Kritische Gedanken – 30 Jahre nach der friedlichen Revolution

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Von Gastautor Prof. Peter Dierich

Die beiden politischen Systeme, das damalige in der DDR und das jetzige in der Bundesrepublik, sind nicht ohne Weiteres vergleichbar. Trotzdem gibt es einige erschreckende Parallelen, die ich aus ganz persönlicher Sicht beleuchten möchte. Sie sind ja objektiv vorhanden und könnten von jedermann gesehen werden, aber die meisten schauen weg, deshalb möchte ich das Erkennen erleichtern, indem ich diese Fakten ausleuchten möchte.

In der DDR herrschte die Allmachtsmeinung der Funktionäre der Partei SED und deren „Beachtung“ wurde durch die Staatssicherheit kontrolliert. Heute herrscht ein Meinungskartell der etablierten Parteien, das durch den Mainstream der Medien verbreitet wird. Nun höre ich schon den Aufschrei der Lesenden, wie könne man Staatssicherheit und Mainstream vergleichen. Mir ist die Unterschiedlichkeit vor allem bezüglich der Gefahr, wenn man damit in Kontakt gekommen ist/kommt, wohl klar. Den Mainstream könnte man unbeachtet lassen, der Staatssicherheit konnte man nicht entgehen. Ein mich sehr irritierender Unterschied ist auch, wenn man damals Kritik z. B. an der (nicht vorhandenen) Umweltpolitik äußerte, bekam man – zumindest versteckt – Anerkennung für den Mut. Wenn man heute noch so berechtigte Bedenken, z. B. zu Fehlern der Klimapolitik benennt, riskiert man die Ächtung. Ich glaube, dass ist eine böse Folge des Mainstreams, der nur eine Denkrichtung kennt, oder sollte man das „Denk“ lieber noch weglassen und nur von einer Richtung sprechen?

Meine kritischen Äußerungen zu den katastrophalen Umweltzuständen in der DDR brachte mir im Juni 1989 die Androhung der Kündigung aus der Arbeit an der Hochschule ein, wohlgemerkt die Androhung (die Realisierung fand nie statt, sondern im November ´89 erhielt ich eine Art „Rehabilitierung“ wegen „veränderter gesellschaftlicher Verhältnisse“). Mich beunruhigt, dass gegenwärtig Berufsverbote ausgesprochen werden oder Druck auf den Verzicht der Berufsausübung erzeugt wird, nur weil die politischen Ansichten des Betroffenen nicht die gewünschte Konformität ausstrahlen. Verfassungsschutzpräsident Maaßen, Bischof Rentzing, Filmförderer Mendig (bei Letzterem reichte ein gemeinsames Foto mit einem AfD-Bundestagsabgeordneten) sind keine Einzelfälle, wie diese Auflistung zeigt. Es geht dabei nicht immer um ein völliges Berufsverbot. Berufliche Benachteiligungen wegen kritischer Äußerungen sind schlimm genug. Häufig wird dabei die perfide Taktik der Staatssicherheit angewendet, dass der Anschein erweckt wird, dass der Druck von der öffentlichen Meinung käme. Auch damals wurden Stellungnahmen kolportiert, die angeblich die öffentliche Meinung wiedergeben sollten, nur kannte man schon damals niemanden, der so dachte. Früher waren es bezahlte, häufig unter Druck gesetzte Spitzel, heute sind es freiwillig agierende, „gutmeinende“ Journalisten, die die Hatz eröffnen. Ich überlege, was ist eigentlich die perfidere Art …

Das ZDF-Fernsehen lässt am 14.10.19 eine grüne Bundestagsabgeordnete öffentlich dazu aufrufen, keine „AfD-Hirse“ zu kaufen, gemeint ist die Bio-Hirse der Marke „Spreewälder Hirsemühle“, deren Inhaber AfD-Mitglied ist. Dies erinnert mich schamhaft an den faschistischen Slogan „Kauft nicht bei Juden“. Noch bersten nur wenige Schaufensterscheiben, aber der linke faschistische Mob wird immer aktiver, wie sich beim Fall des Unternehmens „Hentschke Bau“ zeigt. Aber: „Wehret den Anfängen !“ …

Die mir im Herbst 1988 zufällig bekannt gewordenen Zahlen um die enorme Luftbelastung des Zittauer Raumes (zusammengestellt vom Institut für Umweltschutz Wittenberg im Auftrag des Rates des Kreises Zittau!) durften damals nicht veröffentlicht werden und hatten Verhöre bei der Staatssicherheit zur Folge; ähnlich ergeht es mir heute mit Statistiken zur Ausländerkriminalität (z.B. dass ein zugewanderter Tunesier in der Kriminalstatistik 2017 34 mal (!) häufiger als Tatverdächtiger geführt wird als ein Deutscher). Auch dies sind offizielle Zahlen, mein Zutun besteht nur in der Quotientenbildung. In beiden Fällen ging und geht es mir nur darum, Dinge zu benennen, die im Bewusstsein verankert sein müssen, damit Fehlentwicklungen korrigiert werden können. Verschweigen, absichtliches Wegsehen haben schon zu großen gesellschaftlichen Katastrophen geführt …

Ich erinnere mich noch gut, wie in den achtziger Jahren Zwickauer Professoren sich nicht zu schade waren, die besondere Umweltfreundlichkeit der Trabantmotoren in den DDR-Tageszeitungen zu propagieren. Wissenschaft hat sich (leider) schon manchmal der Obrigkeit als dienstbar erwiesen. Das sich gegenseitige Überbieten beim Beschreiben des Klimakatastrophenszenariums treibt auch heute manche Blüte. Warum wird von den Spezialisten nicht darauf hingewiesen, dass das Milliarden schwere Klimapaket der Bundesregierung und vor allem die noch nicht explizit ausgewiesene Mehrbelastung der Bevölkerung den Welt – CO2 – Ausstoßes nur um wenige Promille (oder deutlicher ausgedrückt: nicht erkennbar) reduzieren wird. Der Meinungsterror lässt offensichtlich kein „Grau“ mehr zu.

Demokratiefeindliche Bewegungen, wie Extinction Rebellion, werden öffentlich hofiert, während 200 Wissenschaftler ein Tagungsraum gekündigt wird, wenn der Besitzer erfährt, dass darunter auch welche sind, die nicht den Mainstream bezüglich der Klimapolitik frönen …

Die Gesellschaft ist gespalten. Dies ist einer der wenigen Sätze, die mehrheitsfähig sind. Wer Schuld hat, daran scheiden sich bereits die Geister. Wer jede Kritik an der Politik der etablierten Parteien in eine rechte Ecke stellt oder sogar Rechtsextremismus bzw. Rassismus unterstellt, grenzt aus und spaltet die Gesellschaft. Leider – und ich unterstreiche das „Leider“ dreimal – gibt es nur die AfD rechts von den völlig nach links abgedrifteten etablierten Parteien (die Rechts-Links-Wortwahl ist nicht glücklich, wird aber hier zur Vereinfachung benutzt). Es ist also eine Folge verfehlter undifferenzierter Politik, dass sich eine relativ große Zahl von Menschen gerade in den östlichen Bundesländern – aus Alternativlosigkeit (um auch einmal die Merkelsche Wortwahl aufzugreifen) – der AfD zuwenden. Es könnte für die gesamte Gesellschaft ein wichtiges Signal ausgehen, wenn das mehrheitsfähig würde, was von der Sächsischen Landessynode für die Landeskirche beschlossen wurde: „künftig verstärkt eine klare Unterscheidung zwischen wertkonservativen Christsein und Rechtsextremismus herbeiführen zu wollen“. Der Beschluss der Synode ist ein wichtiges Eingeständnis, welches in der Formulierung „künftig verstärkt“ anklingt, es wäre aber ein Schritt in die richtige Richtung …

Vielleicht gehörte dann der Geist der Etablierten auch bald der Vergangenheit an, der so treffend im Titel der wieder gezeigten Ausstellung des Stasiunterlagen-Archivs formuliert ist: „Feind ist, wer anders denkt“ (30 Jahre nach der friedlichen Revolution).

Zum Autor:

    • Am 13. Oktober 2009 erhielt er aus Anlass „20 Jahre Friedliche Revolution“ den Sächsischen Verdienstorden verliehen

Außerdem:

Die Sächsische Zeitung hat nichtmal den Eingang des Textes bestätigt, als er Ihnen vom Autor zugeschickt wurde.



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