Ein Komet ist keine Klimakatastophe

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Warum ich „Dont’t look up“ für einen ganz miesen Film halte. Eine Filmkritik  des Netflix-Werkes „Don’t look up“ mit Leonardo DiCaprio in der männlichen Hauptrolle.

Von Gastautor Philipp Lengsfeld

Dieser Film will auch mehr als die Geschichte erzählen, dass ein Komet auf die Erde zurast, der auch entdeckt wird und dessen Einschlag man verhindern könnte oder auf dessen Einschlag man sich vorbereiten könnte, aber wo die versammelte Menschheitsführung stattdessen schlich zu blöd ist, eine wirksame Gegenmaßnahme einzuleiten, so dass der Komet dann letztlich einschlägt und die Erde vernichtet: Ich hoffe, dass ich hier kein Ende „gespoilert“ habe, aber bei dem grandiosen Titanic-Film mit dem Leonardo DiCaprio endgültig ins Licht der Weltöffentlichkeit trat, kannte man ja das Ende auch vorher – das Schiff sinkt. Es war nur nicht klar, wer sich wie verhält und wer überlebt.

Der Film hat wohl eine Botschaft, die irgendwie heißen soll, dass die sogenannte Klimakrise ähnlich abläuft: Die Menschheit kennt mit Gewissheit den Einschlag des Kometen, auch die möglichen bzw. notwendigen Gegenmaßnahmen und handelt aber nicht und geht folgerichtig zu Grunde.

Dumm nur, dass die CO2-Klimaweltuntergangsszenarien wirklich rein gar nichts mit einem Kometen zu tun haben, der mit absoluter Präzision zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Erde einschlagen wird. Und wo auch die Zahl der Optionen zur Verhinderung der Katastrophe absolut minimal ist.

Der Film „Don’t look up” wurde übrigens im pre-Marketing und auch im pre-messaging schon länger vorbereitet. Deshalb war mir auch die Botschaft bewusst lange bevor ich ihn gesehen habe: Ich hatte als engmaschiger Follower der diversen Klimakatastrophen-Kommunikationen bzw. Kommunikatoren, also z.B. Prof. Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) schon länger davon gehört: Was wäre, wenn ein Komet auf die Erde zufliegt? Wie würden wir reagieren?

Die Story war immer, dass die moderne demokratische Medienwelt die Gefahr zerreden würde. Ein Beispieltext erschien im Spiegel im August 2021. Inhaltlich vorbereitet wurde das Thema aber schon deutlich früher – ich bin auf Twitter durch einen Tweet von Prof. Stefan Rahmstorf darauf gestoßen, der am Reformationstag 2018 die folgende Twitter-Fragen-These digital an die Tür heftete: „So what are governments going to do?“ mit der Verlinkung des unten aufgelisteten Stücks aus profmandia mit genau dem beschriebenen Kometen-Einschlag-Weltuntergangsszenario. Dieses Stück endet mit folgendem Aufruf: „Use your voice. Talk to your friends about what you have learned here. Vote. Vote for those who respect our experts.” – eine Lobbyseite vor allem mit Blick auf die Wahlen in den USA, aber immerhin eine, die es offen ausspricht.

Ich hatte übrigens 2018 am 1. November eine direkte Antwort auf Twitter Richtung Prof. Rahmstorf gepostet, die ich immer noch ganz passend finde:

„Also ganz ehrlich, Prof. @rahmstorf: Die CO2-Ausstoß-Katastrophen-Szenarien mit einem durch Raumfahrt aus dem Orbit gebrachten Asteroiden zu vergleichen, der jetzt auf die Welt zurast (und die Politik schaut weg) – auf so einen Stuss muss man erst mal kommen“.

Und genau dieser Überzeugung bin ich auch: Die Analogie ist krude und grundfalsch, die CO2-Klima-Weltuntergangsszenarien haben nichts, aber auch gar nichts mit einem Kometen gemein, der mit 99,99% Wahrscheinlichkeit direkt auf der Erde einschlägt und zwar auf den Tag und die Stunde genau vorausberechnet.

Und das ist auch meines Erachtens nach auch der Grund, warum der Film „Don’t look up“ als Kunstwerk krachend scheitert.

Übrigens historisch-filmisch interessant: In „Don’t look up“ wird auf die Menschenverursachung des Asteroiden gemäß des Rahmstorf promoteten Szenarios verzichtet – nein, der riesige Komet (so riesig war er dann doch nicht dimensioniert, aber dies nur als Pointe zum Schluss) ist im letztlichen Film tatsächlich ein Alien-Ereignis, an dem die Menschheit komplett unschuldig ist. Unsere modernen astronomischen Geräte detektieren es, zuerst eine PhD-Studentin am Kennedy Space Center, die Astronomen-Physiker berechnen die Flugbahn und stellen fest, dass ein direkter Kollisionskurs zur Erde vorhanden ist: Zeit bis zum Einschlag: 6 Monate. Die Maschinerie wird angeworfen und tatsächlich sitzen zwei Wissenschaftler, die weibliche Doktorandin Kate Dibiasky und ihr zunächst trottlig-sympathischer Chef Prof. Dr. Randall Mindy (Leonardo) vor der Tür des oval office und warten zusammen mit einem zuständigen, ziemlich kompetenten, aber eher einflusslosen Vorsitzenden der „Planetary-Defense“-Unit der NASA, Dr. Teddy Oglethorpe, die für genau diesen zwar unwahrscheinlichen, aber möglichen Fall geschaffen wurde und warten auf die Präsidentin.

Dies sind die ersten halbwegs seriösen 11 Minuten des Films.

Ab diesem Moment beginnt die bedeutungsschwangere Komödie?/Satire?/Klamotte? – da der Film sich nicht entscheiden kann, kann ich es auch nicht.

Die grundunsympathische Präsidentin (das durch und durch misogyne Frauenbild dieses Films muss ich separat mal im Detail analysieren) bringt die beiden Wissenschaftler, insbesondere die Doktorandin, völlig von der Rolle und verlangt erst einmal eine Auszeit bis zum Ende der Kongresswahlen. Zusammen mit der NASA planetary defense brechen die beiden Wissenschaftler aber den Schweigebann der Präsidentin und ihres Sohns und Chief of Staff of the White House und gehen an die Öffentlichkeit – erst über eine sehr bekannte Zeitung, dann über eine noch bekanntere daily Fernsehshow.

Hier tritt die nächste superunsympathische erfolgreiche Frauenfigur auf: Moderatorin Brie Evantee (Cate Blanchet). Sie nimmt sich später den verheirateten Wissenschaftler und lässt vorher zu, dass sich die junge Doktorandin als hysterische Zicke blamiert.

Der Plot geht dann noch über 2h weiter, bis der Komet endlich einschlägt: Zunächst befiehlt die Präsidentin den Abschuss (und damit die Abwendung der Vernichtung der Menschheit), aber diese Aktion wird im letzten Moment durch einen silicon-valley-Großspender gestoppt, der auf dem Kometen wertvolle seltene Erden und andere Rohstoffe entdeckt und lieber eine alternative kontrollierte Sprengung des Kometen mit anschließender bergmännischer Nutzung durchführen will (wie dieser irre Plan auch nur theoretisch funktionieren soll, ist mir unklar geblieben, aber auch unwichtig).

Die Chinesen und Russen, eine Welt außerhalb Amerikas gibt es in diesem Globalfilm eigentlich nur als Postkarte, versuchen noch ihre eigene Sprengung, sind aber natürlich zu inkompetent – Baikonur explodiert in einem gigantischen kollektiven Fehlstart.

Aber auch die Mission des silicon valley–Guru scheitert – die Prototypen stellen sich als nicht gut genug getestet raus, weshalb dann endlich das Unausweichliche passiert: Nach einer quälend langen Titanic-Abschiedssequenz explodiert die Erde – nur die Präsidentin und der software guru entkommen mit einigen Auserwählten, wobei die Präsident ihren Sohn auf der Erde „vergisst“ – wohl nicht nur dafür wird die nackte Präsidentin in der Schlussfrequenz auf dem neuen Heimatplaneten direkt von einem exotischen Tier ziemlich brutal gefressen – sie hätte wohl besser vor dem Ausstieg das push memo auf ihrem Handy gelesen oder mehr dem software guru gelauscht.

Klingt total irre? Ist es auch. Nur leider auch noch sehr zäh.

Dass die Klimakrise kein Komet ist, der mit genau berechneter Bahn auf die Erde zufliegt, hatte ich ja schon erwähnt – auch andere Krisen, die wir gerade so haben, laufen nicht nach diesem Schema ab.

Es ist gerade die Natur von dooms-day-scenarien, dass sie nur dann wirklich eindeutig sind, wenn man sie so heillos überzeichnet, so dass sie absolut und total unglaubwürdig werden. Ein bisschen wie das RCP 8.5–Szenario des IPCC, welches hoffentlich bald in der verdienten Versenkung verschwindet.

Das echte Leben auf der Planten Erde mit seinen zurzeit 193 Mitgliedstaaten der UN und den bald 8 Milliarden Menschen, diese echte Welt mit ihren realen Umweltherausforderungen, Naturkatastrophenrisiken, den sozialen, wirtschaftlichen und militärischen Gefahren, Risiken und Möglichkeiten ist eben in allen großen und kleinen Belangen deutlich, meist sehr viel komplexer als eine Situation, wo plötzlich ein großer Komet auf genauer Flugbahn direkt auf die Erde zurast.

Genau deshalb wirkt die ganze Politik-, Medien-, Armee-, Wissenschafts- und Industrie-Kritik in diesem Film so komplett unglaubwürdig – wenn ein echter Komet mit der Größe und der Wirkung auf den Planeten zufliegen würde und wir noch 6 Monate (and counting) hätten, würden sich alle, aber auch wirklich alle porträtierten Akteure anders verhalten und verhalten müssen. Und selbst als Klamotte hätte man den Film dann anders aufziehen müssen.

Aber dies ist für mich der Fluch einer gelenkten Kunstbotschaft: Was nicht passt, wird passend gemacht.

Und damit auch das letzte Zuschauer weiß, was zu denken ist, gab es nach der Vorbereitung des Films auch die mediale Begleitmusik – pars pro toto habe ich unten eine Besprechung, Einordnung, Kontextualisierung aus Spektrum.de verlinkt – wie bei vielen modernen Belehrungen findet man die Hauptbotschaft schon in der Überschrift und oder der Linkbezeichnung: Hier Startseite-Erde/Umwelt-Aktuelle Seite: Klimawandel: »Don’t Look Up« nimmt es mit Wissenschaftsleugnern auf. Ein Film, der es mit Leugnern aufnimmt!? Wow, dieses Heldenepos hätte ich vielleicht gerne gesehen, aber das muss wohl ein anderer Film gewesen sein, denn der Dibiasky-Komet rast ja präzisionsgenau und per Diät-Countdown nachvollziehbar (und bald sogar am Himmel mit bloßem Auge sichtbar) auf die Erde zu.

Über welchen Film spektrum.de eigentlich redet bleibt dagegen nebulös. Nicht aber, was man dabei zu denken und zu fühlen hat. Hier das Kern-Orginalzitat: „Und was auf den ersten Blick als überzogener Kometen-Katastrophenfilm daherkommen mag, ist in Wahrheit das erschreckende Abbild einer Menschheit, die durchzogen ist von Persönlichkeiten und Strukturen, die dazu beitragen, eine wahrhaftige Bedrohung für das Leben, wie wir es kennen, auf diesem Planeten nicht ernst zu nehmen: den Klimawandel.“

Bitte beachten sie die wohldosierte Setzung der Wörter „Wahrheit“, „erschreckend“ „Bedrohung“ „Leben“ „Planeten“ „ernst“ „Klimawandel“.

Damit könnte ich es eigentlich bewenden lassen, denn noch mal und noch mal und noch mal: Die CO2-Klimaszenarien haben nichts, aber auch gar nichts mit einem auf die Erde zurasenden Kometen gemein.

Vielleicht trotzdem noch als ironischer Twist dieser letzte Punkt: Wie man z.B. im Spiegel nachlesen kann, wäre der im Film beschriebene Komet tatsächlich so, dass die Menschheit ihn nicht nur wie im Film ja letztlich erfolglos versucht zerstören könnte, sondern unsere Technologie ist so weit fortgeschritten, dass auch den tatsächlichen Einschlag erhebliche Teile der Menschheit überleben könnten – keine wünschenswerte Vorstellung, aber auch etwas ganz anderes als das langgedehnte fatalistische Titanic-Ende des Films – für mich übrigens im Gegensatz zur Besprechung von moviepilot, in der schon wesentliche Punkte auch meiner Kritik genannt werden, der mit Abstand schlechteste Teil eines eh sehr anstrengenden Films – der Professor kehrt mit seiner überspannten Doktorandin und deren erstem ernstzunehmenden, gerade aufgegabelten Freund und dem gescheiterten NASA planetary defender in den Schoß seiner Provinzfamilie zum Abendessen und gemeinsam Sterben zurück (mit den letzten Worten „wir hatten eigentlich alles was wir wollten, wenn ich ehrlich bin“) – die heiße Mediengeliebte muss dagegen die letzte ultimative Nacht mit ihrem show partner verbringen und betrinkt sich lieber sinnlos – peinlich, verklemmt und ätzend, wenn Sie mich fragen.

Wobei, wer bis zur tatsächlich letzten Minute der Films schaut, also nach dem typischen langen Abspann der erlebt tatsächlich eine Überraschung: Die Filmemacher setzen doch ein kleines Zwinkern: Die Erde ist gar nicht vollständig zerstört (höre ich hier irgendwo Untergangsleugnung?) – der Sohn der Präsidentin (und zur Erinnerung auch ihr Chief of Staff of the White House) überlebt und macht ein Selfie – warum er dabei aber ständig „mom“ schreit kann man wieder nicht erklären (hier verweise ich noch mal auf movieplot, die sich ja ernsthaft mit all diesen Ungereimtheiten auseinandersetzen).

Zum Abschluss wiederhole ich zwei Punkte:

I.

Kein CO2-Szenarion hat auch nur entfernt eine Ähnlichkeit mit einem Kometen, der auf die Erde zurast. Und wenn ausgebildete und aktive Wissenschaftler uns anderes suggerieren und sei es nur im Zusammenhang mit einer Hollywood-Klamotte müssten man ihnen umgehend den Expertenstatus aberkennen oder sie zumindest sofort auf strenge Talkshowauftrittsdiät setzen.

II.

Aber noch wichtiger: Das betreute oder darf man das noch unbekümmert sagen? gelenkte Denken und Fühlen rund um den Film nervt kolossal.

Zum guten Schluss überlasse ich gerne das letzte Worte einem „Experten“, auf die ja angeblich zu wenig gehört wird.

Der Spiegel zitiert Mark McCaughrean, einen leitenden Berater für Wissenschaft und Exploration bei der Europäischen Weltraumorganisation: Die Arbeit (gemeint ist die erwähnte Bewertung des im Film beschriebenen Kometen durch die beiden Physiker) beantworte technische Fragen, gehe aber »völlig am Thema des Films vorbei, nämlich dass der Rat von Wissenschaftlern routinemäßig ignoriert wird«.

Richtig, Mark McCaughrean:

Wer dachte, bei Kometen- und Klimagefahren gehe es um Technik und Risikoabschätzungen oder gar um die Abwägung von Sinnhaftigkeit von Maßnahmen, der versteht nichts von den neuen Religionslehren mancher Wissenschaftler und ihrer Fans in Politik und Showbiz: Unter Weltuntergang und Todsünden plus gemeinsamen Sterben am Familientisch läuft da heutzutage nichts mehr.

Da lob ich mir doch meinen Terminator II oder Rocky IV oder meinetwegen die Lindenstraße.

Quellen:

Spiegel-Besprechung

https://www.spiegel.de/kultur/nehmen-wir-mal-an-ein-asteroid-rast-auf-die-erde-zu-a-b843b3ee-5210-4a6a-a230-451b5340940c

Vorbereitung des Films durch Klimacommunity bei profmandia

https://profmandia.wordpress.com/2018/10/30/an-asteroid-is-approaching-earth-what-is-your-politician-doing-to-prevent-the-worst-impacts/

Besprechung in spektrum.de

https://www.spektrum.de/kolumne/klimawandel-dont-look-up-nimmt-es-mit-wissenschaftsleugnern-auf/1967161

Kritische Besprechung bei movieplot.de

https://www.moviepilot.de/news/3-dinge-die-am-netflix-hit-don-t-look-up-einfach-keinen-sinn-ergeben-1134525

Noch mal Spiegel – Bericht über die wissenschaftliche Analyse der im Film beschriebenen Kometengefahr

https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/don-t-look-up-der-weltuntergang-waere-abwendbar-a-187c37c6-26ec-4188-a8f2-07e34b2b7329



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