Von Gastautor Annette Heinisch
Manche Dinge verstehe ich einfach nicht. Zum Beispiel, warum wir Geld an besonders von Corona betroffene Staaten zahlen sollen. Dass man Menschen in Not im Rahmen der Möglichkeiten hilft, ist selbstverständlich. Daher finde ich es sehr gut, wenn schwerkranke Menschen nach Deutschland geflogen und hier in Krankenhäusern behandelt wurden, auch wenn es kostet. Unfähige Politiker zu unterstützten und damit das Demokratieprinzip auszuhebeln, mag ich hingegen nicht. Genau das scheint aber der Plan zu sein.
Laut EuroMOMO wurde eine Exzess-Mortalität trotz eindämmender Maßnahmen in Europa festgestellt, die nun abebbt: „Pooled estimates of all-cause mortality for the countries participating in the EuroMOMO network are approaching normal expected levels following a period of a substantial excess mortality observed in some countries, coinciding with the COVID-19 pandemic. A few countries are still seeing some excess mortality.”
(Deutsch: „Die gepoolten Schätzungen der Gesamtmortalität für die am EuroMOMO-Netzwerk teilnehmenden Länder nähern sich dem normalen erwarteten Niveau, nachdem in einigen Ländern in der Zeit der COVID-19-Pandemie eine erhebliche Übersterblichkeit beobachtet wurde. In einigen Ländern gibt es immer noch eine gewisse Übersterblichkeit.“)
So gab es zum Beispiel in der 15. Kalenderwoche in Frankreich, Spanien, Belgien, den Niederlanden, England und Schottland einen „extremely high excess“, in Schweden und Italien einen „very high excess“, in Nordirland und der Schweiz einen „high excess“. Die anderen europäischen Staaten hatten eine moderate oder niedrige Übersterblichkeit.
Die Ruhe des Volkes erkaufen
Das macht nachdenklich: Das Virus ist gleich. Die Menschen sind gleich. Das Ergebnis ist unterschiedlich. Warum? Welche Maßnahmen und Faktoren haben über Leben und Tod entschieden? Was ist der „X-Faktor“?
Wer diese Frage weder stellt noch offen und schonungslos untersucht, dem sind die Menschen komplett egal. Die Antwort auf diese Frage ist entscheidend, um zukünftig zu verhindern, dass Menschen sterben, wenn sie leben könnten. Es ist ein Gebot der Menschlichkeit schlechthin, hat damit aus meiner Sicht höchste Priorität. Das Thema steht aber auf keiner politischen Agenda. Stattdessen wird versucht, die spürbare Unruhe der Bevölkerung damit zu besänftigen, dass ihr Schweigen mit Geld erkauft wird.
Würden die Bürger nämlich diese Frage stellen, ihre Bürgerrechte mit Demonstrationen zum Ausdruck bringen und ihrer Verantwortung nicht gerecht werdende Politiker abstrafen, würde es für diese sehr unangenehm werden. Genau diesen demokratischen Prozess will die europäische Politik unter dem Deckmantel der Solidarität aber unterbinden. Daher bitten Italien, Frankreich und Spanien nicht ihre im Verhältnis zu uns deutlich reichere Bevölkerung zur Kasse oder lösen Teile der Goldreserven auf. Italien hat die drittgrößten, Frankreich die viertgrößten Goldreserven weltweit. Aber das würde die verständliche Unzufriedenheit der dortigen Bevölkerung ja nicht besänftigen, sondern im Gegenteil verstärken.
Wollen wir Deutsche auf diese Weise ernsthaft den demokratischen Prozess in anderen Staaten unterlaufen und damit die nötigen Veränderungen behindern? Veränderungen, die Leben retten?
Gastronomie und Tourismusbranche schwer getroffen
Natürlich könnten auch diejenigen Staaten finanziell bedacht werden, die wirtschaftlich die heftigsten Folgen der Pandemie zu schultern haben. Die Behauptung, unsere Wirtschaft sei Nutznießer von Geldtransfers in die EU, weil wir unsere Exporte selbst bezahlen, ist ein mittlerweile abgenutzter schlechter Scherz. Es wäre effizienter, wenn der Staat die Waren direkt bei deutschen Unternehmen kauft, dann gäbe es immerhin keinen Schwund und wir hätten keinen Ärger mit dem Handelsbilanzüberschuss. Aber als größte Volkswirtschaft der EU (nicht weltweit, Grüße an Frau Baerbock) hätte Deutschland die größten Probleme, müsste mithin einen Großteil der Corona-Milliarden bekommen. Eine leise innere Stimme sagt mir, dass das wohl nicht gemeint ist.
Das ist schade, denn es könnte in ein paar Monaten für die Politik in Deutschland ungemütlich werden. Bürger, denen es wirtschaftlich schlecht geht, werden auch hier unruhig, das Verständnis für europäische Geldverteilung kann schnell in Unmut umschlagen. Die Wirtschaft kommt nur langsam in Schwung. Das gilt nicht nur für die stark betroffene Gastronomie, die zwar wieder öffnen darf, aber nur begrenzt Gäste bewirten. Die Reserven sind aufgebraucht, in den nächsten Monaten werden die Umsätze kaum reichen, um die Kosten zu decken. Der Bankrott vieler aus dieser Branche ist vorprogrammiert. Auch andere Branchen sind hart getroffen.
Dazu zählen zum Beispiel die vielen kleineren oder mittelgroßen Unternehmen in der Reisebranche, die aufgrund der Reisebeschränkungen vor der Insolvenz stehen. Besonders hart getroffen sind Fernreiseveranstalter, viele davon spezialisiert.
Die Reiseveranstalter müssen laut Pauschalreiserecht dem Reisenden 100 Prozent der geleisteten Zahlungen bei Nichtdurchführung zurückzahlen. Die Reiseveranstalter arbeiten zweimal an jedem „Fall“: ausgiebig in der Beratung und dann bei der Stornierung. Bei der 100 Prozent Rückzahlung an den Kunden haben sie zweimal umsonst gearbeitet. Zusätzlich haben die Veranstalter noch Anzahlungen bei Partnern vor Ort, zum Beispiel in afrikanischen Ländern geleistet, die von diesen häufig nicht zurückgezahlt werden (können) oder bei Fluggesellschaften, die sich weigern, die Kosten zu erstatten (zum Beispiel Lufthansa). Es müssen also nicht nur 100 Prozent an den Kunden zurückgezahlt werden, sondern die Veranstalter machen Verluste. Neu ist nunmehr die Idee, dass die Veranstalter auch den Reisebüros die Vermittlungsgebühr bezahlen sollen, auch wenn die Reise nicht stattgefunden hat. Wie sollen sie das bezahlen?
100.000 Arbeitsplätze scheinen unserer Politik egal zu sein
Das führt zu einer klaren Marktbereinigung zu Gunsten weniger großer Veranstalter. TUI zum Beispiel bekommt einen Kredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro.
Wie überall zu lesen ist, wird ab dem 15. Juni das Reisen innerhalb von Europa möglich sein. Eine Quarantäne bei der Wiedereinreise nach Deutschland entfällt, genauso die Reisewarnung. Dies nützt aber den Fernreisespezialisten nichts, denn diese Erleichterungen gelten nicht für das außereuropäische Ausland, selbst wenn in diesen Ländern ein problemloses Einreisen möglich ist und diese auch kaum bis gar keine aktiven Corona-Fälle haben. Dass die Fernreiseveranstalter darin eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sehen, wenn eine Reise in Hochrisikogebiete wie Italien (55.300 aktive Fälle), Frankreich (89.311 aktive Fälle) oder Spanien (58.685 aktive Fälle) möglich ist, aber nicht zum Beispiel auf die Seychellen (keine aktiven Fälle), Mauritius (2 aktive Fälle), Namibia (7 aktive Fälle), Botswana (15 aktive Fälle) oder Simbabwe (27 aktive Fälle) liegt auf der Hand (Zahlen siehe hier).
Das alles betrifft gut 200 Unternehmen mit 10.000 Arbeitsplätzen, einschließlich der Mitarbeiter von Reisebüros sogar rund 100.000. Unserer Politik scheinen sie egal zu sein.
Nur am Rande sei erwähnt, dass die wirtschaftliche Situation gerade der afrikanischen Staaten dadurch noch deutlich fragiler wird und auch der Naturschutz einen rapiden Rückschlag erleidet.
Kernbereich deutscher Industrie von anderen Staaten abhängig
Die Metall- und Maschinenbaubranche durfte weiterarbeiten, hatte und hat aber enorme Probleme. Nicht nur Masken und Medikamente werden weitgehend in China gefertigt, sondern auch Mikroelektronik/Halbleiter. Der Maschinen- und Anlagenbau, ein Kernbereich der deutschen Industrie, benötigt zum Beispiel halbleiterbasierte integrierte Schaltungen und Leistungselektronik sowie weitere ähnliche Teile, sonst kann nicht produziert werden. Diese kommen weitgehend aus Asien, schwerpunktmäßig China, denn bei uns sind diese Produktionen aufgrund der Umweltauflagen nicht mehr darstellbar. Das bedeutet, dass der Kernbereich deutscher Industrie von anderen Staaten abhängig ist, wir sind damit komplett erpressbar. Dies dürfte unter anderem das Verhalten der deutschen und europäischen Politik China gegenüber erklären, denn unsere Souveränität ist ernsthaft in Frage gestellt.
Die gravierenden Lieferengpässe sind bekannt, es gibt dafür extra Ansprechstellen bei Landesbehörden, nur können diese auch nichts ändern. Mittlerweile wird wieder geliefert, aber oft mit langen Lieferzeiten. In einem mir bekannten Fall liegen sie bei 16 Wochen, das heißt ab Oktober kann wieder produziert werden. Falls es das Unternehmen dann noch gibt.
Auf gemeinsamen rechtlichen Rahmenbedingungen basierender Freihandel ist eine sehr gute Sache, aber Freihandel und Globalisierung sind zwei verschiedene Dinge. Die Globalisierung, das heißt die Aufteilung der Wertschöpfungskette bei der Produktion eines Gutes auf verschiedene Staaten, die „verlängerte Werkbank“, hat sich aus der Verlagerung der Produktion aus westlichen Staaten mit hohen Lohn- und Nebenkosten sowie Umweltstandards hin zu Staaten mit niedrigeren Löhnen und flexibleren Arbeitsbedingungen und fehlenden/geringeren Umweltstandards ergeben. Zum Beispiel Masken können nach neuen EU-Standards zukünftig gar nicht mehr in der EU produziert werden. Die Warnungen vor der Deindustrialisierung werden immer lauter.
Der Untertan wird zum Herrn und Gebieter zitiert
Die Globalisierung ist kein von dubiosen Gestalten ausgeheckter Plan, sondern die nicht bedachte, jedoch logische Folge der Anhebung hiesiger Standards, was zu einer Verlagerung der Produktion ins Ausland führt. Konkret in Deutschland sind die hohen Kosten für Energie bei fehlender Netzsicherheit ein weiterer entscheidender Aspekt. Daraus resultiert eine schrittweise Deindustrialisierung, welche nicht nur die Wertschöpfung von uns wegverlagert hat, sondern damit zugleich das politische Gewicht, von der politischen Unabhängigkeit und damit Handlungsfähigkeit ganz zu schweigen. Um die Wohlstandsillusion aufrecht zu erhalten, benötigen wir den billigen Euro, aber auch diese Medizin verliert zunehmend ihre Wirkung, die Nebenwirkungen treten in den Vordergrund. Diversifikation der Lieferketten auf verschiedene Drittstaaten geht nur beschränkt, sie löst auch nicht das Hauptproblem, nämlich die Abhängigkeit von diesen Staaten, deren Standards in keiner – allen voran politischer Hinsicht – unseren entsprechen.
Auch die überbordende Bürokratie ist ein Unternehmenskiller, wie sich gerade wieder zeigte. Die Dokumentationspflichten bei Kurzarbeit sind umfangreich. Am einfachsten ist es, die Mitarbeiter komplett in 100 Prozent Kurzarbeit zu schicken, was aber den Sinn der Regelung konterkariert. Auch die staatlichen Hilfsprogramme sind ein Musterbeispiel an Aufwand, dessen einziger Mehrwert in mehr Schulden liegt. Mehr Schulden braucht derzeit aber kein Unternehmen. Auch hier wird zur Kenntnis genommen, dass Deutsche nur Kredite bekommen, unser Geld aber ins Ausland verschenkt werden soll. Der Plan der „Sparsamen Vier“ ist auch nicht weiterführend, denn jeder weiß, dass es egal ist, ob man das „Kind“ Zuschuss oder Kredit nennt, das Geld ist weg.
Umso erfreuter ist der geneigte Unternehmer, seine Steuergelder bei der Arbeit zu beobachten. In einem von mir beratenen Unternehmen steht der Neubau eines Abwasserkanals an, ein teures Unterfangen, muss doch ein weitläufiges Betriebsgelände mit mehreren Werkhallen angeschlossen werden. Der Bauantrag war eingereicht, nach Genehmigung käme die Ausschreibung, anschließend die Beauftragung und dann der Bau. Die Genehmigungsbehörde drängte darauf, die notwendige Baumfällung bis Ende März vorzunehmen – was geschah. Dies bekam eine Dame von der Naturschutzbehörde mit und begab sich mutig aus dem Home-Office direkt an den Tatort, um den bösen kapitalistisch-umweltzerstörenden Missetäter zu stellen. Der Geschäftsführer ließ es sich nicht nehmen, der Dame mit bewundernswerter Offenheit darzulegen, was er vom behördeninternen Abstimmungsverfahren hält. Es kostete mich einiges an Mühe, die Wogen zu glätten. Kaum war dies gelungen, setzte die Behörde einen persönlichen Besprechungstermin mit diversen Teilnehmern an, um den Kanalbau zu besprechen.
Allerdings gab es gar nichts zu besprechen, in Corona-Zeiten werden derartige Termine zudem auch per Video-Konferenz gemacht, also baten wir um Verschiebung. Während wir gerade grübelten, wie der Ausfall des dritten Großkunden verkraftet werden könnte, der sich wie die anderen ins Schutzschirmverfahren geflüchtet hat (das ist ein spezielles Insolvenzverfahren), erreichte uns eine Mail, mit der der Oberbürgermeister den Geschäftsführer zu sich einbestellte. Nichts mit Terminabsprache, der Untertan wird zum Herrn und Gebieter zitiert. Dumm gelaufen, der Termin passte nicht, vorher fragen, hätte geholfen. Offenbar ist aber die derzeitige Lage noch nicht in allen Behörden richtig angekommen. Kanalbau ist derzeit bei Unternehmen, die nicht einmal wissen, ob die Reserven für die Dursttrecke reichen, definitiv kein vordringliches Thema. Erst einmal muss das Unternehmen am Laufen gehalten werden, denn gelingt das nicht, wird kein neuer Kanalanschluss benötigt.
Das Volk will es so. Oder?
Ein solches Verhalten ist wie der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Es drängt sich die Frage auf, warum man sich das überhaupt noch antut. Seit Jahren kämpfen mittelständische Unternehmen und Familienbetriebe gegen den Strom, um den Standort Deutschland zu erhalten, ohne großen Erfolg. Die rot-grüne Agenda wird schleichend umgesetzt, gleichzeitig die Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufgehetzt, indem immer neue, angeblich benachteiligte Gruppen konstruiert werden, die gegen die Mehrheit und gegen andere Gruppen in Stellung gebracht werden. Ein Musterbeispiel für Zersetzung. Erst wurde England, das Mutterland der industriellen Revolution, verschrottet, dann die USA. Das Ergebnis sehen wir aktuell, wir sind auf dem gleichen Weg. Wir träumen von ein bisschen Sozialismus in einer paradiesisch anmutenden Umgebung, von „Lieben ohne Leiden“ und einer Hand, die unsere hält. Aber so läuft das Leben nicht.
Immerhin weiß ich, was ich bei Betriebsversammlungen sagen werde, in denen den Belegschaften der Verlust des Arbeitsplatzes mitgeteilt werden muss. Ich werde ihnen vollmundig erklären, dass jede Krise eine Chance sei. Sie hätten nun die einmalige Chance, ihr Leben komplett umzustellen mit super positiven Auswirkungen auf die Work-Life-Balance. Das sei auch kein Problem, sondern eine Herausforderung, an der sie wachsen könnten. Auch Arbeitslosenhilfe und Hartz-IV seien nur Herausforderungen, vor allem, wenn man sich überlegt, wer die bezahlen soll. Und wenn sie dann jammern wegen der Zukunft ihrer Kinder, fragen, wer soll sie ernähren? Dann werde ich ihnen triumphierend sagen, keiner – und das ist auch gut so! Denn wir alle sind CO2-Schleudern, letztlich nichts anderes als Verbrenner und die gehören bekanntlich abgeschafft. Das Volk will es so. Oder?
Zuerst erschienen bei achgut