Von Ramin Peymani auf Liberale Warte
Wenn Kinder etwas unbedingt wollen, ist ihnen nahezu jedes Mittel recht. Da wird auch gerne mal ein bisschen geflunkert, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Wahrheit zum Ziel führt. Wir Erwachsenen sind da zumeist recht nachsichtig, wissend, dass es zum Heranreifen gehört, Grenzen zu testen und die Einhaltung von Regeln zu erlernen.
Manche wollen jedoch partout nicht lernen und sich schon gar nicht an Regeln halten. War dies noch vor nicht allzu langer Zeit mit gravierenden persönlichen und beruflichen Nachteilen verbunden, muss heute niemand mehr ernsthafte Konsequenzen wegen des Unterlaufens der gesellschaftlichen Spielregeln befürchten. Wo Teenager mit sichtlich beschränkten Fähigkeiten von den Berufsjugendlichen in den Redaktionen zu Ikonen stilisiert werden, wo Mittelmaß als erstrebenswert gilt, um weniger Ambitionierte oder geringer Befähigte nicht zu diskriminieren, wo Sachkompetenz als verstörender Angriff auf das emotionale Wohlbefinden gewertet wird, entwickeln sich auch charakterliche Mindestanforderungen zu einem Relikt des vergangenen Jahrhunderts. Die Politik lebt dies Tag für Tag vor. Sie ist nicht zuletzt deswegen zum Einfallstor für all jene geworden, die sich höheren Ansprüchen verweigern oder ihnen schlichtweg nicht genügen. Unser Parteienstaat verkörpert die „Negativauslese“ der Gesellschaft, wie der angesehene Journalist und ehemalige Leiter der Auslandsabteilung im Institut für Demoskopie Allensbach, Wolfgang Koschnick, in seiner ab 2013 erschienenen Artikelserie „Demokratie am Ende?“ analysiert, in der er anschaulich den „Niedergang der entwickelten parlamentarischen Parteiendemokratien“ beschreibt.
Eine im intellektuellen Mittelmaß versinkende Gesellschaft wertet Fakten als rechtspopulistische Hetze, ist aber empfänglich für emotionale Botschaften
Beschleunigt wird der Niedergang durch eine Politikergeneration, für die überwiegend nicht mehr das Wohl des Landes im Vordergrund steht, sondern die Erziehung der Menschen im Sinne der jeweiligen Parteidoktrin. Besonders ausgeprägt scheint dies bei den Grünen, die mehr als alle anderen Parteien davon profitieren, dass eine im intellektuellen Mittelmaß versinkende Gesellschaft die Beschäftigung mit Fakten als rechtspopulistische Hetze empfindet, dafür aber umso empfänglicher für emotional aufgeladene Botschaften ist. In einer zunehmend komplexen Welt erscheinen die Heilsversprechen der vermeintlichen Erlöser als segensreiche Verheißung, und der immer weniger kontrollierbare Alltag begünstigt die Hinwendung zu sektenhaft auftretenden Rattenfängern, die Erleuchtung und Befreiung versprechen, wenn man sich ihnen unterwirft. Die urdeutsche Sehnsucht nach einem starken Führer wird dabei in besonderer Weise bedient. Auf dem Weg zur Herrschaft geht es manchem Grünen aber offenbar nicht schnell genug. Gerne will der eine oder andere da etwas nachhelfen. Manipulationen zugunsten der Grünen durch eifrige Wahlhelfer sind längst offiziell dokumentiert. Aber auch auf vielen anderen Wegen wirken grüne Mitstreiter, um den Eindruck einer breiten öffentliche Unterstützung für die eigene Ideologie zu vermitteln. Verbände, die scheinbar unabhängig arbeiten, Bürgerinitiativen, die sich einen überparteilichen Anstrich geben, und fleißige Leserbriefschreiber in eigener Sache sind nur einige der üblichen Stilmittel, derer sich auch die anderen Parteien bedienen. Besonders dreist trieben es nun aber zwei grüne Kommunalpolitiker aus Schleswig-Holstein.
Mehr als ein Jahr lang versuchten zwei grüne Lokalpolitiker mit gefälschten Leserbriefen den Eindruck zu erwecken, dass die Bürger hinter ihnen stehen
Ein grüner Kreistagsabgeordneter und ein grüner Stadtverordneter wollten die öffentliche Meinung zu lokalpolitischen Themen beeinflussen, indem sie immer wieder Leserbriefe unter falschen Identitäten an eine Kieler Zeitung schickten. Mehr als ein Jahr lang versuchten sie auf diese Weise den Eindruck zu erwecken, dass die Bürger hinter den grünen Anliegen stehen. Fünf gefälschte Zuschriften sind der Redaktion bekannt, die den Lokalpolitikern nach wochenlangen Recherchen auf die Schliche kam. Zum Verhängnis wurde den beiden Betrügern, dass die Formulierungen in den Leserbriefen zu viele Ähnlichkeiten mit den Pressemitteilungen der Partei aufwiesen. Von ihren unbezahlten Parteiämtern sind beide nun zurückgetreten. Ihre bezahlten Kommunalmandate wollen sie aber selbstverständlich behalten. Es ist eben doch etwas anderes, ob man Moral predigt oder sich diese selbst verordnet. Die Posse ist nur bei oberflächlicher Betrachtung eine lokale Petitesse. Sie dürfte vielmehr die Spitze des Eisbergs der Täuschungsmanöver sein, wobei die Handelnden in aller Regel nicht so dumm sind, sich erwischen zu lassen. Unfreiwillig komisch ist das grüne Foulspiel aber schon: Es hätte der Fälschung nämlich gar nicht bedurft, sitzen in den Redaktionen doch überwiegend willfährige Helfer, die grünen Botschaften nur allzu gerne zur Verbreitung verhelfen. Immerhin hat mit der aufgedeckten Täuschung ein größerer Kreis von Wählern einen seltenen Einblick in die Niederungen der Parteiarbeit erhalten – nicht nur in die der Grünen, die uns in der Energie-, Umwelt- und Klimapolitik das manipulative Agieren des Parteienstaats allerdings am deutlichsten vor Augen führen.