Namibia – Ein Reality Check

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Von Gastautor Hans Hofmann-Reinecke

Viel Sonne und stetiger Wind

Namibia soll der Joker in der deutschen Energiewende werden. Viel Sonne, stetiger Wind und weites Land rufen geradezu nach flächendeckenden PV Anlagen und Windparks. Da aber Namibia weit weg ist –  zwar keine 100.000 km, aber doch  rund 10.000 km  – ist der Stromtransport in Hochspannungsleitungen nicht machbar.

Man muss die Energie also in anderer Form befördern, wozu einige Schritte notwendig sind. Der Strom wird vor Ort durch Elektrolyse in Wasserstoff H2 verwandelt (Wirkungsgrad <60%) , der dann unter Zuführung von Stickstoff N2 (aus der Luft) und elektrischer Energie (woher wohl?) zu Ammoniak NH3 gebunden wird. Dieses Gas wird unter Druck (woher wohl?) verflüssigt und auf dem Seeweg nach Europa gebracht.

Ein weiter Weg

Von Namibias Hafen Walvis Bay nach Hamburg sind es rund 13.000 km.  So ein Tanker, angetrieben von einem 62.000 PS Turbo-Diesel, macht 26 km/h wenn er mal in Fahrt ist. Er braucht für die Reise also rund drei Wochen und verbrennt nebenher ein paar Liter Sprit (10.000 pro Stunde, 500 Stunden, macht 5 Mio. Liter). Nach seiner Ankunft geht der Ammoniak dann an Land, und dort wird bei einigen hundert Grad (woher wohl?) der Wasserstoff zurückgewonnen. Brennstoffzellen erzeugen daraus dann Elektrizität (Wirkungsgrad <60%), die ins Netz gespeist wird, um bei uns Kühlschrank und Fernseher am Laufen zu halten. Einfacher geht’s nicht.

Auch ohne Supercomputer wird offensichtlich, dass nach dieser Odyssee kaum noch etwas von der ursprünglich erzeugten Energie beim Verbraucher ankommt;  angeblich 25%, vermutlich noch weniger.

Die Skelettküste

Dieses Konzept für die deutsche Stromversorgung ist sehr extravagant, um es höflich auszudrücken. Aus technisch – ökonomischer – ökologischer Sicht grenzt es an Wahnsinn. Aber es gibt noch andere Aspekte: menschliche.

Dazu ein paar Worte zu Namibia, welches ich sowohl im Auto als auch auf eigenen Schwingen bereist habe. Mein Resümee: Es ist das Land der gigantischen Entfernungen. Von A nach B sind es immer mindestens 500, meist aber 1000 km.

Es ist eine riesige Wüste, über die ein paar bewohnbare Flecken verteilt sind, wo dann Städte entstanden. Es sind aber so wenige, dass es genügt, jeweils die erste Hälfte des Namens zu sagen, und jeder weiß was gemeint ist: „Swakop“, „Otji“ oder „Walvis“. Die unendlich lange Atlantikküste ist bis auf ein paar Häfen unbewohnbar, der Name „Skeleton Coast“ deutet darauf hin. Besatzungen von gestrandeten  Schiffen, die sich hier an Land retten konnten, sind dann verdurstet statt zu ertrinken.

Alltag auf der Straße

Lassen Sie mich dieses Bild noch durch ein Erlebnis von Freunden aus der Gegenwart ergänzen. Die waren auf einer dieser unendlich langen Straßen unterwegs, auf denen Kudus und Warzenschweine das Sagen haben. Mit einem solchen gab es eine Kollision, bei der das arme Tier zwischen Vorderrädern und Kotflügeln verkeilt wurde und nicht überlebte. Und nicht nur das: eine Weiterfahrt war so nicht mehr möglich.

Man besah sich den Schaden, holte unschlüssig Wagenheber und Spaten aus dem Auto, als plötzlich, wie aus dem nichts, eine kleine Gruppe von San Männern in gewisser Entfernung auftauchte. San, das sind diese sympathischen, kleinwüchsigen Gesellen, die schon länger da leben.

Die Touristen machten Gesten der Hilflosigkeit und die San nickten. Irgendwie wollten sie wohl helfen, fingen aber noch nicht damit an. Etwas schien sie zu hindern. Und nach weiterem körpersprachlichem Dialog war es klar: sie würden nur helfen, wenn sie das tote Schwein auch behalten dürften. Da gab es nun kein langes Nachdenken und bald war das Auto wieder flott und die hilfreichen Freunde verschwanden mit einem Warzenschwein über der Schulter in der Abendsonne.

Was das Land rettet sind Diamanten, Gold und Uran

Das Land hat 823.000 km2, ist also zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland,  und es hat so viele Einwohner wie Hamburg und Umgebung. Das Brutto Inlandsprodukt pro Kopf beträgt $9000 im Vergleich zu $51.000 für Deutschland. Falls das eine Maß für die Wirtschaftskraft ist, so entspräche die Produktivität Namibias nach deutschem Standard einer Gemeinde von einer halben Million, bei 38% Arbeitslosigkeit.

Was das Land rettet sind Diamanten, Gold und Uran, die im Boden darauf warten, gefunden zu werden. Vor hundert Jahren genügten dafür Spaten, Wasserflasche und „Südwester“. Inzwischen ist das schwieriger geworden und gigantische, teure Maschinen und technisches Knowhow sind erforderlich. Das Ganze ist also zu einem Spielfeld für internationale Konzerne geworden. De Beers kümmert sich um die Diamanten  und die Guangdong Nuclear Power Group um das Uran.

Soweit so gut. Es ist Wirtschaftskolonialismus, welcher für Entwicklungsländer typisch ist, und es ist  eine „win-win“ Situation.

Die Realität ist kein Kinderbuch

Wenn zu diesen Schätzen des Bodens nun ein weiterer Schatz kommt, der dem Land von Wind und Sonne geschenkt wird – wäre das nicht wunderbar?

Nun, die Realität ist kein Kinderbuch und sie spricht auch eine andere Sprache. Fakt ist, dass das ganze Konzept vom  Grünen Wasserstoff grotesk unökonomisch ist und dass es nur durch astronomische, von deutschen Steuerzahlern geleistete Subventionen funktionieren könnt. Aber eines Tages merken die vielleicht, dass man ihnen das Fell über die Ohren zieht. Und dann wird man für eine andere Energiepolitik sorgen. Und dann würden die Ausgaben für den Grünen Wasserstoff aus Namibias Wüste gestoppt.

In der Folge würden dann Tausende von lokalen Mitarbeitern dieses Projekts arbeitslos. Die Windmühlen, Solarpanels und chemischen Anlagen würden verrotten und die wunderbare Landschaft mit ihrem Schrott verunstalten.

Unbestechlich

Das ist also der entscheidende Unterschied: der Abbau von Diamanten, Gold und Uran etc. ist nachhaltig. Er wird immer ein – mehr oder weniger –  lukratives Geschäft sein.  Der Grüne Wasserstoff ist das Gegenteil von nachhaltig. Er ist von Anfang an nichts als eine sinnlose Geldvernichtung.

Vielleicht fragen Sie jetzt, ob die Regierung Namibias das nicht auch so sieht.

Vermutlich schon, aber ihr Blick könnte etwas verschwimmen, wenn da jemand mit einem Scheck in Milliardenhöhe winkt. Bei einem Bruttosozialprodukt von ganzen 23 Mrd. ist das schon ein starkes Argument.  Bestechung?

Nein, um Himmels Willen, das gibt es hier nicht, ebenso wenig wie im EU Parlament oder im Rest der Welt. Man ist absolut  unbestechlich – so lange zu wenig geboten wird.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.



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