Eine Katastrophe mit Ansage

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Es ist kaum sechs Wochen her, dass die letzten deutschen Soldaten Afghanistan verlassen haben. Damit endete ein fast zwanzigjähriger Einsatz früher als geplant. Das Mandat der Bundeswehr hätte erst in einem Jahr enden sollen, aber der Abzug wurde deutlich vorangetrieben, nachdem die US-Regierung unter Präsident Joe Biden den Abzug der Amerikaner beschleunigt hatte. Zunächst für den 11. September dem 20. Jahrestag der Terroranschläge auf das World Trade Center geplant, wurde er nochmals auf den 4. Juli – dem US-Nationalfeiertag – vorverlegt.

In den knapp 20 Jahren waren etwa 150.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr am Hindukusch im Einsatz, viele von ihnen mehrfach. 59 deutsche Soldaten kamen dabei ums Leben, 35 von ihnen wurden im Gefecht oder durch Anschläge getötet. Ohne die Amerikaner konnte der Einsatz nicht fortgesetzt werden. Mit dem Beginn des Truppenabzugs war klar, dass die Taliban das Land erobern könnten. Sie besetzten auch im Einsatzgebiet der Bundeswehr Bezirk um Bezirk. Bereits am 23. Juni befasste sich der Bundestag mit dem Thema. Auch die Medien thematisierten, dass nun passiere, was Kenner des Landes vorhergesagt hatten: Wenn die internationalen Truppen abziehen, werden die Taliban nur schwer zu stoppen sein.

Auch die gefährdeten Ortskräfte, die man nicht schutzlos zurücklassen dürfe, waren im Juni schon Thema. Passiert ist seitdem aber nichts. Die Katastrophe, die sich nun vor den Augen der Weltöffentlichkeit in Kabul abspielt, ist durch die Untätigkeit der Bundesregierung verursacht worden. Außenminister Maas war der Meinung, Kabul würde nicht fallen. Schließlich stünden 350 000 bestens ausgebildete und technisch hochgerüstete Regierungssoldaten nur 30 000 schlecht bewaffneten Taliban gegenüber. Das diese Soldaten bei erster Gelegenheit zu den Taliban überlaufen würden, hatte Niemand vorausgesehen. Das ist Arroganz der Macht, gepaart mit absolutem Realitätsverlust. Außenminister Maas demonstrierte beides, als er im Juni tönte:

„Die Taliban müssen zur Kenntnis nehmen, dass es kein „Zurück ins Jahr 2001“ geben wird. Dagegen steht eine selbstbewusste afghanische Zivilgesellschaft.“

Angesichts der menschlichen Tragödie in Kabul ruderte Mass zurück, drückte sich aber gleichzeitig feige vor seiner Verantwortung: „es gibt nichts zu beschönigen. Wir alle, die Bundesregierung, die Nachrichtendienste, die internationale Gemeinschaft, wir haben die Lage falsch eingeschätzt“ Und Bundeskanzlerin Angela Merkel sekundierte: „Da haben wir eine falsche Einschätzung gehabt. Und das ist nicht eine falsche deutsche Einschätzung, sondern die ist weit verbreitet.“

Wenn viele Schuld sind, ist keiner Schuld – das ist die hässliche, im Fall Kabul tödliche, Seite der Konsens-Politik. Die Verweigerung von Verantwortungsübernahme ist ein Charakteristikum der Kanzlerschaft von Angela Merkel. Erst vor wenigen Wochen hat sie sich in der Flutkatastrophe gezeigt, wo sie hunderte Tote gekostet hat, jetzt wiederholt es sich.

Den afghanischen Ortskräften, die den Bundeswehrsoldaten bei ihrer Mission geholfen haben, hat die Kanzlerin alles andere als ein freundliches Gesicht gezeigt, nein, sie hat ihnen kaltherzig den Rücken zugekehrt und erst die Rettungsdirektive ausgegeben, als alles zu spät war, weil die Leute den rettenden Flughafen kaum noch erreichen können. Um die im Stich Gelassenen kümmert sich nur noch die Initiative „Patenschaftswerk für afghanische Ortskräfte“, die seit Wochen aktiv war, um diese Menschen in Safe Houses unterzubringen, bis sie ihr Visum erhalten hätten und ausreisen könnten. Aber wie Markus Grotian vom Patenschaftswerk dem ZDF mitteilte, wurde das Büro, das die Visa verteilen sollte, nie eingerichtet. Die Lösungsvorschläge der Initiative wurden nicht gehört. Die Bundesregierung unterließ alle notwendigen Schritte, um ihre Verbündeten zu schützen. Mit dem Vormarsch der Taliban auf Kabul mussten die Safe Houses aufgelöste werden, Nach Grotians Schätzungen bleiben über 80% der Ortskräfte zurück. Eine ewige Schande für die Regierung Merkel, die damit gezeigt hat, was ihre zur Schau gestellte Menschlichkeit wert ist.

Auch als die Taliban schon in den Vororten Kabuls waren, handelte das Außenministerium nicht. Laut Bundeswehr hätten die ersten Rettungsflugzeuge schon am Sonnabend starten können, was das Auswärtige Amt verzögerte. Erst einen Tag später gab Maas die Anweisung, dass die deutsche Botschaft in den militärischen Teil des Flughafens Kabul verlegt werden soll. Der erste Flieger startete am Montag früh. Viel Empörung unter den sicher in Deutschland sitzenden Gutmenschen löste aus, dass die erste Maschine mit nur 7 Personen zurückkehrte.

Eine indirekte Erklärung dafür gab Markus Laubenthal im Fernsehen: Die Situation auf dem Flugplatz sei sehr „volatil“, man wüsste nicht, ob sich auch kriminelle Elemente unter die Menge, die den Flugplatz belagert, gemischt hätten. Fest steht dagegen, dass die Todesfalle Kabul ein Ergebnis politischen Fehlverhaltens ist. Es wurden die Soldaten abgezogen, aber nie eine Exit-Strategie entwickelt, wie es die FDP mehrfach im Bundestag gefordert hatte.

Die Liste der Länder, in denen der Westen interveniert hat und die er in einem schlimmeren Zustand verlassen, als er sie vorgefunden hat, ist lang. In den letzten Jahrzehnten haben linke Akademiker und Politiker die Welt als Versuchslabor benutz, um ihre Theorien zu testen, wie eine Gesellschaft auszusehen hat. Radikal wurden Social Engineering – Projekte an den ärmsten Bevölkerungen ausprobiert. Die Realität dieser Länder, ihre Tradition und Lebensweise wurde dabei völlig ignoriert. Durch „Nation Building“ sollten Demokratien nach westlichem Muster etabliert werden. So auch in Afghanistan.

Die „Erfolge“ der letzten 20 Jahre muten in manchen Fällen eher grotesk an. Es wurden viele Millionen ausgegeben, um den akademischen Feminismus am Hindukusch zu etablieren. An der Universität Kabul wurden Gender- und Womens-Studies angeboten, etwas, das beim Aufbau des Landes eher weniger gebraucht wurde. Es gab auch ein Programm, das afghanischen Männern und Jungen beibringen sollte geschlechtliche Stereotypen zu erkennen und zu bekämpfen. Eingeführt wurden auch „Affirmative Action – Programme, bei denen sich Gender-Beauftragte bemühten, Frauenquoten in Politik und Militär durchzusetzen. Das führte dazu, dass Politikerinnen, die Provinzen, die sie im Parlament vertraten, nie gesehen haben.

Diese Programme stießen auf heftige Ablehnung, wurden aber nicht eingestellt, um den „Steinzeitmenschen“ endlich Zivilisation beizubringen. Zur Herausbildung einer selbstbewussten Zivilgesellschaft haben sie sichtlich nicht beigetragen.

Nun hat der Westen wieder eine humanitäre Katastrophe produziert und ist mit einer neuen Flüchtlingswelle konfrontiert. Zu befürchten ist, dass dabei die Fehler von 2015 wiederholt werden, was zu einer weiteren Destabilisierung beitragen wird.

Dass die Architekten dieses Desasters keine Konsequenzen aus ihrem monströsen Versagen ziehen werden, ist leider gewiss. Ungewiss ist aber, wann die Mehrheit endlich begreift, von welch unfähigen Figuren wir regiert werden. Erst wenn sich diese Erkenntnis durchgesetzt hat, wird sich etwas ändern.



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