Das verborgene Rom

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Montags sind die meisten Museen geschlossen, also entscheiden wir uns, den Petersdom zu besuchen. Diesmal nehmen wir die U-Bahn. Der Zug ist voll und alle Fahrgäste sind maskiert. Von einer freundlichen Dame werden wir darauf aufmerksam gemacht, dass, wer maskenlos angetroffen wird, 4000€ Strafe bezahlen muss. Ob das stimmt, können wir nicht nachprüfen, aber wir haben unsere Maulkörbe dabei und legen sie an. Corona zersetzt die Gesellschaft.

Rund um den Petersdom ist das alte Rom vollständig durch Bauten aus dem 19. Und frühen 20. Jahrhundert ersetzt worden. Es sind aber überwiegend keine Wohnhäuser, sondern Unterkünfte für Pilger aus aller Welt.

Der Petersplatz ist mit oder ohne Menschen eine vollkommene Schöpfung Berninis. Die vier Reihen der Kolonnaden, umarmen den Platz, umspannen und öffnen ihn zugleich, die Nischen bieten Schutz oder Versteck, die Stufen leiten den Besucher auf die verschiedenen Ebenen. Die Prozession der heiligen zeugt vom Triumph der Kirche. In der Mitte des Platzes die schönen, von Bernini entworfenen Brunnen und der Obelisk, der in Rom nicht fehlen darf.

Am Ende des Säulengangs die steile Treppe, an deren Ende der Papst seinen Staatsbesuch erwartet, ein verkleinerter Canossa-gang für die Staatsoberhäupter, die daran erinnert werden, dass seinerzeit der Machtkampf zwischen Weltlicher und kirchlicher Herrschaft zugunsten des Papstes ausging.

Um den Platz herum windet sich eine Schlange von Touristen, die darauf warten, den Dom besuchen zu können. Uns wird angeboten, für 51€ einer Gruppe anzuschließen, die in einer halben Stunde ohne Wartezeit das Allerheiligste der Christenheit besichtigen zu können. Wir verzichten, werfen lieber noch einen kurzen Blick auf die schwarze Plastik, ein überfülltes Flüchtlingsboot, das an die Situation auf dem Mittelmeer gemahnen soll, ohne die Rolle der Schlepper zu thematisieren und machen uns auf in Richtung Campo de Fiori. Auf der Tiberbrücke haben wir einen unverstellten Blick auf die Engelsburg. Ein düsteres Gebäude. Das Schwert des Engels ist gesenkt, so dass seine Spitze in Richtung der Gefangenen zeigt, die in den Zellen der Engelsburg schmachteten.

Vom Campo de Fiori sieht man kaum etwas. Er ist von Marktständen besetzt, die nur noch zum Teil etwas mit den üblichen italienischen Produkten. Obst und Gemüse werden zu Preisen angeboten, die erst in kürze in Deutschland üblich sein werden.

Obwohl das Denkmal für Giordano Bruno, der hier als Ketzer verbrannt wurde, kaum Sitzmöglichkeiten bietet, bringen es einige Touristen doch fertig, sich irgendwie anzuklemmen. Ob sie wissen, um wen es sich handelt und warum er hier steht? Auf den Straßen, die vom Campo wegführen, wälzt sich ein nicht abreißender Strom von Touristen. Goethe würde sie für Flagellanten halten, was ihre Kluft betrifft. Aus Höflichkeit verzichte ich auf eine Stilkritik.

Unser Zeil ist die Villa Farnese. Auf dem Weg dahin kommen wir am Palazzo Spada vorbei, ein Gebäude mit einer prächtigen Fassade, die aber in keinem Kunstführer erwähnt wird. Das war der Sitz des Kardinals Bernadino Spada, eines Freundes von Guido Reni und passionierter Kunstsammler. Heute ist seine Galerie für das Publikum geöffnet, aber es finden nur wenige Besucher hierher. Das ist schade, denn die Sammlung beherbergt zahlreiche Kostbarkeiten, von der Antike bis zum Barock. Zwar sind manche Gemälde ungünstig gehängt, aber dafür hat man die nötige Ruhe, sich in sie zu vertiefen. Der gute Kunstführer des Museums ist eine ausgezeichnete Hilfe bei der Erklärung der Bildinhalte.

Natürlich hängen hier überwiegend Italiener, aber auch Nordeuropäer wie Breughel sind vertreten. Das Bild, das mich am meisten anzog, war ein Caravaggio, oder wurde jedenfalls lange dafür gehalten. „Die Heilige Anna spinnt und die Jungfrau näht“ ist eine holländisch anmutende Szene in Kräftiger Farbigkeit, Das Licht fällt auf das Gesicht der Heiligen Anna, die sich liebevoll der Jungfrau zuneigt. Ihr Leuchten erhellt das ganze Bild. Spätere Forschungen ergaben, dass der unbekannte Künstler ein verschollenes Bild von Caravaggio kopiert hat.

Überhaupt sind zahlreiche Kopien in der Sammlung vertreten, die zeigen, wie professionell erfolgreiche Sujets vermarktet wurden. Manchmal haben eben nur die Kopien überlebt.

Die größte Überraschung birgt der Innenhof des Palazzos. Wir werden von der Aufsicht darauf aufmerksam gemacht, als wir die Galerie verlassen wollen. Auf der linken Seite des kleinen Orangengartens befindet sich ein Gang, dessen illusorische Perspektive suggeriert, er wäre mindestens 30 Meter lang, während er nur 8 Meter zählt. Erreicht wird das, indem dir Säulen des Ganges nicht parallel zueinanderstehen, sondern einander näher rücken, während der Gang leicht ansteigt. Am Ende steht eine kleine römische Krieger-Statue, die weit entfernt zu sein scheint. Die Museumsmitarbeiterin, die im Hof Aufsicht führt, demonstriert uns, wie die Täuschung funktioniert. Zu Beginn streckt die kleine Frau sie die Arme aus und die Säulen sind auf jeder Seite einen halben Meter entfernt. Als sie langsam rückwärts geht, kommen ihre Hände den Säulen immer näher, während sie wächst. Zum Schluss berührt die Scheinriesin die Säulen rechts und links, während die römische Figur winzig erscheint.

Abseits der Touristenpfade hat Rom jede Menge zu bieten.



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