Versunken und wieder auferstanden

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Marienburg an der Nogat, Frauenburg am Frischen Haff und Elbing waren Städte, die einst eine wichtige Rolle in der deutschen Geschichte spielten, zugleich aber Beispiel dafür waren, dass deutsche und polnische Geschichte über Jahrhunderte eng miteinander verflochten waren.

Marienburg gehörte zu den größten und berühmtesten Burgen im mittelalterlichen Europa. Sie wurde vom deutschen Orden gegründet, war christlicher Wallfahrtsort, Hochmeisterresidenz des deutschen Ordens, später von Polen gekauft, Starostensitz und königliche Nebenresidenz, dann preußische Kaserne, schließlich Geburtsort der Denkmalpflege in Preußen. Die gewaltige Anlage wurde von den Nazis zur Festung erklärt und in den letzten Kriegstagen durch die Rote Armee schwer zerstört. Besucher heute sehen auf dem Weg zum Eingang ein Foto der Burg aus dem Sommer 1945 und können kaum fassen, dass aus diesen Ruinen die Burg auferstehen konnte. Der Wiederaufbau, der 1959 begann, hat sich inzwischen auch wirtschaftlich rentiert. Die Burg ist heute ein Touristenmagnet.

Noch abseits touristischer Pfade liegt Frauenburg, heute Fromborg, obwohl auch hier eine imposante Domburg steht. Der Frauenburger Dom entstand im 14. Jahrhundert. Um den Dom herum wurde bis in das 15. Jahrhundert eine Wehranlage mit drei Toren, zahlreichen Türmen und Basteien gebaut. Während die dazugehörige Stadt im Zweiten Weltkrieg zu 80% zerstört wurde, überstand der Domhügel die Kämpfe einigermaßen unbeschadet. Vom mächtigsten Bauwerk der Domburg, dem erst im 17. Jahrhundert vollendeten Glockenturm, hat man eine herrliche Aussicht auf das Land und das frische Haff. Im Haff sind kaum Schiffe zu sehen, denn der Zugang zur Ostsee ist an der Meerenge von Pillau durch Russland gesperrt. Schiffe können nur mit Genehmigung passieren. Das war bis vor wenigen Jahren noch anders. Inzwischen herrscht wieder Machtpolitik.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts entwickelte der Domherr Nikolaus Kopernikus, der diesen Posten auf Fürsprache seines Onkels erhalten hatte, hier im „hintersten Winkel der Welt“ „in Frueburgio Prussiae“ seine Theorie des Heliozentrischen Weltbilds. Davon zeugt heute eine große Statue des Genies. Es gibt auch ein Kopernikus-Museum, es hat aber wenig zu zeigen, denn als die Schweden im Dreißigjährigen Krieg die Stadt und den Domhügel eroberten, nahmen sie Kopernikus Unterlagen als Kriegsbeute mit. Sie sind heute im Museum der Universität Uppsala zu sehen. Das ist ein ganz spezielles Kapitel von Beutekunst.

Man wusste immer, dass Kopernikus auf dem Domgelände begraben war, aber nicht wo genau. Dieses Rätsel konnte kürzlich gelöst werden. Man exhumierte Skelettteile, die im Dom begraben waren. In einem der Bücher, von denen man wußte, dass Kopernikus sie studiert hatte, fand man ein Haar, dessen DNA passte zu Teilen des Skeletts – so hatte man das Grab wiederentdeckt.

Bemerkenswert in Frauenburg ist ein Gedenkstein für die 450.000 Menschen aus den Masuren, die im Januar und Februar 1945 über das zugefrorene Frische Haff vor der anrückenden Roten Armee zu fliehen versuchten. Die Gauleitung hatte die Genehmigung zur Flucht viel zu spät erteilt. Wer ohne Genehmigung loszog und erwischte wurde, wurde als Deserteur erschossen. Auf dem Eis gaben die Menschen eine gute Zielscheibe ab. Sie wurden erschossen und bombardiert. Ende Februar wurde das Eis bereits brüchig. Der Winter war hart gewesen, aber das Frühjahr kam zeitig. Die Risse, die sich unvermittelt auftaten, waren eine tödliche Gefahr.

Der Vorläufer des heutigen Gedenksteins aus den 90er Jahren, wurde bereits in den 80er Jahren auf Initiative heutiger Bewohner Frauenburgs errichtet, die anders als die deutsche Antifa der Meinung waren, dass es auch deutsche Opfer des Kriegswahnsinns gegeben hat, an die erinnert werden sollte. Als wir da waren, war die Stätte sowohl von einer polnischen Fahne, als auch mit Schleifen in Schwarz-Rot-Gold geschmückt. Dieser Stein ist ein Zeichen, dass die Menschen, die von der Politik immer wieder in Kriege und Krisen getrieben werden, viel weiter sind, als die Politiker. Sie wollen Versöhnung, während die Politik schon wieder hetzt. Die deutschen „Eliten“ echauffieren sich über die „reaktionäre“ polnische Regierung, die antwortet mit Reparationsforderungen, was wiederum von den Deutschen als undankbar empfunden wird, denn schließlich wären die Polen vor allem auf deutsche Initiative in die EU gekommen. Gerade jetzt ist die Politik dabei, wieder ein unheilvolles Gebräu anzurichten. Die Lehre aus der Geschichte sollte sein, ihr diesmal rechtzeitig in den Arm zu fallen, damit nicht eines Tages wieder Trümmer beseitigt werden müssen.

In Elbing kann man besichtigen, wie eine bereits verschwundene Stadt wieder auferstehen kann. Nach den schweren Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges beschloss die polnische Regierung, die Altstadt rings um die notdürftig wieder aufgebaute Nikolaikirche abzutragen und einen Park anzulegen. Als sich die Solidarność Anfang der 80er Jahre entwickelte, hatte sie in Eblang, wie Elbing heute heißt, eine besondere Forderung nach Wiederaufbau der Altstadt. Als der Druck groß genug wurde, begann die Stadtverwaltung, die Parkbäume zu fällen und die alten Fundamente freizulegen. Auf diesen Fundamenten konnten Unternehmen oder Privatpersonen Häuser im alten Stil errichten. Waren Fassadenelemente bei den Ausgrabungen gefunden worden, mussten diese integriert werden. Nach dem Sturz der Kommunisten kam der Wiederaufbau mächtig in Schwung. Heute sind ganze Straßenzüge wiedererstanden.

Wir kamen in die Stadt am Tage des Brotfestes. Das wird seit einigen Jahren zu Ehren des Bäckerjungen gefeiert, der der Legende nach 1521 die Einnahme Elbings durch die Ordensritter verhindert hat, indem er mit seiner Backschaufel die Seile des Eisengitters am Stadttor durchtrennte und die Eroberer am Betreten der Stadt hinderte. Sie konnten mit Hilfe der alarmierten Bürgerschaft dann zurückgeschlagen werden.

Die ganze Stadt schein auf den Beinen zu sein und flanierte durch die alten neuen Mauern. Diese Polen sind jung, innovativ und noch kein bisschen wohlstandsgeschädigt. Ich vermisste die im Westen ideologisch verordnete „Buntheit“ kein bisschen, denn die Menge war vielfältig genug.

Wenn Europa noch zu retten ist, kommt die Rettung aus dem Osten.

Marienburg 1945

Frauenburg Kopernikusturm

Elbing

Vor der Marienburg



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