Wenn es in mehreren Städten gleichzeitig brennt

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Von Gastautor Steffen Meltzer (zuerst erschienen auf achgut)

Die Ausschreitungen in Stuttgart werfen verschiedene Fragen auf. Dort hatten 500 Randalierer einen Millionenschaden verursacht, dabei 40 Läden zerstört und geplündert, zwölf Polizeiautos demoliert und 19 Polizisten verletzt. Auslöser soll die Drogenkontrolle bei einem Siebzehnjährigen gewesen sein. 280 Polizeibeamte wurden eilig zusammengezogen, die Lage geriet trotzdem zeitweilig völlig außer Kontrolle.

Erinnern wir uns, beim G20-Gipfel in Hamburg wurden 31.000 Polizeibeamte zum Schutz der Veranstaltung und der Stadt zusammengeführt. Das hinderte die Störer jedoch nicht daran, ganze Straßenzüge in Schutt und Asche zu legen. Die Kräfte hatten nicht ausgereicht, die Verwüstungen zu verhindern. Eine Psychotherapeutin aus Hamburg hatte mir daraufhin einen Leserbrief geschrieben:

Ich finde es ungeheuerlich, mit welcher Selbstgerechtigkeit und Brutalität im Gemisch diese jungen Menschen ihre für andere Menschen lebensgefährlichen Aktivitäten betreiben. G20 ist meinem Mann und mir noch tief im Körpergedächtnis eingebrannt. Wir waren an zweien der Abende mit dem Fahrrad zur Staatsoper gefahren, um Ballette von John Neumeier zu sehen. Auf dem Rückweg gerieten wir in den tobenden Mob auf St. Pauli, konnten aber, da wir uns als Hamburger ja gut auskennen, über Seitenstraßen ausweichen. Es war unglaublich ängstigend, wie im Krieg: Die Geräusche, die Attitüden. Auf der Elbchaussee und auch schon vorher sahen und vor allem rochen wir voller Entsetzen die vielen ausgebrannten Autos. Es war gespenstisch und einfach nur entsetzlich.“ 

Sagen wir es ungeschminkt, die Szenen in Hamburg, Stuttgart, in der Berliner Rigaer Straße oder Leipzig-Connewitz sind denen bürgerkriegsähnlicher Zustände durchaus vergleichbar. Rechtsfreie Räume wie in der Silvesternacht 2015/16 auf der Domplatte in Köln oder im Görlitzer Park von Berlin, bei denen sogar Fußballturniere mit Drogendealern veranstaltet werden, sind die ungeschminkte Lebensrealität.

Keine Reserven mehr vorhanden

Ist unsere Polizei für solche Zustände ausreichend materiell und personell aufgestellt?

Stuttgart hat einmal mehr bewiesen: Selbst kleinste polizeiliche Maßnahmen können ausreichen, ein Pulverfass der „Event-Szene“ zur Explosion zu bringen. Bei plötzlich auftretenden Unruhen macht es erheblich Mühe, genügend Personal zusammenzuziehen. Erst recht, wenn die Polizei an vielen verschiedenen Orten bereits benötigt wird und dadurch keine Reserven mehr vorhanden sind, siehe die Silvesternacht 2015/16 in Köln.

Dazu kommt, dass mit der Flüchtlingskrise spätestens seit 2015 Menschen mit verschleierten Identitäten ins Land gekommen sind. Sie haben Erfahrungen an der Waffe in Kriegsgebieten gesammelt und können ein völlig anderes Aggressionspotenzial an den Tag legen, als man es hierzulande „gewohnt“ ist. Auch Kriminelle werden die historische Chance genutzt haben, sich der Strafverfolgung im eigenen Land zu entziehen. Das trifft auch auf die allgemeinen kulturellen Unterschiede zu, mit denen man Konflikte zu lösen gedenkt.

Eine falsch verstandene Toleranz wird sich regelmäßig ins Gegenteil verkehren. Denn jede Straftat muss zeitnah und konsequent geahndet werden, soll verhindert werden, dass Täter in immer kürzerer Zeit immer schwerere Straftaten begehen. Inkonsequenz hat eine fatale Lerngeschichte bei Kriminellen zur Folge. Vieles davon scheitert schon allein an der zusammengesparten und überlasteten Justiz. Kritiker dieser Tatsachen werden in die Rassismusecke gestellt, damit das Problem unterdrückt und nicht bearbeitet werden muss.

Augenzeugen berichten, dass sich in Stuttgart aber auch eine auffällige Zahl von in schwarze Kapuzenpullover gekleideten Personen um den Schlossplatz versammelten, bereits am Nachmittag. Von diesen Personen soll in der Nacht dann auch die größte Aggression gegen Polizeibeamte und Fahrzeuge ausgegangen sein. Die Ausschreitungen begannen laut einer Quelle im Ordnungsamt gegen Mitternacht gleichzeitig an drei verschiedenen Orten der Innenstadt.

Als Spitzenpolitiker hinter ihren Polizeibeamten standen

Bekanntermaßen hat unsere Polizei mit weiteren Problemen zu tun. Die Zeiten, als Spitzenpolitiker hinter ihren Polizeibeamten standen, scheinen vorbei zu sein. Stattdessen hat sich nicht nur bei Saskia Esken (SPD) eine größtmögliche Respektlosigkeit und Verachtung breitgemacht. „Experten“, wie zum Beispiel Kevin Kühnert (SPD), treten gern in den Sendeanstalten auf und unterstellen der Polizei regelmäßig „strukturellen Rassismus“. Fragt man sie nach entsprechenden Tatsachen, Fakten oder Studien, weichen sie aus – dann ist schnell festzustellen, dass es lediglich falsche Verdächtigungen und ausgedachte Annahmen sind.

In Berlin wurde sogar ein „Antidiskriminierungsgesetz“ erfunden, das alle Polizeibeamten unter einen Generalverdacht stellt. Diese müssen ab sofort bei einer Beweislastumkehr ihre Unschuld beweisen. Ein Freudenfest für Clans und alle Klassenkämpfer. Nicht nur in der Hauptstadt will man Meldestellen einrichten, bei denen Polizeibeamte anonym denunziert werden sollen. Der Rechtsstaat wird dabei auf den Kopf gestellt.

Nur wer realitätsfremd ist, wundert sich über die Stuttgarter Ereignisse, als ein Straßenmob nicht nur ein ganzes Viertel verwüstete, sondern unsere Polizisten verhöhnte, angriff und verletzte. Man muss hinschauen, ob Politiker, die die Gewalt von Stuttgart verurteilen, zuvor gegen unsere Polizei die Stimmung angeheizt haben. Die Politik trägt die Verantwortung dafür, dass sich das Land immer mehr polarisiert und die Stellung der Polizei geschwächt wird.

Gewarnt aber unvorbereitet wie bei der Corona Krise

Haben wir eines Tages in mehreren Städten Deutschlands ähnliche Ausschreitungen wie in Stuttgart, kann die Bevölkerung nicht geschützt werden. Nehmen die Ausmaße flächendeckende Zustände an, wird man alle Hände voll zu tun haben, Politiker, „Prominente“, Kritische Infrastrukturen, Verkehrsknotenpunkte u.a. systemwichtige Einrichtungen und Anlagen zu beschützen. Die Polizei allein kann es ohnehin nicht richten. Andere Behörden müssen auch ihre Verantwortung bereits im Vorfeld wahrnehmen. Doch die Kommunen haben dazu oftmals keinen Plan vorzuweisen, wie in „Friedenszeiten“ oder gar bei erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit zu verfahren ist. Der einzige Plan: Planlosigkeit.

Um die eigenen Fehler zu kaschieren, richtet die Politik den Lampenstrahl gern auf die Polizei. Hier wiederholt sich das Dilemma aus der Corona-Krise. Man hat seit mehreren Jahren aus einer in Auftrag gegeben Studie gewusst, dass eine Pandemie bevorsteht. Es wurden weder Atemschutzmasken geordert, noch anderweitige persönliche Schutzausrüstungen angeschafft. Das Chaos war somit vorprogrammiert und konnte nur mit massiven Eingriffen ins Grundrecht „geregelt“ werden.

Bei der Polizei haben wir sogar, bis auf Bayern und wenige andere Ausnahmen, das Gegenteil erlebt. Es wurde nicht nur nichts getan, es wurde Personal, allen Warnungen zum Trotz, jahrelang abgebaut. Ehe wir wieder auf die alte Mannschaftsstärke kommen, vergehen mindestens zehn weitere Jahre und da ist noch nicht einmal die Notwendigkeit für mehr Personal infolge einer sich spaltenden Eskalationsgesellschaft berücksichtigt.

Als ich einmal mit dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Dr. Hans-Georg Maaßen über dieses Problem sprach, antwortete er mir: „Man sollte die Politik ändern, aber nicht mehr Polizei einstellen. Wir brauchen nicht mehr an Befugnissen, Personal und Geld, wir brauchen weniger Probleme.“

Die Polizei wird die Probleme nicht verringern oder verhindern können, dafür ist sie nicht aufgestellt, das kann keine Polizei dieser Welt, egal in welchem Land.

Steffen Meltzer hat als Polizeitrainer 15 Jahre lang Polizeibeamte fortgebildet (zum Beispiel Schießtraining, Amoklagen und anderes). Er ist Autor von Ratgeber Gefahrenabwehr:So schützen Sie sich vor Kriminalität – Ein Polizeitrainer klärt auf“



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