondern gegen jegliche Firmen, die jetzt noch Geschäfte mit dem Land betrieben.

Der gefeierte Joint Comprehensive Plan of Action hatte sich damit in Rauch aufgelöst und der Iran drohte im Herbst 2019 ganz offen mit der Herstellung waffenfähigen Urans; die Zentrifugen dafür hätte man sich schon besorgt.

Genug für eine Bombe?

Auch die jetzige US-Regierung hält die Sanktionen gegen den Iran aufrecht, „der JCPOA ist gestorben“ sagt Präsident Biden, und das mit vollem Recht.

Seit Januar 2020 reichert der Iran ganz ungeniert an und verfügt gegenwärtig, nach Angaben der IAEA, über 87,5 Kilogramm von 60%igem Uran. Wozu soll das „gut“ sein? Die naheliegende Vermutung: es ist Ausgangsmaterial für Bomben mit 90% Anreicherung oder mehr.

Und siehe da, bei einem Besuch im Januar 2023 entdecken Inspektoren der IAEA tatsächlich kleinste Mengen von 84%igem, also fast waffenfähigem Uran. Woher könnte das gekommen sein? Wahrscheinlich hat man es ganz einfach in genau dieser Anlage hergestellt, denn der Schritt von 60% auf 90% ist vergleichsweise klein.

Zur Vorbereitung auf den Besuch der IAEA hat man dann das auf über 60% angereicherte Material aus dem inspizierten Teil der Anlage entfernt, aber anscheinend nicht gründlich genug, und so sind die Inspektoren dann auf den verbotenen Stoff gestoßen. So könnte es gewesen sein.

Es ist also gut möglich, dass der Iran im Besitz von Material für den Bau einer Atombombe ist. Das wäre keine gute Nachricht für die Welt, und schon gar nicht für Israel.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.



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