Sprachkontrolle durch die Hintertür

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Olaf Schumann aus Dresden hat einen treffenden Leserbrief zur Initiative von 12 Schülern zur Umbenennung der Mohrenstraße in Radebeul geschrieben, den die Dresdener  Neuesten Nachrichten nicht veröffentlicht haben. Deshalb möchte ich ihn einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen.

Die Fraktion Bürgerforum/Grüne/SPD will im Radebeuler Stadtrat die Umbenennung der Mohrenstraße und des Mohrenhauses öffentlich beraten und am liebsten umbenennen. Der Name sei rassistisch und nicht mehr zeitgemäß.

Die Geisteshaltung, die dem zugrunde liegt, hat Hannah Ahrendt treffend beschrieben:

„Moralisch gesehen ist es ebenso falsch, sich schuldig zu fühlen, ohne etwas Bestimmtes angerichtet zu haben, wie sich nicht schuldig zu fühlen, wenn man tatsächlich etwas begangen hat. Ich habe es immer für den Inbegriff moralischer Verwirrung gehalten, dass sich im Deutschland der Nachkriegszeit diejenigen, die völlig frei von Schuld waren, gegenseitig und aller Welt versicherten, wie schuldig sie sich fühlten.“

Die Rassismus-Selbstbezichtigung macht zunächst sprachlos. Dabei haben die Moral-Apostel nicht ganz unrecht, zeitgemäß ist der Name „Mohrenstraße“ tatsächlich nicht. Aber das muss ein Straßenname auch nicht sein. Da müssten wir ja ständig alle Straßen umbenennen. Der Name „Albertplatz“ ist auch nicht mehr zeitgemäß. Seit 1871 erinnert er an den sächsischen König Albert. Entscheidend bei Namen ist, wie sie gemeint sind. Große Marken wie Meinl oder Sarotti werben ja nicht aus rassistischen Motiven mit einem Mohren. Genauso wenig ist das DDR-Jugendbuch „Mohr und die Raben von London“ rassistisch (mit „Mohr“ ist übrigen Karl Marx wegen seiner schwarzen Haare gemeint).

Vielleicht sollten sich die rot-grünen Stadträte einfach mal Frank Plasbergs Sendung „Hart aber fair“ vom 5. Oktober 2020 in der ARD-Mediathek ansehen (Thema der Sendung: „Streit um die Sprache – was darf man noch sagen und was besser nicht?“). Dort erklärte der farbige Koch und Besitzer des Kieler Restaurants „Zum Mohrenkopf“, Andrew Onuegbu: „Ich finde das ganz schlimm, wenn Menschen versuchen, mir zu sagen, wann meine Gefühle verletzt sind. Ich bin alt genug und habe auch den Verstand, um zu wissen, wann mich jemand verletzt. Ich bin selbst ein Mohr – und stolz darauf. Ich habe mir das nicht ausgesucht, ich bin so geboren.“ Für ihn hat das Wort „Mohr“ keinen rassistischen Hintergrund. Es stammt aus dem Mittelalter und bezeichnet einfach Menschen mit dunkler Hautfarbe. Deshalb hat er sein Restaurant auch so getauft und wehrt sich seitdem tapfer gegen den Moral-Chauvinismus der edlen Weißen.

Was uns sprachlich noch erwartet, wenn grüne Politiker an der Macht sind, kann man in Berlin besichtigen. Der dortige Justizsenator Dirk Behrendt hat einen Leitfaden mit Berlins neuem Behördensprech vorgelegt. „Ausländer“ sind jetzt „Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft“, „Illegale Einwanderer“ sind „undokumentierte Migrationen und Migranten“ und Menschen mit Migrationshintergrund sind „Menschen mit internationaler Geschichte“. Herausgegeben wurde der Leitfaden von der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung.

So ganz neu ist die Idee nicht. Georg Orwell beschreibt bereits 1948 in seinem Werk „1984“ diese Art der Sprachkontrolle. Orwell lässt einen Dezernenten aus dem “Wahrheitsministerium” dozieren: “Kapierst du denn nicht den eigentlichen Sinn von Neusprech?” Beschweigen soll die “Bandbreite der Gedanken einengen”. So “werden Gedankenverbrechen buchstäblich unmöglich, weil es keine Begriffe mehr gibt, um sie auszudrücken”.

In Sachsen sind wir vom Berliner Neusprech vermutlich nicht mehr weit entfernt. Hat doch die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) in ihrem Ministerium eine neue Stelle der „Landesbeauftragten für Antidiskriminierung und die Belange von Schwulen, Lesben, bisexuellen, trans- und intersexuellen sowie queeren Menschen (LSBTTIQ)“ geschaffen. Der Name ist kein Witz. Mitten in der Pandemie, wo viele um ihre Existenz kämpfen, erhält die neue Landesbeauftragte eine ungewöhnlich hohe B7-Einstufung mit 130.000 Euro Jahresgehalt. Man darf gespannt sein, wann Frau Dr. Andrea Blumtritt ihr Gehalt rechtfertigt und die Sächsische Verwaltung auf Berliner Linie bringt. Das Erzieherische wird sich in jedem Fall mit höchster Moral paaren. Die Rassismus-Unterstellung ist eben die Karte, die immer sticht, sie verbannt den „Gedankenverbrecher” aus der Gemeinschaft der Guten.

Können eigentlich nur totalitäre Staaten „Gleichdenk” erzwingen oder funktioniert das auch in Demokratien? Ganz ohne Geheimpolizei? Nur mithilfe ambitionierter Journalisten und Politiker? Wir sollten Orwell lesen und uns unser Sprachgefühl bewahren. Es geht nicht darum unsere Sprache von Diskriminierung zu befreien, sondern die Diskriminierten von Diskriminierung. Sprachkontrolle ist der Feind der Freiheit, man findet sie nicht nur in totalitären Staaten.

Olaf Schumann

Dresden



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