Von Gastautorin Annette Heinisch
Wir leben in wirklich lustigen Zeiten. Die Politiker lassen massenweise illegale Einreisen in unser Land zu und Otto Normalbürger darf sich abrackern, um die Steuergelder zwecks Alimentierung dieser aufgedrängten „Bereicherungen“ zu erwirtschaften. Fliegt er aber mit seinen Kindern darob erschöpft einen Tag vor Beginn der Schulferien in den Urlaub, ist die Polizei zur Stelle um die „illegale Ausreise“ zu kontrollieren. Kein Wunder, dass sie dann an der Grenze fehlt.
Oder es erfolgt ein hysterischer Aufschrei, weil angeblich der gesamte Rechtsstaat ins Wanken gerät, wenn eine durchgeführte Abschiebung nicht umgehend nach Vorliegen einer nicht rechtskräftigen Einzelfallentscheidung rückgängig gemacht wird. Dass aber ca. jede zehnte Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) mit einem Nichtanwendungserlass versehen wird, d. h. die Finanzverwaltung angewiesen wird, die Grundsätze des entsprechenden Urteils nicht auf vergleichbare Fälle analog zum Wohle des Bürgers und im Sinne der Rechtsstaatlichkeit anzuwenden, ist egal. Oder dass sich ein Bundesverfassungsgericht mittlerweile von seiner Aufgabe als Kontrollinstanz der Regierung verabschiedet hat – völlig egal.
Lustig ist auch, dass man langsam zu der Erkenntnis gelangt, dass es in Afrika womöglich ein Problem gibt mit schlechten Regierungen, fehlender Rechtssicherheit und Korruption und dass man diese Probleme nicht löst, sondern im Gegenteil verstärkt, wenn man diese fehlerhaften Systeme am Leben erhält, weil man ständig Geld hinein pumpt. Diese Erkenntnis ist eigentlich nicht neu, ebenso wenig wie folgende:
„Zu den äußerst positiven Folgen der Entwicklungshilfe gehören eine bessere medizinische Versorgung und eine Senkung der Kindersterblichkeit. Allerdings wächst dadurch 15 bis 20 Jahre später die Arbeitslosigkeit – wodurch wiederum der Auswanderungsdruck wächst.“
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus176432712/Migration-Was-macht-eine-erfolgreiche-Entwicklungshilfe-aus.html
Diese Aussage, die Teil eines leider hinter der Bezahlschranke verborgenen, sehr interessanten Artikels von Ansgar Graw ist, weist auf einen Zusammenhang hin, der seit Jahrzehnten bekannt ist.
1989, also vor fast 30 Jahren, erschien Dietrich Dörners „Logik des Misslingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen“. Es ist ein Buch, das ich nur jedem wärmstens empfehlen kann, der erfahren möchte, warum alles dermaßen schief geht. Die Antwort ist relativ einfach, man kann sie zusammengefasst dem Buchdeckel entnehmen:
„In komplexen, vernetzten und dynamischen Handlungssituationen macht unser Gehirn Fehler: Wir beschäftigen uns mit den ärgerlichen Knoten und sehen nicht das Netz. Wir berücksichtigen nicht, dass man in einem System nicht eine Größe allein modifizieren kann, ohne damit gleichzeitig alle anderen zu beeinflussen.“
Das Buch ist sehr amüsant zu lesen, es hat so schöne Kapitel wie „23 ist eine gute Zahl“, in welchem die menschliche Eigenart geschildert wird, völlig abstruse Zusammenhänge herzustellen, oder aber auch eines meiner Lieblingskapitel „Aus Fehlern lernen? Das muss nicht sein!“.
Eines der von Dörner geschilderten Experimente war die Tanaland – Simulation. Tanaland war ein erfundenes Land, welches der Sahel – Zone nachempfunden war. Zwölf Probanden sollten versuchen, die Lebensumstände dort zu verbessern, wobei sie zur Vereinfachung mit allen Handlungsvollmachten ausgestattet waren, quasi diktatorisch regieren konnten. Keiner fühlte sich davon überfordert, alle gingen frohgemut ans Werk. Das Ergebnis lässt sich der Kapitelüberschrift entnehmen: „Das beklagenswerte Schicksal von Tanaland“. Einer der zwölf Probanden schaffte es, eine konstante Verbesserung der Lebensverhältnisse zu erreichen, alle anderen versagten nicht nur, sondern verursachten eine schreckliche Katastrophe. Anfangs gingen die Parameter steil nach oben, anders übrigens, als bei dem erfolgreichen Probanden, bei dem die Entwicklung gemächlicher verlief. Dann allerdings platzte die Blase und das Ergebnis war verheerend.
„Das ist im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass das Nahrungsangebot verbessert und eine gute medizinische Versorgung etabliert wurde. Dadurch stieg die Zahl der Kinder, die der Todesfälle sank. Die Lebenserwartung wurde insgesamt erhöht. Nach den ersten drei Sitzungen glaubten die meisten, sie hätten das Problem gelöst. Das Gefühl, durch ihre Maßnahmen nur eine Zeitbombe geschärft zu haben, kam ihnen nicht. Durch die in späteren Jahren fast notwendigerweise ausbrechenden Hungersnöte wurden sie vollkommen überrascht….Die Lage entwickelte sich notwendigerweise katastrophal, weil einer linearen und asymptotisch einschwenkenden Steigerung des Nahrungsangebotes eine exponentielle Steigerung der Bevölkerungszahl gegenüber stand.“ (S. 24, 25).
Wie steht es in dem aktuellen Artikel nochmal so hübsch? „Zu den äußerst positiven Folgen der Entwicklungshilfe gehören eine bessere medizinische Versorgung und eine Senkung der Kindersterblichkeit.“ Ja genau, sehr positiv – und entweder verhungern alle oder sie wandern aus. Das kann man sich eigentlich an zwei Fingern abzählen.
Bei den meisten Versuchspersonen kam es dann aufgrund der dynamischen Entwicklung zu einer nicht mehr auffangbaren geschweige denn umkehrbaren Katastrophe. Bemerkenswert war, dass die Protokollnotizen der einzelnen Sitzungen belegten, dass die Probanden aufgrund ihres anfänglich beeindruckenden Erfolges meinten, über die richtige Methode zu verfügen. Kritisches Hinterfragen oder weitere Informationssammlung blieben aus. Auch das kann man bei uns aktuell erleben, kritische Reflexionen sind in der derzeitigen Debatte äußerst unbeliebt. Merkel folgen ist die richtige Methode, dabei bleibt es!
Dörner stellte aus Quintessenz dieses Versuches folgende fehlerhafte Verhaltensmuster fest (S. 32):
• Handeln ohne vorherige Situationsanalyse,
• Nichtberücksichtigung von Fern- und Nebenwirkungen,
• Nichtberücksichtigung der Ablaufgestalt von Prozessen,
• Methodismus: Man glaubt, über die richtige Maßnahmen zu verfügen, weil sich keine negativen Effekte zeigen,
• Flucht in die Projektmacherei,
• Entwicklung von zynischen Reaktionen.
Da er schon damals so viel Ähnlichkeit mit der „real existierenden Realität“ sah, erschien ihm die Erforschung der Bedingungen solcher Reaktionen sehr bedeutsam. Diese weitere Forschung führte zu vielen, sehr aufschlussreichen Ergebnissen, auch im Bereich „Gruppendenken“. Dies ist ein Faktor, der im Gedankengebäude westlicher Demokratien keinerlei Rolle spielt, obgleich offensichtlich in seinen Folgen außerordentlich negativ. Überhaupt basiert unser gesamtes politisches System auf der Hypothese, dass wir alle Politik können. Diese Hypothese wurde u. a. Durch diese Forschung widerlegt, auch an anderen Beispielen/Versuchen zeigte sich, dass zwar einige wenige in der Lage sind, in diesen speziellen Situationen, wie sie für Politik typisch sind, vernünftig zu agieren, die Mehrheit kann es jedoch nicht. Sie mag es lernen können, aber in die Wiege gelegt wird es den meisten nicht.
Was mich seit vielen Jahren fasziniert, ist die Tatsache, dass diese und die darauf basierenden weiteren Forschungsergebnisse, obgleich nicht nur einem interessierten Fachpublikum bekannt, niemals Eingang in die Politik gefunden haben. In anderen Bereichen werden sie genutzt, aber dort, wo sie am dringendsten der Umsetzung harren, werden sie totgeschwiegen.
Das ist fatal. Wir alle wissen, was die Evolution bedeutet. Sie funktioniert einfach gesagt nach dem Prinzip des „survival of the fittest“. Wir mögen in der Einbildung verhaftet sein, wir seien quasi Gott, für uns sei nichts unmöglich, daher könnten wir diese Regel außer Kraft setzen, indem wir unseren Fokus auf die Schwachen richten. Dabei vergessen wir, dass Schwachen nur durch Starke geholfen werden kann. Wenn wir überleben wollen, müssen wir die Fittesten sein, d. h. auch und vor allen Dingen uns möglichst schnell optimal an veränderte Umstände und Erkenntnisse anpassen. Wenn man merkt, dass ein System auf falschen Annahmen beruht, dann muss man es ändern, je früher desto besser.
Aber wir machen weiter wie bisher. Wir meinen, das perfekte System gefunden zu haben, die unfehlbar beste aller Methoden. Dabei leiden nahezu alle entwickelten westlichen Demokratien an einer Spaltung der Gesellschaft, was dazu führt, dass erhebliche Teile der Bevölkerung durch den anderen Teil unterdrückt werden. Das ist kein System, das auf Dauer Bestand haben kann. Zudem sind die westlichen Demokratien alle überschuldet, haben dysfunktionale Sozialsysteme und eine überalternde Bevölkerung, wobei die nachwachsende Generation weder durch Leistungsfähigkeit noch durch Leistungsbereitschaft glänzt. Angesichts der vielen Probleme, die auf uns zukommen, ist es objektiv unmöglich, mit diesem viel zu trägen Helikopter – Staat die Zukunft zu meistern.
Die interessanten Fragen sind: Kommt es zu einem Umdenken und falls ja – was ich derzeit für unwahrscheinlich halte – ist es nicht schon längst zu spät? Und noch eine andere Frage drängt sich auf: Würde ein Umdenken zu einer Verbesserung führen oder wäre es ein Fall von „Aus Fehlern lernen? Das muss nicht sein!“