Am Ende der Mozartwoche: Mozart lebt!

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Das betonte der neue Intendant der Mozartwoche Rolando Villazón in seinem Grußwort an die Gäste aus aller Welt, die nach Salzburg gekommen waren, um einen der größten deutschen Komponisten in seiner Geburtsstadt zu feiern.

Die Mozartwoche wolle sich deshalb „auf Mozart – und nur auf Mozart –­ konzentrieren. In den kommenden Jahren wollen wir die vielen Facetten Mozarts entdecken und sie in einem Fest für einen Menschenfreund ohnegleichen vereinen“.

Ist Villazón der Auftakt gelungen? Nur zum Teil. Neben der missglückten ideologiebefrachteten Inszenierung des „Thamos, deren Ausschnitte ausgerechnet für das Werbevideo auf der Website ausgewählt wurden, gab es solche Kinkerlitzchen wie ein Diner á la Mozart von Sternekoch Alfons Schuhbeck für Besserverdienende. Über Mozart für Akrobaten, Schattenspieler und Marionetten kann man geteilter Meinung sein. Eindeutig gelungen aber waren die Aufführungen selten gespielter Mozart-Werke.

Die erste Kostprobe bekamen wir am vergangenen Montag Vormittag im Mozarteum. Die Matinée mit dem Tenor Mauro Peter und dem Pianisten Helmut Deutsch stellte Mozart als Liedkomponisten vor. Mozart hat nur etwas über dreißig Lieder geschrieben, ein paar davon für seine Kinder. Das bekannteste ist zum Volkslied geworden: „Komm lieber Mai und mache die Bäume wieder grün“. Wenn ich je gewußt habe, dass die Melodie von Mozart stammt, hatte ich das gründlich vergessen. Um so größer war die Überraschung. Auch die Goetheverse vom Veilchen, das davon träumte von der jungen Schäferin gepflückt und an den Busen gedrückt zu werden, wurde von Mozart vertont, ohne dass er den wahren Schöpfer der Verse kannte. Mozart hatte das Gedicht in einer Anthologie namenloser Autoren entdeckt und für würdig befunden.

Zu manchen Liedern gibt es Geschichten. Ein Wiener Beamter gab ein Hauskonzert, zu dem Mozart ein Lied für die Dame des Hauses mitbringen wollte. Die Festgesellschaft war bereits versammelt, nur Mozart fehlte. Man sandte Diener aus, um den Meister zu suchen. Man fand ihn in einem Wirtshaus. Als man ihn bat, zum Hauskonzert mitzugehen, erinnerte sich Mozart an das versprochene Lied. Er ließ sich Notenpapier kommen und die Gesellschaft musste warten, bis er die Melodie aufgeschrieben hatte. Die Dame des Hauses trug es dann vor. Es soll sich um „Das Traumbild“ gehandelt haben. Diese Anekdote zeigt nicht nur, wie mühelos Mozart die Melodien zuflogen, sondern auch, wie gut Laien-Sängerinnen seiner Zeit waren.

Mauro Peter wurde schlagartig bekannt, als er im Jahr 2012 nicht nur den Schumann-Wettbewerb in Zwickau gewann, sondern im Herbst desselben Jahres für eine erkrankte Sängerin einsprang und dabei einen sensationellen Erfolg erzielte. Seitdem ist er nicht nur beliebter Gast bei der Schubertiade, sondern bekommt in angesehenen Opernhäusern begehrte Rollen.
Im Mozarteum füllte er am Montag Vormittag die Reihen und wurde von seinem begeisterten Publikum nicht ohne Zugaben entlassen.

Am Dienstag war es am gleichen Ort ein Trio und Quintett, das für stürmischen Applaus sorgte. Kaum zu glauben, dass das aufgeführte Divertimento Es -Dur KV 563 für Violine, Viola und Violoncello bislang ein musikalisches Schattendasein geführt hat. Dabei handelt es sich um die „ausgefeilteste, tiefsinnigste Kammermusik“, wie das Festspielalmanach anmerkte.

Streichtrios gelten allgemein als ein Quartett, dem der zweite Geiger abhanden gekommen ist. Man könnte ebensogut der Meinung sein, dass dieses Divertimento beweist, dass ein zweiter Violinist überflüssig ist. Janine Janzens Violinspiel ließ jedenfalls nichts vermissen.
Ein Divertimento ist eigentlich eine Unterhaltungsmusik. Don Giovanni ließ bei der Henkersmahlzeit vor seiner Höllenfahrt zu seiner Erbauung ein Violintrio spielen. Und was für eins: „Das vollendeste, feinste, das je in dieser Welt hörbar geworden ist“, so der Kritiker Alfred Einstein.
Wir können dieses Diktum nur bestätigen.

Ein Hörgenuss der Extraklasse war auch das Hagen-Quartett, das drei Streichquartette hintereinander bot. Mozart hat innerhalb von drei Jahren in angestrengter Arbeit sechs Streichquartette geschrieben, die von der Kritik als „Muster und die Schule der Komposition“ bezeichnet wurden. Wer die schwierigen Stücke hört, die nur sehr erfahrene Spieler bewältigen können, versteht sofort, warum sie sich nicht gut verkaufen ließen. Mozart urteilte selbst, sie seien „wegen der darin herrschenden Kunst nicht jedermanns Kauf“.

Das Hagen-Quartett, das schon seit Mitte der 70er Jahre zusammen spielt, beherrscht die hohe Kunst. Es zählt nicht umsonst zu den besten Mozart-Interpreten der Welt.
Das Publikum in Mozarteum war hingerissen und überzeugt, einen Höhepunkt der Mozartwoche miterlebt zu haben.

Villazón hat Recht, wenn er meint, die über 600 Werke Mozarts böten genügend Stoff für vier weitere Mozartwochen. Sein Debüt als Intendant ist zwiespältig, macht aber neugierig darauf, was in den kommenden Jahren geboten wird.



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