Es gibt Bücher, die tun der Seele so gut, dass sie wie eine Therapie wirken. Man liest sie und fühlt sich beruhigt und gestärkt. Man kann es zwei-dreimal hintereinander tun und findet immer noch Anregung. So eins ist Cora Stephans neuestes Bändchen: „Lob des Normalen – Vom Glück des Bewährten“.
Im immer stärker werdenden Lärm der Zeit, verursacht von den Zeitgeistsurfern, die gern Meinung machen wollen, tut es ausgesprochen gut, wenn die Dinge wieder mal ins rechte Licht gerückt werden. Schon stockt meine Hand: Ist es noch möglich, ins „rechte Licht gerückt“ zu sagen, oder wird dahinter ein Code vermutet, mit dem ich meine angeblich rechte Gesinnung unter die Leute bringen will? Die Gesellschaft ist inzwischen so eingeschnürt von Sprachverboten, dass viele sich nicht mehr trauen, sich frei und öffentlich zu äußern. Staatliche Zensur ist überflüssig, die selbsternannten Tugendwächter haben das längst übernommen. Ängstlichkeit ist Cora Stephans Sache nicht, also packt sie unbekümmert jede Menge aufgeheizte Eisen an.
Es ist völlig in Ordnung, normal zu sein, sich seiner Familie und Heimat verbunden zu fühlen.
„Gewohnheiten beruhigen, verorten, beheimaten. sie erleichtern das Leben und entlasten das Gehirn, das seine Ressourcen braucht, um in Stressituationen schnell reagieren zu können.“ Sollte die Gattung Mensch überlebensfähig sein, ist das eher den Normalos zu verdanken. Die Corona-Krise hat es deutlich gezeigt, dass die Gesellschaft von den Leuten zusammengehalten wird, die täglich Güter produzieren, dafür sorgen, dass wir Wärme, Wasser und Essen geliefert bekommen, das Dach dicht ist und behandelt werden, wenn wir krank sind.
Trotz monströser Fehlentscheidungen der Politiker, trotz gigantischer Steuergeldverschwendung sind wir durch die Krise gekommen, ohne dass unser Gesundheits- und Sozialsystem zusammengebrochen wäre. Für die Panik. die jeden Tag von Politik und Medien geschürt wurde, gab es keinen Grund. Die Normalos erfüllten ihre Pflicht, ohne viel Aufhebens davon zu machen und überließen das Geschnatter und Gezeter denen, die am wenigsten zum Zusammenhalt beitrugen. Dafür werden sie von den „aufgeklärten Kosmopoliten“ gern als „völkisch“ oder „nationalistisch“ gescholten und als die „Bedauernswerten“ (Hilary Clinton) beschimpft.
Das wurde eine Weile so hingenommen, jetzt aber nicht mehr. Nach Stephan sind Trump- und AfD-Wähler, Brexiter dabei, sich hörbar und fühlbar zu machen. Es ist …“ein Aufbegehren des Landes gegen die Städte, der Arbeiter und Angestellten gegen die Akademiker. Genau: Der Normalos gegen die Verkünder der herrlich bunten Vielfalt.“ Das Establishment reagiert konsterniert und kann den Widerspruch kaum fassen.
„Einst bekamen die Salonkommunisten leuchtende Augen, wenn sich die Arbeiterklasse das ungewaschene Maul nicht verbieten ließ. Heute schreien edle Seelen bei jedem kräftigen Wort auf und nennen Hass und Hetze, was einst als authentisch galt.“
In einem besonderen Kapitel nimmt Stephan den „Krieg der Geschlechter“ auseinander. Das ist eine Debatte, die nicht nur das Klima, sondern auch das Leben vergiftet. Dabei ist inzwischen eins ganz klar: Seit Frauen machen können, was sie wollen, zweigen sie keineswegs überwiegende Neigung, sich alle Männerdomänen zu erobern. Sie arbeiten auch häufiger Teilzeit, weil sie sich lieber mehr um ihre Kinder kümmern, als ihre Arbeitskraft zu Markte tragen wollen. Den Feministinnen geht es keineswegs um das Schicksal der Frauen an sich, sondern um Karrieremöglichkeiten für Akademikerinnen. Welch seltsame Blüten die moderne Frauenbewegung hervorbringt, spießt Stephan auch auf: Als eine Aktivistin auf die vielfach aufgegriffenen Idee kam, nicht mehr von Frauen, sondern von „menstruierenden Menschen“ zu sprechen, um keine Transfrau zu kränken, hat sie damit einen neuen Diskriminierungstatbestand geschaffen, indem sie alle Menschen ausgrenzte, die nicht mehr menstruieren.
Kann man darüber noch lachen, vergeht es, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, wie leichtfertig junge Menschen dazu manipuliert werden, sich ein anderes Geschlecht zu wünschen, diesen Wunsch allzu leicht erfüllt bekommen und das hinterher bitter bereuen. Stephan spricht von „brutaler Selbstverletzung“, die so begünstigt wird.
Interessant ist auch der Blick hinter die Kulissen von „Ehe für alle“. Die ist neu. Früher gab es jede Menge Hinderungsgründe, die eine Ehe unmöglich machten, bis hin zum Eheverbot. Totalitäre Diktaturen waren immer bemüht, die Ehe zu zerstören, damit es keinen Bereich gibt, in dem der Staat keinen Zutritt hat. Besonders Linke schmähten die Ehe als rückständig und abschaffenswert. Da ist die gegenwärtige Renaissance der Ehe schon erstaunlich. Plötzlich wollen alle heiraten, auch die ehemalige sexuelle Avantgarde der Homosexuellen. Es spricht sich herum, dass die Familie ein Rückzugsort gegen die Zumutungen des Staates ist. Wer keine Familie hat, ist Vater Staat hilflos ausgeliefert.
Während die Weltveränderer ununterbrochen an der Schaffung eines „neuen Menschen“ arbeiten, hat sich das alte „Normal“ als sehr widerstandsfähig erwiesen. Es hat bereits die Hitler, Stalin, Mao und Pol Pot überlebt. Es wird auch den „Great Reset“ überleben, den die globalen Eliten jetzt auf die Tagesordnung gesetzt haben. Die Corona-Krise hat bereits unerwartete Folgen für die Globalisierung gehabt. Statt ihr Schwung zu verleihen, haben sich die Nationalstaaten als handlungsfähiger erwiesen. Es gab keine globale, nur viele unterschiedliche nationale Strategien.
Der Trend zur Megacity wurde gebrochen, das Landleben weltweit aufgewertet. Die Krise hat gezeigt, was wirklich wichtig ist: Nicht die großen Theorien und Utopien, sondern die Basis, die dafür sorgt, dass die Menschen bekommen, was sie zum Leben brauchen. Es hat sich als keine gute Idee erwiesen, dass Medikamente und andere wichtige Güter nicht mehr im Land hergestellt, sondern aus entfernten Weltecken wie China oder Indien importiert werden müssen. Die Corona-Krise wird für eine Umwandlung sorgen, aber anders, als sie die Möchtegern-Vordenker aus Davos sich das vorgestellt haben.
Cora Stephan: Lob des Normalen