Von Gastautor Hans-Jürgen Wünschel
In den letzten Wochen hat die Co-Vorsitzende der Grünen, Annalena Baerbock eine Unmenge an Kritik, an Kopfschütteln und Häme ertragen müssen. Sie hat in unbekümmerter Art ihren Lebenslauf geschönt, über Zeugnisse ihrer Bildung schwadroniert und sonst auch mitgeteilt, wes Geistes Kind sie ist. Doch das wussten viele Kritiker schon seit langer Zeit. Parteimitglieder sprangen ihr zur Seite und erklärten, man könne Fehler machen, doch wichtig sei es, wie man mit den Fehlern umginge. Gut so.
Die Frage wurde aber nie gestellt, was sind denn die Ursachen für all die Fehler? War es Absicht? Dann sind es keine Fehler, sondern bewusste Täuschung der Öffentlichkeit, ihrer Wähler auch ihrer Parteimitglieder. Sind all diese Peinlichkeiten unbewusst geschehen, so muss man sich fragen, wie kommt es, dass ein Mensch, der vor etwa 20 Jahren in Deutschland das Abitur – Zeugnis der Reife – ablegte, sich so verhalten kann? Früher galt das Abitur wirklich als Zeugnis nicht nur der intellektuellen Reife, sondern auch einer gewissen moralischen Ernsthaftigkeit.
Baerbock wurde im Jahr 1980 in Hannover geboren und erhielt 2000 das Zeugnis ihrer Reife. Anschließend tingelte sie an weiterführenden Hochschulen. Ihr Schulzeit wurde demnach von der in der Bundesrepublik seit 1964 begonnenen Bildungsreform geprägt, die aus welchem Grunde auch immer, das in aller Welt anerkannte (west-) deutsche Schul- und Ausbildungssystem bis fast zur Unkenntlichkeit verschlechterte.
Gewiss sollte man auch nach dem Ende der Schule dazu lernen. Der Modeausdruck „Life-long-learning“ hat sich aber meist nie auf die Erweiterung von Grundkenntnissen bezogen. Diese sind es aber, die in der in allen westdeutschen Bundesländern durchgeführten Bildungsreform zugunsten der Vermittlung von Kompetenzen zurückgestellt wurden. Was nützte aber die beste Anwendung einer Kompetenz, wenn ich intellektuell versage?
Was mit Annalena Baerbock schlagartig bekannt wurde, wird in der Diskussion über ihre mögliche Fähigkeit als Kanzlerin nicht beachtet. Sind ihre Nichtkenntnisse Zeugnis davon, dass auch andere Schülerinnen- und Schülerjahrgänge auch so mangelhafte Kenntnisse besitzen?
Viele Jahre nach Baerbocks Abitur wurden in Deutschland Test durchgeführt, die in den sogenannten PISA-Studien ihren Niederschlag fanden. Diese Ergebnisse ließen erkennen, dass schon in den Grundschulen erhebliche Mängel bei der Vermittlung von Grundkenntnissen festzustellen waren.
Seit 50 Jahren wurde von bestimmten Parteien der Bevölkerung mitgeteilt, dass der Mensch nur im Besitz eines Abiturs vollgültiger Mensch sei. Diese sozialistische Hybris schickte Schülerinnen und Schüler zur weiterführenden Schule, meist in der Hoffnung, dass diese dann mit dem Abitur die Schullaufbahn beenden könnten.Man könnte auch anders talentierte Jugendliche zum Abitur begaben.
Seit alters her war bekannt, dass die Qualifikationen, die das Abitur vermitteln sollte, eher im kognitiven Bereich als in handwerklichen Tätigkeit liegen. Diese Voraussetzungen des Abiturs wurden in der Bildungsreform zerstört, man war er Meinung, den Menschen „begaben“ zu können. Die Warnung, einem jungen Menschen mit 15 zu sagen, dass er wohl für eine mehr theoretisch veranlagten Tätigkeit nicht geeignet sei, war menschlicher als ihn nach gerademal bestandenem Examen in einen Beruf zu schicken, indem er für den Rest seines Lebens total unglücklich wurde und sich als Versager fühlen musste, da er eher praktisch veranlagt war. Der Abiturient, der entgegen dem Wunsch seiner Eltern Förster und nicht Jurist wurde, ist heute glücklich. Die Abiturientin, die zwar dem elterlichen Wunsch entsprach und zunächst ihr Chemiestudium erfolgreich absolvierte, dann aber noch Archäologie studierte, erlebte eine sie erfüllende wissenschaftliche Karriere.
Sicher kann man die Umgebung mit Firlefanz eine zeit lang täuschen, doch
beim Anpeilen anspruchsvollerer Ziele als Glaubenssätze werden Politikmenschen an Wahrhaftigkeit gemessen. Eine Kompetenz, die seit Jahrzehnten in der Schule mangels ernsthaftem Ethik- bzw. Religionsunterricht nicht mehr vermittelt werden darf.