Am Dienstag morgen hatte ich beim Frühstück von einem „Experten“ im Radio noch erklärt bekommen, dass die Chancen von Volker Kauders Gegenkandidaten Brinkhaus sich verschlechtert hätten, weil die Kanzlerin sich für ihren Fehler im Falle Maaßen entschuldigt hätte.
Wenige Stunden später wurde der Herausforderer Vorsitzender der Unions-Bundestagfraktion. Noch deutlicher wird das Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die Kanzlerin vor der Wahl eindringlich an die Fraktion appelliert hatte, ihren Kandidaten zu unterstützen. „Sie alle tragen mich“, rief Merkel aus. Mehr als die Hälfte der Fraktion sieht das inzwischen anders.
Warum konnte die Wahl eines Fraktionsvorsitzenden zu so einer dramatischen Abstimmung über die Kanzlerin werden? Das hat sich Merkel selbst zuzuschreiben. Sie hat in ihrer Amtszeit die Gewaltenteilung, was Parlament und Regierung betrifft, ausgehebelt. Das Parlament kontrolliert nicht mehr die Regierung, sondern nickt die Vorlagen aus dem Kanzleramt ab. So wandelte sich die Unions-Bundestagsfraktion vom Kontrollorgan zur Machtbasis des Kanzleramtes. Und das Amt des Fraktionsvorsitzenden wurde zur Sicherstellung des Abstimmungsverhaltens deformiert und somit missbraucht.
Dem Politikwissenschaftler im Radio war noch klar, dass es in einer Demokratie anders sein müsste, deshalb sagt er, dass „anders, als es in den Büchern steht“, sei die Fraktion die Grundlage für die Macht der Kanzlerin. Die Politiker scheinen vollkommen vergessen zu haben, wie die Architektur einer Demokratie auszusehen hat. Anders lässt sich nicht erklären, dass die FDP und die Linke fordern, dass die Kanzlerin sich nach der Niederlage Kauders im Parlament einer Vertrauensabstimmung zu stellen hätte.
Erst wenn Merkel weg ist, wird der Blick auf das Ausmaß der Zerstörung demokratischer Strukturen frei werden. Es wird einen Wiederaufbau von demokratischen Strukturen und Rechtsstaat geben müssen. Vor allem muss es endlich eine Amtszeitbegrenzung für Kanzler geben. Mehr als zwei Amtsperioden sind schädlich für das Land. Wichtig wäre auch eine Mandatsbegrenzung auf höchstens drei Legislaturperioden. Spätestens nach 12 Jahren haben die Abgeordneten jede Bodenhaftung verloren. Deshalb sind viele politische Entscheidungen so lebensfremd.
Es gibt noch viel zu tun, aber: Wir schaffen das!