Was sich in den liberalen Demokratien abspielt, die sich weltoffen, tolerant und inklusiv geben, wird mit jedem Tag abstruser. Gestern habe ich über die Entgleisungen an der Universität Cambridge berichtet, heute lese ich, dass es in Kanada ähnlich Vorgänge gibt. Ausgerechnet Kanada, ein Land welches von vielen Deutschen als Rückzugsgebiet auserkoren wurde. Ja, Kanada ist groß, man kann weitab von den Universitätsstädten leben und vielleicht seine Ruhe haben. Was die Selbstzerstörung des Erfolgsmodells Westen betrifft, ist Kanada aber voll im Trend.
Jetzt hat es hier eine marxistische Feministin erwischt.
An der Universität von Alberta wurde Kathleen Lowrey, Professorin für Anthropologie an der gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät, auf Grund anonymer Beschwerden gefeuert.
Lowrey, eine bekennende Marxistin und radikale Feministin hatte folgende „radikale und extremistische“ Ansichten geäußert: Frauen sind Frauen, Männer sind keine Frauen, denn sie haben keine Vagina und können nicht gebären. Sie soll darüber hinaus Studenten abgeraten haben „Pride- Paraden“ zu organisieren, was Lowrey aber bestreitet. Als ihre Studenten das hörten, fühlten sie sich „unsicher“ und wagten es nicht mehr, Anthropologie als Hauptfach zu wählen.
Lowreys Verhängnis war, dass sie eine genderkritische Feministin ist. Sie glaubt nicht daran, dass Geschlechter nur Konstrukte seien. Was gestern noch common sense im Feminismus war, dass es Frauen gibt, die benachteiligt werden, gilt heute bei den „Progressiven“ als transphob und muss bestraft werden.
Lowrey kennt bis heute die Beschwerden nicht, noch weiß sie, wer sie verfasst hat. Es reichte eine anonyme Denunziation, um sie von der Universität zu verbannen. Damit sind die Gender-Anhänger im Stalinismus gelandet. Ehe sich Stalin der Ausrottung Andersdenkender zuwandte, hat er die eigene Partei von Kommunisten gesäubert, die in Verdacht standen, nicht die neueste, stalinistische Lehre zu vertreten. Die landeten vorzugsweise vor Erschießungs-Peletons, ersatzweise in Lagern. Zugegeben: Ganz so hart ist Lowreys Schicksal nicht. Sie wird lediglich ihrer Akademischen Existenz beraubt. Welche Universität könnte es noch wagen, sie anzustellen? Bisher denkt die Frau nicht daran, zu widerrufen, aber ob ein Widerruf wirklich etwas ändern würde, steht in den Sternen. Immerhin kann Lowrey sich in den kanadischen Weiten einen Rückzugsort suchen und mit einer unpolitischen Tätigkeit ihren Lebensunterhalt verdienen.
Ihr Fall zeigt aber, wie ernst die Lage im Westen ist. Die akademische Elite ist dabei, mit ihrer Intoleranz und ihrem Fanatismus das geistige Leben so zu vergiften, dass es kaum noch intellektuelle Debatten und fruchtbaren Gedankenaustausch gibt. Ohne die freie, offene Debatte ist das Erfolgsmodell westliche Demokratie aber nicht lebensfähig. Schlimmer noch, die globale Gesinnungsdiktatur lässt kaum Rückzugsräume offen. In dieser Situation hilft nur, sich dieser Gesinnungsdiktatur massenhaft zu entziehen. Keiner muss es mitmachen. Jede Macht ist an die Unterwerfung der Mehrheit angewiesen. Wenn diese Unterwerfung verweigert wird, dann sind die Mächtigen am Ende. Das hat vor dreißig Jahren die Friedliche Revolution gezeigt. Wir müssen alles tun, um diese Erfahrung nicht vergessen zu lassen.