Carmen auf dem Schrottplatz

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Für die Jubiläumsaufführung anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Domstufen-Festspiele hat das Theater Erfurt die Oper „Carmen“ von Georges Bizet ausgewählt. Als diese Entscheidung fiel, konnte niemand ahnen, dass uns dafür ein spanischer Sommer beschert werden würde.

Schon im Vorfeld, als Autoschrott auf den Domstufen für das Bühnenbild aufgehäuft wurde, gab es heftige Diskussionen. Dabei war die Idee gar nicht so abwegig, die Zigeuner sind das fahrende Volk. Früher waren es Pferde, heute sind eben Autos das Transportmittel.

Aber natürlich reichte diese Assoziation nicht. Der Schrottplatz sollte laut Programmheft vor allem symbolisieren, dass Zigeuner bis heute am Rand der Gesellschaft leben. Richtig. Fraglich, ob daran allein die Gesellschaft schuld ist, wie uns politisch-korrekt versichert wird, oder ob diese Existenz nicht doch frei gewählt ist, auch wenn wir uns das nicht vorstellen können.

Immerhin hatten sich die sozialistischen Länder, in der Annahme, früheres Unrecht wieder gut zu machen, nicht nur sehr darum bemüht, ihreZigeuner in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Sie haben, als das nicht klappen wollte, sogar Zwangsbeglückungsmaßnahmen exekutiert, ohne viel Erfolg zu haben. Rotwelsch ist übrigens bis heute eine Sprache, die niemand außer den Zigeunern versteht. Ich benutze das Wort Zigeuner bewusst, weil Sinti und Roma nur zwei von über hundert Zigeunerfamilien sind.

Der Premierenabend wurde vom Generalintendanten und Regisseur Guy Montavon sehr originell eröffnet. Er fuhr in einem Diesel-Mercedes-Modell vor, wie es dereinst auch Konrad Adenauer benutzt hat. Er begrüßte den Schirmherren, Ministerpräsident Bodo Ramelow, der ein paar nicht näher benannte Kabinettsmitglieder mitgebracht hatte, aber nicht seine Umweltministerin, wohl um ihr Peinlichkeiten zu ersparen. Autos spielten eine dominierende Rolle in der Inszenierung. Wie hätte sie das kommentieren sollen?

Übrigens saßen, wenn ich das richtig gesehen habe, mehr Mitglieder des ehemaligen Kabinetts Vogel im Publikum, darunter eine Kurzzeit-Ministerpräsidentin, die aber nicht begrüßt wurden. So schnell vergeht der Ruhm in der Politik.

Am Beginn des Stückes war der Schrottberg von einer Reminiszenz an den Berliner Mauerdurchbruch verdeckt. „Freiheit ist unwiderstehlich“ oder so ähnlich stand auf einem der mit Leinwand bedeckten Zaunteile. Während des Vorspiels durften die Statisten fröhlich die Polizei verprügeln. Das hat der Haut-die Bullen-platt-wie-Stullen-Fraktion sicher gefallen, wirkte aber gerade deshalb ewiggestrig.

Danach wurde es besser. Der Beginn des ersten Aktes, der Streit der Zigarettenarbeiterinnen, spielte sich noch hinter dem Zaun ab. Erst als Carmen von Don José befreit worden war, fielen einige der schweren Zaunelemente krachend auf die Domstufen. Wer wohl anschließend die Reparaturen bezahlt?

Der Schrottplatz erinnerte dann doch sehr an ein Zigeunerlager. Die Kostüme der weiblichen Darsteller, von Carmen bis zur letzten Statistin, wirkten wie Versatzstücke aus der Grabbelkiste von Kik. Um so bewundernswerter, wie es Katja Bildt durch souveränes Auftreten gelang, eine begehrenswerte Schönheit darzustellen. Raffiniert die Szene, in der Carmen für Don José (Klasse: Won Whi Choi), singt und tanzt. Sie zieht sich dafür in den Wohnwagen zurück und es bleibt der Phantasie der Zuschauer überlassen, was Don José zu sehen bekam. Bildts Stimme ist jedenfalls hinreißend.

Nach der Pause wurde der Schrottberg zum wild-romantischen Rückzugsort. Mit Feuerschalen beleuchtet ähnelte er in der Dunkelheit den Bergen, in denen sich die Schmuggler bewegten. Auftritt Michaela, die im Auftrag seiner Mutter Don José sucht. Margrethe Fredheim wurde für ihre Leistung regelrecht gefeiert. Sehr gut auch der Part der Kartenlegerinnen Frasquita (Julia Neumann) und Mercédès (Annie Kruger), deren Karten Carmen den Tod voraussagen.

Der Schlussakt geriet zu Beginn leider kitschig und vulgär. Um die Stierkampf-Szene zu illustrieren, wurden Feuerwerkskörper gezündet und Scheinwerfer geschwenkt. Carmen und Escamillo erschienen in einem riesigen aggressiven Geländewagen, der auch noch ein paar Stufen hochfuhr, ehe er zum Stehen kam. Das wurde von einem anderen Geländewagen wiederholt. Der Rest der Autos hielt glücklicherweise vor den Stufen. Die Nummer wirkte, als wäre sie von den geldgebenden Autohäusern bestellt, die auf diese Weise ihre Modelle präsentieren konnten.

Zum Glück kehrte die Raffinesse zurück. Während des dramatischen Finales zwischen Don José und Carmen, das sich mit großer Intensität vor den geparkten Autos abspielte, gab es oben in der Arena den Kampf zwischen Ecamillo und dem Stier als Pantomime.

Insgesamt eine Aufführung, die man sich gut ansehen kann. Georges Bizets Musik ist sowieso unzerstörbar und wirkt vor der grandiosen Domkulisse noch stärker. Die Sänger, der Chor, das Orchester gaben alles. Das Publikum war begeistert.

Beim Rausgehen sah ich, dass viele Zaungäste die Aufführung auf der Wiese vor dem Festspielgelände verfolgt hatten, darunter etliche junge. Ein weiterer Beweis, dass die Jubiläumsaufführung geglückt ist.

 

 



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