Angela Merkel als Kunstkritikerin

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von Gastautor JOSEF HUEBER

Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt war, wie auch Condoleezza Rice, die ehemalige Außenministerin Amerikas, dafür bekannt, ausgezeichnet Klavier zu spielen. Churchill konnte hervorragend schreiben.

BUCHKRITIK OHNE VORHERIGE LEKTÜRE
Was kann Angela Merkel? Da fällt einem nur ein, dass sie vor nicht allzu langer Zeit von ihrer Gabe Gebrauch machte, Bücher zu rezensieren, die sie nur vom Titel her kennt. Sarrazins Deutschland schafft sich ab gab ihr die Gelegenheit, als Rezensentin zu reüssieren, wenngleich ihr Urteil, entgegen der beabsichtigten Wirkung, ein Schuss nach hinten war. Die von ihr geprägte, ungewöhnliche Formel „nicht hilfreich“, eigentlich ein Werturteil, das man über ein Do-it-yourself-Buch für Heimwerker erwarten würde, konnte nicht verhindern, dass Sarrazins Buch auf die Bestsellerliste kam. Vielleicht hatte ihr Sachurteil sogar eine den Verkauf steigernde Wirkung?

2. AKT – KUNSTKRITIK AUS MORALISCHER PERSPEKTIVE
Jetzt hat sich die deutsche Bundeskanzlerin zum zweiten Mal als Expertin außerhalb der Politik geoutet: als Kunstkritikerin.
Sie hat ein treffsicheres Urteil gefällt: Nolde geht gar nicht! Die politische Einstellung eines Künstlers entscheidet darüber, ob man sich mit seinen Werken umgeben darf. Nolde hat es schlimm getroffen: Seine Identifikation mit nationalsozialistischer Weltinterpretation muss aus moralischen Gründen die Konsequenz nach sich ziehen, dass seine Bilder als unerträglicher Anblick gelten und deswegen in der unmittelbaren Arbeitsumgebung der Kanzlerin nichts mehr zu suchen haben.

DER WIND WEHT, WO SIE WILL
Zweifler an der Kompetenz ihres Kunstverständnisses vermuten, dass sie, in der Witterung politischer Stimmungen bestens geschult und erfahren, ganz anderes im Sinne hatte, als ihre moralische Abscheu angesichts des Künstlertäters zum Ausdruck zu bringen.

Hat sie vielleicht beabsichtigt, so muss man fragen, dass ihre Distanzierung von Noldes Antisemitismus assoziativ auch als Ausdruck ihrer vorgeblich gegen Fremdenfeindlichkeit gerichteten Politik verstanden wird? Und dass sie damit allen politischen Gegnern ihrer nicht mehr kontrollierten Grenzen, denen man bei jeder Gelegenheit den Geruch des politisch Rechtsextremen andichtet, einen Schlag mit der (kunstverbrämten) Nazikeule verpasst hat? Wie glaubwürdig ist das angesichts des von ihr ermöglichten, unkontrollierten Imports von islamischem Antisemintismus?

JUDEN SEHEN DAS OFFENSICHTLICH ANDERS
Diese Zweifel an der Glaubwürdigkeit ihrer moralischen Entrüstung wurde von jüdischer Seite aus deutlich. Michael Wolffsohn sprach in einem Interview mit dem Deutschlandfunk über den Vorgang der Bildentfernung von „Tugendhysterie“. Nachdem er Grundsätzliches zur Gebrochenheit und Widersprüchlichkeit der menschlichen Natur erläuterte, blieb nichts mehr davon übrig, was man zur Rechtfertigung für den deutlich gewordenen Rigorismus hinter Merkels Pseudomoral sagen könnte. Leider: So sehr alles stimmig war, was Wolffsohn zum Verhältnis Künstler und Kunst sagte, so sehr ist es bedauerlich, dass er nicht zur Sprache brachte, was wohl die eigentliche Absicht hinter der Entscheidung der Kanzlerin, das Bild nicht mehr aufzuhängen, steckt: die Instrumentalisierung einer kulturpolitischen Steilvorlage zur Disqualifizierung des politischen Gegners.

WAGNER IST DER HÄRTETEST
Man darf gespannt sein, ob sich Merkel noch einmal in Bayreuth bei den Wagner-Festspielen zeigen wird. Richard Wagner, das muss sie schon einmal gehört haben, war ohne jeden Zweifel Antisemit. Hitler hat ihn bekanntermaßen sehr geschätzt.

Darf Wagners Musik noch Eingang finden in ihre Ohren, wo sie doch ihre Augen aus Abscheu vor Nolde verschließt?

Aber lassen wir ihr Zeit, erst einmal Witterung aufzunehmen, ob die politische Stimmung eine Distanzierung davon verlangt.



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