Steuergelder für die Antifa

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Von Peter Entinger auf PAZ

In den vergangenen Jahren ist in Deutschland eine große Zahl an „Initiativen gegen Rechts“ entstanden. Einigen kürzt die Bundesregierung nun die Mittel. Der Aufschrei ist erwartungsgemäß groß.

Hintergrund sind Neuverteilungen der Gelder innerhalb des Programms „Demokratie leben“ und die geplante Kürzung der Zuschüsse um insgesamt acht Millionen Euro. Dies soll aber erst für das Jahr 2021 gelten, nach dem Terroranschlag von Halle will das Finanzministerium von Olaf Scholz acht Millionen Euro aus eigenen Mitteln zuschießen. Das Bundesprogramm zielt nach eigener Darstellung „darauf ab, demokratisches Verhalten, bürgerschaftliches Engagement sowie den Einsatz für Vielfalt und Toleranz in der Gesellschaft zu fördern“. Anträge können alle gemeinnützigen, zivilgesellschaftlichen Organisationen wie soziale Einrichtungen und Verbände, Kirchen und Vereine stellen. Viele Organisationen haben von den Zuwendungen in den vergangenen Jahren gut gelebt, hauptamtliche Stellen geschaffen, moderne Büros eingerichtet. Entsprechend aufgeregt fallen die Reaktionen aus.

Zwei Modellprojekt-Anträge der Amadeu-Antonio-Stiftung, einem bundesweiten Förderer von Anti-Rechts-Projekten, wurden abgelehnt. Der Sprecher der Stiftung, Robert Lüdecke, sagte dem Deutschlandfunk „Für uns heißt die Ablehnung von zwei unserer Modellprojekt-Anträge ganz konkret, dass wir ein Büro in Hannover schließen werden und dort Arbeit von inzwischen acht Jahren einstellen müssen, anstatt aufzubauen auf die Expertise, die wir erworben haben, und unser Thema voranzutreiben.“
400 Projekte hatte der Bund über „Demokratie leben!“ bislang gestützt, nun wird nur noch ein Viertel weitergeführt. „Bei den Modellprojekten haben wir über 1000 Nachfragen gehabt und wir können am Ende nur 100 Modellprojekte fördern. Sie erkennen daraus, dass wir 900 haben, die wir nicht bedienen können, und das erklärt auch, warum eine Unruhe an der Stelle gerade vorherrscht“, erklärte ein Sprecher von Familienministerin Franziska Giffey. Als vergangenes Jahr die Weiterführung von „Demokratie leben“ bekannt gegeben wurde, begründete die SPD-Politikerin dies wie folgt: „Das Programm … hat sich bewährt und die Arbeit ist eine Daueraufgabe … Das Engagement braucht Planungssicherheit.“ 2015 wurde das Projekt ins Leben gerufen, die Zuschüsse wurden auf fünf Jahre begrenzt. Nun hat man sich offenbar zu einer Umstrukturierung entschlossen.

Kritiker bemängeln, dass die Mittel des Bundesprogramms nicht nur gekürzt, sondern auf weniger Projekte aufgeteilt worden seien. Aus dem Bewerbungsaufruf des Familienministeriums geht hervor, dass die maximale jährliche Fördersumme pro Projekt von 130000 Euro in der ersten Periode auf 200000 Euro für die nächste Phase angehoben wurde. Dies geschieht offenbar, um einem umsichgreifenden Wildwuchs der Initiativen Einhalt zu gebieten. Offiziell bestätigen möchte das Ministerium dies allerdings nicht. Auf Medienanfragen teilte das Ministerium nicht mit, warum die Mittel gekürzt wurden, sondern erklärt nur, dass in den nächsten Jahren „die Ziele stärker fokussiert und teilweise neu justiert werden“.

Einige Entscheidungen werfen Fragen auf. So galt das Neonazi-Aussteigerprogramm „Exit“ auch in bürgerlichen Kreisen durchaus als seriös. Als Reaktion auf die NSU-Mordserie hatte das Bundesfamilienministerium 2013 entschieden, die Arbeit von „Exit“ dauerhaft zu fördern. 2018 erhielt die gemeinnützige GmbH aus Bundesmitteln 225000 Euro. Doch nach der Änderung der Förderrichtlinien soll das Projekt künftig leer ausgehen. Damit droht der Initiative das Aus, fürchtet Mitbegründer Bernd Wagner, seit 19 Jahren an der Spitze von „Exit“. Wagner kritisiert die Begründung gemäß der Prävention in den Mittelpunkt gestellt werden müsse, Deradikalisierungsprozesse aber nicht mehr begleitet werden sollten. „Extremismus-Prävention wird auf Bundesebene in den Mittelpunkt gestellt. Das bedeutet allerdings, dass Deradikalisierung nicht vorkommen kann, weil dieses systematisch nicht zur Prävention gerechnet wird“, sagte er gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Er fürchtet, dass künftig nur noch Aktivitäten gefördert werden, die verhindern, dass jemand in die rechte Szene abbiegt. Denjenigen hingegen, die bereits in der Szene drin sind, könnte dann nicht mehr geholfen werden.

Selbst Konservative wie das CDU-Urgestein Wolfgang Bosbach halten diese Entscheidung für falsch. „An der erfolgreichen Arbeit gibt es keine sachlichen Zweifel. In dem Moment ihnen den Geldhahn zuzudrehen, ist nicht nur unverständlich, das ist unverantwortlich“, erklärte er. Auch unter dem Eindruck von Halle hat das Familienministerium erklärt, mit „Exit“ nachverhandeln zu wollen. Ebenfalls betroffen ist die Initiative „Gesicht zeigen“ des früheren Regierungssprechers Uwe-Karsten Heye. Von ihnen wurden zwei beantragte Modellprojekte abgelehnt. „Es geht mir weniger um die Existenz von ,Gesicht zeigen‘ oder die Existenz der Amadeu-Antonio-Stiftung. Ich glaube, wir kriegen das immer irgendwie hin. Es geht uns wirklich um die Richtung, um die Strategie, die für uns nicht die richtige ist. Die Leute auf dem Land ausbluten zu lassen“, sagte Geschäftsführerin Sophia Oppermann.

Das Familienministerium versucht, dem Eindruck entgegenzutreten, die Rücknahme der Kürzungen habe mit den Vorfällen in Halle zu tun. Dies sei ein normaler Prozess im Rahmen der Gespräche zum Haushalt, erklärte ein Ministeriumssprecher. Ziel sei immer gewesen, so viel Geld wie möglich für die Stärkung der Zivilgesellschaft bereitzustellen. An der grundsätzlichen Ausrichtung, weniger Projekte, diese aber zielgerichteter zu fördern, ändere sich nichts. Zudem werde im kommenden Jahr abermals verhandelt.



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