Die unterschätze Gefahr – Tierquälerei

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Von Gastautor Steffen Meltzer

David L. (36) aus Ober-Mörlen (Wetteraukreis) wurde im Juli 2022 durch das Amtsgericht Friedberg wegen Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Seit 2020 waren immer wieder getötete Kleintiere (Katzen, Igel und Kaninchen) am Ort gefunden und der Polizei gemeldet worden. Die Tiere waren in Taschen und einem Koffer misshandelt, getötet sowie entsorgt wurden. Einigen Tieren wurden die Hinterläufe zusammengebunden und sie wurden in Plastiksäcken brutal ertränkt. Die sich wiederholenden Vorgänge versetzten die Bevölkerung in Unruhe.

„Tierschützer fanden außerdem mehrfach tote junge Igelbabys, die an den Pfötchen gefesselt waren. Manche lagen am Straßenrand, andere übereinander in Eimern. Mehrere Tiere waren sogar angezündet worden (…).Von Mai 2020 bis August 2021 soll der 36-Jährige mindestens 32 Igel allein zu dem Zweck eingefangen haben, um sie zu quälen und zu töten.“ Bei einer Hausdurchsuchung fanden die Beamten insgesamt 23 teilweise gefesselte Igel, zwei Kaninchen und zwei Katzen wurden getötet aufgefunden. Zwei verletzte Igel wurden in eine Pflegestation übergeben. Insgesamt 27 bekannt gewordene bzw. nachgewiesene Wirbeltiere wurden durch den Sadisten getötet.

Der vorbestrafte Angeklagte hatte als „Begründung“ für seine Straftaten angegeben, er wäre drogenabhängig und hätte sich durch die Trennung von seiner Partnerin und den gemeinsamen Kindern in einer Lebenskrise befunden. Durch eine Gutachterin wurde eingeschätzt, dass der Angeklagte voll schuldfähig ist und seinen „Lebensfrust an den Igeln ausgelassen hat“.

Bei einem anderen Fall hat das Amtsgericht von Gera einen Haftbefehl gegen einen mutmaßlichen Pferderipper erlassen und umgehend in Vollzug gesetzt. Der 40-jährige soll Pferde,  Rinder, Schafe und Ziegen mit Messern und Schusswaffen verletzt und/oder getötet haben.

Die beiden vorgenannten Fälle sind nur die Spitze eines Eisberges. Nur wenige dieser abnormen Untaten werden der Polizei o. a. Behörden bekannt und aufgeklärt. Die Dunkelziffer darf getrost als sehr hoch eingeschätzt werden.

Eine besorgte Anwohnerin hatte in Bezug auf den Serientäter gefragt: “Quält der vielleicht auch mal ein Kind?“. Eine mehr als berechtigte Fragestellung, denn diese Wahrscheinlichkeit ist bei diesen Personen alles andere als ausgeschlossen.

In den Ausarbeitungen zur Gewaltprävention ist höchstselten eine eigene Kategorie zur Vermeidung von Tierquälerei vorzufinden. Das ist eine verpasste Möglichkeit, denn gerade Kinder können gegenüber Tieren eine prägende Zuwendung und Empathie entfalten. Zu sehr ist in der Erwachsenenwelt die Denkart noch verbreitet, Tiere wären mit Sachen gleichzustellen und schmerzlose Wesen, die man beliebig benutzen, ausbeuten, und bei Bedarf wegschmeißen kann. Auch die Wissenschaft hat dieses Thema erst in den letzten Jahrzehnten ins Visier genommen.

Die Lust am Quälen und Morden von Tieren entfaltet sich nicht aus dem Moment einer plötzlichen Lebenskrise. Sie ist nur der Ausdruck einer tiefen Störung und/oder krimineller Energie, die bereits angelegt ist. Die Fehlentwicklung beginnt bereits im frühen Lebensabschnitt. Kinder, die Gewalt an Tieren ausüben, können einem gruppendynamischen Druck unterliegen. Ich erinnere mich noch gut an ein eingeprägtes Beispiel aus meiner Kindheit, als ich eine ansonsten glückliche Zeit bei meinen Großeltern in einem kleinen Dorf verbrachte. Einige Jungs des Ortes hatten einen Iltis im Hühnerstall „auf frischer Tat“ entdeckt und mit Stockschlägen schwer verletzt. Das um sein Leben kämpfende Tier wurde schlussendlich in einem Sack im Dorfbach ertränkt. Ich hatte damals in meinem fünften Lebensjahr entsetzt zugeschaut, mich aber nicht getraut, etwas gegen die älteren Jungs zu sagen. Als ich meiner Großmutter im Anschluss davon aufgeregt erzählte, zeigte sich diese entsetzt und vermittelte mir folgenden Satz: „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“. Ein Leitsatz, der sich tief bei mir eingeprägt und dazu geführt hat, mich bis heute beim Tierschutz einzubringen.

Experten unterscheiden zwischen der „normalen“ Tierquälerei, die bei Kindern besonders im Vorschulalter auf eine unreife emotionale Intelligenz oder mangelnde Aufsicht zurückzuführen ist und der pathologischen Tierquälerei im späteren Alter. Eine dritte Kategorie sind Täter, die sich dabei mit Alkohol oder Drogen berauschen oder andere antisoziale Handlungen begehen.

Meistens handelt es sich hierbei um Einzelgänger, die systematisch Tiere quälen und töten, um Persönlichkeitsdefizite zu kompensieren und Machtphantasien auszuleben. Eine Erhebung konnte belegen, dass jedes vierte Kind mit einer antisozialen Störung Tiere quälte.

Eine Untersuchung von Dr. Kathrin Sevecke und Dr. Maya K. Krischer, Universität Köln, in Haftanstalten bei jungen Frauen und Männern ergab, dass Tierquälerei im direkten Zusammenhang mit bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen steht. Es zeigte sich, dass in der überprüften Gefängnispopulation jeder zweite Mann und jede fünfte Frau schon einmal Tiere gequält hatte. Es wurde von Fällen berichtet, bei denen Tiere mit Benzin übergossen wurden oder in Plastiktüten eingesperrt und dann als Fußball missbraucht wurden. Den Quälern attestierten die Wissenschaftler paranoide, narzisstische und antisoziale Merkmale oder Symptome für das Borderline-Syndrom.

Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass Gewalt- und Serientäter ihre kriminelle „Karriere“ damit begonnen haben, in dem sie Tiere quälten und töteten. Ein gesellschaftlich nach wie vor unterschätztes Problem, das oftmals erst ins öffentliche Bewusstsein dringt, wenn die Bevölkerung beunruhigt wird. Die Verurteilung der Täter endet viel zu oft nur mit Geldstrafen. Das oben angeführte Urteil sollte endlich eine Trendwende herbeiführen. Tiere sind keine Gegenstände, die man nach einem Gebrauch einfach wegwirft. Mir ist klar, dass ich auf zwei Seiten Umfang die Problematik nicht umfassend beschreiben kann. Beispielsweise bei den Qualzuchten, artfremde Massentierhaltungen, quälende Zustände auf manchen Schlachthöfen, das Wegschauen einiger Verantwortlicher, das Schächten oder Tierversuche in der Kosmetikindustrie.

Mein Fazit: Tierschutz ist gleich Menschenschutz, es gibt viele verpasste Gelegenheiten und noch sehr viel zu tun.

Steffen Meltzer ist Autor und Herausgeber des Buches Mobbing! Ursachen, Schutz und Abhilfe



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