Schaut man auf den aktuellen Veranstaltungskalender der Landeszentrale für Politische Bildung Berlin, dann sieht es so aus, als ob am 14. Februar nichts los ist. Aber dieser Schein trügt.
An diesem Tag findet eine von der Landeszentrale geförderte Tagung statt. Und zwar in den Räumen der Amadeu-Antonio-Stiftung, die aber auch die Veranstaltung auf ihren Seiten nicht verzeichnet. Titel der „Fachtagung“: „Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“.
Die Teilnahme ist kostenfrei, „aber nur nach Anmeldung bis 7.2. und nach schriftlicher Bestätigung durch die Amadeu Antonio Stiftung möglich“.
Worum es bei der „Fachtagung“ gehen soll, wird gleich zu Anfang des offiziellen Einladungsschreibens klar gemacht, welches man auf den Seiten von Stephan Hilsberg finden kann und das drei Unterschriften trägt: Anetta Kahane, Leiterin der AAS, Enrico Heitzer und Klaus Bästlein:
„Der Fall Hubertus Knabe ist in aller Munde. Bei den Debatten um seine Entlassung ist in den Hintergrund getreten, dass er auch eine Scharnierfunktion zu den rechten Rändern der DDR-Aufarbeitung hatte. Er scheute nicht davor zurück, Nationalsozialismus und SED-Sozialismus als zwei „sozialistische“ Seiten einer totalitären Medaille zu betrachten und beide Regimes zu analogisieren – eine am rechten Rand typische Grenzüberschreitung.“
Die Aufarbeitung der zweiten deutschen Diktatur war SED- und Stasikadern immer ein Dorn im Auge. Sie konnten nicht verhindern, dass die Gedenkstätte in der ehemaligen Zentralen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit entstand, andere Gedenkstätten in Potsdam, Magdeburg, Dresden, Torgau, Cottbus, Erfurt folgten. An den Orten der kommunistischen Repression muss man keine Vergleiche zu anderen totalitären Diktaturen bemühen, sie springen einem förmlich ins Auge. Hier saßen, insbesondere in den 40er und 50er Jahren viele Menschen, die vorher schon in Nazi-Gefängnissen inhaftiert waren. Hier kann man die Methoden des sowjetischen Geheimdienstes studieren, die von der Staatssicherheit der DDR übernommen und kreativ weiterentwickelt wurden.
Es hat schon in den vergangenen Jahren immer wieder heftige Diskussionen gegeben, weil Versuche unternommen wurden, die Brutalität kommunistischer Regime gegen Andersdenkende zu verharmlosen. Ein Beispiel ist die heftig umstrittene Dauerausstellung im ehemaligen NKWD-Gefängnis in Potsdam.
Jetzt entwickelt sich aber etwas viel Gefährlicheres. Kräfte, wie die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich den Kampf gegen ‚rechts‘ auf die Fahne geschrieben haben, scheinen einen Keil in die Diktaturaufarbeitung treiben zu wollen. Vor allem sieht es so aus, als sollten alle Kräfte, die Demokratie und Meinungsfreiheit auch für Kritik an z.B. der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung oder anderen linken Projekten reklamieren, mundtot gemacht werden.
Dabei zeichnet sich eine Strategie des Doppelschlages ab. Indem man versucht, die DDR-Aufarbeitung als „rechts“ zu stempeln und die Aufarbeitungen der beiden Diktaturen in Deutschland gegeneinander aufhetzt, schwächt man die Diktaturaufarbeitung insgesamt und versucht, sich die Deutungshoheit zu sichern.
Die „Fachtagung“ der AAS soll ganz offenbar ein Meilenstein in dieser Sache werden. Damit alles glatt läuft, werden „Beweise“ für die angebliche Rechtslastigkeit der DDR-Aufarbeitungs-„Szene“ schon im Einladungsschreiben präsentiert und eingeordnet. An erster Stelle stehen die verunglückten Äußerungen des ehemaligen politischen Häftlings Siegmar Faust in einem Interview mit dem Journalisten Markus Decker. Sinnigerweise ist dieser offensiv-aggressive Journalist, der in den letzten Jahren durch ausgesprochen bösartige Interpretationen des Nachwendewirkens der DDR-Bürgerrechtler aufgefallen ist, als Aktivposten Referent vor Ort. So wird doppelt sichergestellt, dass der Spin genau in die gewünschte Richtung läuft.
Das Einladungsschreiben, welches sich eher wie eine perfide Anklageschrift liest, führt sich einen vorsichtshalber nicht eindeutig beschriebenen Fall auf: „Ein ehemaliges UOKG-Vorstandsmitglied, das Bücher in extrem rechten Verlagen publiziert hatte, wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er die Leiterin der Potsdamer Gedenkstätte Leistikowstraße angriff und verletzte“
Mich erinnert dieses Vorgehen nur zu gut an die überwunden geglaubten DDR-Zeiten. Wie Zersetzung funktioniert kann man heute in den geöffneten Stasiakten nachlesen. Unter anderem durch das Streuen von halb- oder unwahren Gerüchten, die so gestrickt waren, dass die Zielperson und ihr gesamtes Umfeld maximal diskreditiert wird. Ich weiß nicht, ob es den oben genannten Fall tatsächlich so gab, die Art und Weise wie hier aber mit Andeutungen, Unterstellungen und konstruierten Zusammenhängen operiert wird, erinnert mich aber fatal an Altbekanntes.
Zudem ist die Einladung durchzogen von Doppelstandards. Dazu nur eine kleine Randnotiz: Ob Anetta Kahane, die Veröffentlichungen in „Rechtsaußenblättern wie der ,Jungen Freiheit’ als negative Indizien anführt, bewusst ist, wie unseriös das wirkt, wenn sie selber sich vom Referenten Martin Jander 2004 für das Linksaußenblatt Jungle World interviewen ließ? Thema: ,Die östliche Seite des Täterlandes.’ Ein Gespräch mit Anetta Kahane über Rassismus und Antisemitismus in der DDR.“
Wie bedenken- und rücksichtslos im Einladungsframing vorgegangen wird, zeigt vor allem die Anführung eines Zitats des renommierten ehemaligen Speziallagerhäftlings Gerhard Finn, der im Januar 2014 in einem Nachruf im „Tagesspiegel“ zu Recht als verdienstvoll, ruhig und sachlich gewürdigt wurde.
Hier das freischwebende Zitat aus dem Einladungsschreiben: „Bereits 1991 sagte der spätere Vorsitzende der ,Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG)’, Gerhard Finn: ,Aus der Rassenfrage wurde in der DDR die Klassenfrage, aus der Frage nach dem arischen Großvater die Frage nach dem proletarischen Vater.’ NS-Täter wurden als ,Opfer des Stalinismus’ geehrt.“
Gerhard Finn starb 2013 im Alter von 83 Jahren – den Inhalt und den Kontext seiner Äußerung kann der ehemalige Pressesprecher des Innerdeutschen Ministeriums, der im Dezember 1945 mit 15 Jahren von kommunistischen Sowjets wegen angeblicher „Werwolf“-Aktivitäten verhaftet und mittels herausgeprügelter Geständnisse für 3 Jahre ins Speziallager Nr. 2, Buchenwald eingesperrt wurde, welches er halbtot, aber als Einziger der Gruppe lebend verlies – nicht mehr einordnen. Mitte der Neunziger hat Russland Gerhard Finn rehabilitiert. 50 Jahre nach seiner Verhaftung hatte er die offizielle Bestätigung aus den Archiven, dass er kein „Werwolf“ gewesen war, sondern nur ein Junge zur falschen Zeit am falschen Ort. Jetzt, im 6. Jahr seines Todes präsentieren Anetta Kahane und Co. ihn als Kronzeugen einer neuen Anklageschrift.
Lesen Sie das Programm der Tagung selber und Sie werden feststellen, was hier ganz offenbar geplant ist: Nach einem noch halbwegs abgewogenen Eingangspanel geht es in Panel II und Panel III offen zur Sache: Unter der Überschrift: „Erfahrungsberichte aus der Arbeit und dem Umgang mit Opferverbänden und Aufarbeitungsinitiativen“ wird es konkret: „Erfahrungsbericht aus dem Förderverein“, „Erfahrungen von Studierenden in der Gedenkstätte“ haben die Gedenkstätte Hohenschönhausen direkt im Visier. Außerdem referiert Markus Decker über „Rechte Tendenzen in der Berliner Aufarbeitungslandschaft“. Praktischerweise kann der Redakteur des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) die Rolle des Anklägers und Berichterstatters gleich in Personalunion spielen – das spart Zeit und erhöht die Effizienz. Zum Abschluss von Panel II wird die UOKG direkt ins Visier genommen: Über „Die Union der Opferverbände kommunistischer Gewaltherrschaft e.V. und ihre Geschichtspolitik“ spricht der schon erwähnte Martin Jander.
Im Panel III (“Rechte Einflüsse in der Praxis”) werden dann noch mal die Gedenkstätte Hohenschönhausen und zusätzlich das Hannah-Arendt-Institut der TU Dresden und das Menschenrechtszentrum Cottbus ins Visier genommen.
Für mich liest sich dies wie ein Tribunal, nicht wie eine Fachtagung.
Und welch bittere Ironie: Anetta Kahane ist jetzt eine der Einladenden dieser tribunalartigen „Tagung“ über genau die Menschen, die vom Ministerium für Staatssicherheit verfolgt wurden, dem sie als inoffizielle Mitarbeiterin jahrelang gedient hat. So etwas funktioniert nur in Deutschland.
In beiden „Panels“ wird nicht ansatzweise sichtbar, dass es für die schwer angegriffenen Institutionen irgendjemanden gibt, der eine Gegenposition vertreten darf. Dies scheint eine Art-Neo-Demokratie à la Kahane, Herzer und Bästlein zu sein. Wir hören lieber nur eine Seite, aber dafür 7 Mal! Dies wird auch nicht durch das Abschlusspanel mit Prof. Morsch und Dieter Dombrowski, dem momentanen Vorsitzenden der UOKG, verbessert. Im Gegenteil, durch die einseitige Vorprägung werden diese beiden vermutlich auf dem Podium kaum widersprechen können.
Seriöse Wissenschaft und Demokratie geht jedenfalls ganz anders.
Was muss passieren?
Natürlich darf diese „Fachtagung“ und ihre Referenten auf keinen Fall unbeobachtet stattfinden. Sonst werden die Berichte von Markus Decker als neue Beweise angeführt.
Nutzen Sie die Möglichkeit zur Anmeldung! Wir können gespannt sein, wie die Einlader mit einem größeren Publikumsinteresse umgehen. Es muss so viel wie möglich Zeugen dafür geben, was da konkret behauptet werden wird.
Aber vielleicht sollte das Ganze so lieber nicht stattfinden: In Panel II und III werden mehrere zentrale Institutionen der DDR-Diktaturaufarbeitung angegriffen, offenbar ohne dass jemand die Arbeit der jeweiligen Institutionen verteidigen oder eventuell auftretende Falschbehauptungen oder -interpretationen kontern kann. Das halte ich für hochproblematisch. Ob sich das Landesamt für politische Bildung bewusst ist, was hier mit seinen Fördergeldern geplant ist?
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie Interimschefin Marianne Birthler (Hohenschönhausen) und die Chefs des Hannah-Arendt-Instituts und des Menschenrechtszentrums Cottbus reagieren, wenn sie von dieser „Fachtagung“ erfahren.
Anmerkung: Inzwischen ist eine kleine, eher versteckte Mitteilung über die Tagung auf der Website der AAS zu finden, verbunden mit dem Hinweis, dass die Tagung ausgebucht sei.