Die Ungeimpften, die Impfpflicht und die Wissenschaft

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Von Gastautorin Ines Hiller

Bemerkungen zu: „Germany’s current COVID-19 crisis is mainly driven by the unvaccinated“ aus der Berliner Humboldt-Universitätvon Benjamin F. Maier, Marc Wiedermann, Dirk Brockmann et al. erschien bei medRxiv (ein preprint server) Ende November 2021.

Die Ergebnisse:

Ein von den Autoren entwickelter modellbasierter Rahmen zur Ermittlung unterschiedlicher Infektionswege zwischen geimpften und ungeimpften Personen  und „vernünftigen Annahmen zur Impfstoffwirksamkeit aus der aktuellen Literatur“ ergibt : –    67-76 % der effektiven Reproduktionszahl werden von ungeimpften            Personen verursacht –    38-51 % des Wertes wird dabei von ungeimpften Personen bestimmt  die andere ungeimpfte Personen infizieren.

Die Autoren betonen, dass die Ergebnisse modellbasierte Schätzungen darstellen, deren Aussagen durch die zur Verfügung stehenden Daten limitiert sind. Zum Beispiel wurden epidemiologische Daten, die aus einer inzwischen über 15 Jahren alten Studie stammen, benutzt.

Sie schließen trotzdem aus ihren Ergebnissen, dass die Bedeutung von „Impfstoffen als pharmazeutische Intervention bei der Seuchenkontrolle“.. und eine erhöhte Impfstoffaufnahme, „z.B. durch Kampagnen oder niedrigschwellige Angebote, wo immer möglich,“ eine „effiziente und langfristige Seuchenbekämpfung“ ermöglicht und „eine Überlastung der öffentlichen Gesundheitssysteme“ verhindert.

Diesen nur auf theoretischen Szenarien fußenden Ergebnissen fehlt  beispielsweise ein demographischer Ist-Bezug, es liegt keine Differenzierung der Schwere der Erkrankungen und kein Abgleich mit internationalen Studien vor, die Schätzungen beziehen sich nur einen kurzen Zeitraum zwischen 11.Oktober bis 7. November 2021.

Außerdem ist diese  Studie nur eine Vorveröffentlichung (preprint) und nicht – wie üblich –  durch ein Verfahren der Qualitätssicherung von unabhängigen Gutachtern aus dem gleichen Fachgebiet geprüft (also nicht peer-reviewed).

Dennoch gab es nach Veröffentlichung einen geradezu emphatischen Aufschrei in wissenschaftlichen Institutionen und deutschsprachigen Medien.

So rief beispielsweise die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina  e.V. am 27.11.2021 in einer adhoc-Stellungnahme zu „Klare(n) und konsequente(n) Maßnahmen sofort!“ auf und verwies dabei auch auf die genannte Studie (siehe Literaturangabe).

Die Berliner Zeitung vom 01.12.2021 berichtete „Berliner Forscher: Mehrheit der Neuinfektionen von Ungeimpften verursacht „

Der Spiegel vom 1.12.2021 warnte: „Ungeimpfte treiben die Pandemie“.

Die Frankfurter Allgemeine vom 1.12.2021 ergänzte fachkundig: „an neun von zehn Ansteckungen ist ein Ungeimpfter beteiligt „.

 Irgendwann schaltete sich auch der inzwischen neue Kanzler Scholz, der nach seinen Bekundungen eng mit der Wissenschaft zusammen arbeitet ein und verkündete aus oberstem und berufenem Munde :

Das heute uns alle beeinträchtigende Infektionsgeschehen rührt von den Ungeimpften her. Darüber gibt es gar keinen Zweifel“

 Das alles geschah zur richtigen Zeit: denn z.B. der Anstieg der sog. Fallzahlen,  die auf wackligen Testergebnissen (PC-Test) beruhen, das mangelhafte Intensivbetten-Management (siehe DIVI-Intensiv-Register) und anderes mehr, „zwang“ die Politik zum Verschärfen der bisher nicht so besonders zuverlässigen Impfkampagne.

Eine allgemeine Impf-Pflicht geriet ins Feuerwerk der öffentlichen Diskussion.

Die Messer wurden gewetzt, die Beschimpfungen der Ungeimpften gerieten zur verbalen Hoch-Zeit: Kriminelle, Mörder „Bekloppte“ (Bundespräsident Gauck), Blinddarm, den die Gesellschaft nicht braucht (ZDF) und noch mehr öffentlich geäußerter Unflat.

Das alles offenbar unter dem Schutzschirm der Freiheit und Toleranz.

Als dann aber am 4.12.2021 in der Bild-Zeitung  ein Bericht über die Wissenschaftler der Studie unter der Überschrift Experten-Duo für harte Maßnahmen/ die Lockdown –Macher  erschien, gab es einen Aufschrei in der wissenschaftlichen und politischen Öffentlichkeit.

Aus dem Präsidium Berliner Humboldt-Universität zum Beispiel: „…Diese Art der Berichterstattung ist weit entfernt von jeder journalistischen Redlichkeit.

Die HU stehe für Freiheit und Toleranz auf der Grundlage gegenseitiger Achtung und Anerkennung. Dies bedeute, konkurrierende Ansichten auszuhalten und Differenzen in argumentativen Streits zu überführen…“

Auch der designierte Gesundheitsminister kritisierte die Darstellung scharf. …“Die WissenschaftlerInnen dürfen nicht den gewaltbereiten Querdenkern als Zielscheibe angeboten werden“.

Mein Fazit: Ein Narr, wer dabei NICHT ins Grübeln kommt!!

 

 



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