Das Ende von Merkels Prätorianer Peter Altmaier

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Wir leben in stürmischen Zeiten. Die längst überfällige Merkeldämmerung erschüttert das politische Deutschland. Die Dinge bewegen sich so schnell, dass die Talkshow vom letzten Sonntag einem wie eine Ewigkeit vorkommt. Trotzdem möchte ich einen Blick zurück auf Anne Will wagen, da sich hier einer der treusten Prätorianer von Merkel selbst versenkt hat: Wirtschaftsminister Peter Altmaier.

Peter Altmaier hatte am Sonntag ganz offenbar einen sehr schlechten Tag, Moderatorin Anne Will erwähnte am Ende der Sendung gesundheitliche Probleme. Aber dies darf niemanden hindern, eine kritische Analyse zu machen, denn Peter Altmaier hätte nicht zu Anne Will gehen müssen. Im Gegenteil, warum kommt der Wirtschaftsminister in eine Talkshow um die CDU-Thüringenkrise zu erklären? Peter Altmaier kam aus freien Stücken und muss deshalb auch den blowback aushalten.

Peter Altmaier war bei Anne Will die Personifizierung eines nicht mehr nachvollziehbaren Kurses der CDU und des Establishments. Wobei sich Wolfgang Kubicki redlich Mühe gab, ihm diese Show zu stehlen. Zusammen war das Bild desaströs. Aber wenn Altmaier nur das Offensichtliche klar gemacht hätte, nämlich dass die Kanzlerin keinerlei Plan mehr hat, wäre es nicht weiter der Rede wert: Die nächsten Tage haben es ja bewiesen. Jetzt ist AKK über dem Chaos gestürzt und für Thüringen gibt es immer noch keine Lösung.

Aber der Auftritt von Peter Altmaier ließ weit tiefer blicken: Zunächst versucht Altmaier, das nicht zu verteidigende zu rechtfertigen: Die Absetzung von Christian Hirte (ab Minute 30:00). Statt die einzig mögliche Verteidigungslinie zu nehmen und die Verantwortung dort hinzugeben, wo sie liegt, nämlich bei der Kanzlerin, die ja tatsächlich Mitglieder ihrer Regierung berufen und abrufen kann, versucht er die politische Verteidigung. Christian Hirte sei nicht nur wegen eines Tweets, sondern auch wegen anderer Äußerungen entlassen worden (Details gibt Peter Altmaier aber lieber nicht, gehen Sie fest davon aus, dass dies eine Nebelkerze ist) und vor allen waren sich „die Kanzlerin, die CDU und auch der Koalitionsausschuss einig“ (30:30). Unfassbar! Ein Schlaglicht auf das System Merkel. Die CDU? Diese Behauptung ist schon dreist, denn es hat meines Wissens keine dokumentierte, öffentliche Forderung nach der Ablösung von Christian Hirte aus der Führungsriege der CDU gegeben. Aber vor allem der Koalitionsausschuss? Werden jetzt die Personalfragen der CDU wirklich mit den Partei- und Fraktionsspitzen der SPD und der CSU abgeglichen? Die Überwindung der Trennung von Parteien und Regierungen im Zeitalter der Merkeldämmerung.

Immerhin ist Altmaier konsequent: Wenn Kubicki Teil der Regierung wäre (er ist ja nur Vizepräsident des Bundestages), ‚rein hypothetisch‘, dann hätte es aus Sicht von Altmaier auch personelle Konsequenzen geben müssen. Ein Minister im Machtrausch oder einfach völlig von der Rolle? Dass Kubicki auf diese Ungeheuerlichkeit nicht wirklich stark reagiert hat, rundet das Bild nur ab. Immerhin scheint ihn die nur schlecht versteckte Drohung („Vizepräsident Bundestag“) nicht weiter zu schrecken.

Vielleicht sollte man Peter Altmaier noch mal erinnern, was in dem Tweet von Christian Hirte, der ihn sein Amt gekostet hat, drinstand: „Kandidat der Mitte“ und „Rot-Rot-Grün hat keine Mehrheit“. Beides absolut sachlich richtige Statements. CDU-politisch völlig in Ordnung. Aber natürlich gegen die linke Überparteilinie, wie sie von Ramelow und Kühnert vorgegeben wird und die gerade von Linksparteifunktionären schwer missbräuchlich gefahren wird. Dass die Rechtsnachfolger der Staatspartei der DDR-Diktatur ohne mit der Wimper zu zucken „Millionen Tote“ und vor allem „Buchenwald“ ins Feld führen, ist ein Skandal erster Güte, denn wenn es eine direkte Parteilinie zu Verbrechen in Buchenwald gibt, dann ist es bei der SED-PDS-Linkspartei und der historischen Verantwortung bezüglich der Verbrechen und Morde im sowjetischen Speziallager #2 auf dem Gelände des ehemaligen KZ Buchenwald in der Nachkriegszeit, aber auch den ersten Jahren der DDR-Diktatur. Und bei niemand anderem, der gewählten Fraktionen im Thüringer Landtag.

Warum ist dieser Punkt zu wichtig? Weil der Tiefpunkt des Altmaierschen Auftritt erst zum Ende kommt. SPD-Genosse Kühnert, der vorher eher staatsmännisch getragen argumentiert hat, lässt bei Minute 1:06 die Maske fallen. Er redet von „beklemmender Parallele zur deutschen Geschichte“. Die AfD war nicht so stark wegen ihres Wahlergebnisses, sondern „weil sie ermächtigt worden ist, das erste Mal echte Macht im Parlament zu haben“ – Peter Altmaier versucht zu Recht, die unsägliche historische Analogie zum NS-Ermächtigungsgesetz von 1933 zurückzuweisen. Leider versteigt er sich dabei zu einer Ungeheuerlichkeit: Er sagt wortwörtlich: „Sie spielen an auf das Ermächtigungsgesetz, wo damals Teile meiner Partei, leider Gottes, anders als ihre Partei, für Adolf Hitler und sein Ermächtigungsgesetz gestimmt haben. Das war eine Katastrophe.“

Hier ist Peter Altmaier völlig von der Rolle: Man kann und muss die Rolle der katholischen Zentrumspartei in der Weimarer Republik sicherlich historisch kritisch analysieren, aber eines ist sonnenklar: Die CDU, die Christlich Demokratische Union, ist eine westdeutsche Nachkriegsneugründung (vereinigt mit protestantisch geprägter, stalinscher Blockparteienkopie im Osten) und trotz gewisser Traditionslinien als katholisch und protestantische Union in ganz klarer Abgrenzung zur katholischen Zentrumspartei zu sehen, die in der Weimarer Republik ja sogar eine direkte Verbindung zum Heiligen Stuhl in Rom hatte. Aus meiner Sicht ein unentschuldbarer Fehltritt – fast bin ich geneigt, das fürchterliche Merkelwort „unverzeihlich“ zu bemühen.

Letztlich hat Peter Altmaier aber der Demokratie einen Dienst geleistet: Statt sich um Wirtschaftspolitik in Deutschland zu kümmern (hier haben wir offenbar keine größeren Probleme – bitte entschuldigen Sie meinen Sarkasmus), versucht er völlig hilflos ein Regierungs- und Koalitionsverhalten zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist. Am Ende kommt der Offenbarungseid: Obwohl er offenbar von der Geschichte keine Ahnung hat, stolpert er hilflos durch das von den Genossen gestrickte Verleumnungslabyrinth. Was für eine Desaster.

Mein Fazit: Wenn Peter Altmaier einen letzten Rest Selbstrespekt hat, dann tritt er als Minister zurück. Seine Zeit in der CDU und der Regierung ist ganz offenkundig schon längst abgelaufen – wenigstens diese Lehre sollte er aus der Thüringenkrise ziehen – dem „Vorbild“ Mike Mohring sollte er nicht nacheifern.

Und ein kleiner historischer Nachtrag: Im demokratischen Preußen und dem demokratischen Berlin standen in der Weimarer Zeit SPD und Zentrum in Koalitionen gegen die Anti-Demokraten von NSDAP und KPD. Goebbels und Ulbricht, die beiden Berliner Parteiführer, bekämpften den demokratischen Staat und die demokratische Polizei in Berlin mehrmals gemeinsam. Das ist eine historische Lektion, die die momentane Truppe um Angela Merkel offenbar vollkommen vergessen oder verdrängt hat.

Die ganze Sendung können Sie hier nachschauen.



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