von Philipp Lengsfeld
Eigentlich ist die Sache ganz einfach. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat das schlechteste Ergebnis bei einer WM seit ihrem Bestehen zu beklagen. Als ‚Die Mannschaft‘ und amtierender Weltmeister scheiden sie mit zwei Niederlagen, als Gruppenletzter gegen Schweden, Mexiko und Südkorea aus. Hauptverantwortung für diesen blamablen Auftritt, der deutsche Kapitän Manuel Neuer nannte ihn gar ‚erbärmlich‘, trägt unbestritten der Bundestrainer Joachim ‚Jogi‘ Löw.
Er war verantwortlich für Strategie und Taktik, er hat mit seinen Nominierungen eine konsequente Erneuerung verhindert. Und mit der Demontage von Sandro Wagner hat er ein leistungs- und selbstbewusstseinsfeindliches Signal gesetzt. Im krassen Gegensatz dazu stand der lasche Umgang mit dem schweren Fehlverhalten von Özil und Gündogan, welches sich zu einer veritablen Belastung für das ganze Team ausgewachsen hat. Ergebnis waren drei schlimme Spiele, von denen nur die letzten Minuten des zweiten Spiels kurzzeitig darüber hinwegtäuschten, dass die deutsche Nationalmannschaft auf ganzer Linie versagt hat. Gekrönt wurden die Fehlleistungen in der Vorbereitung und im Turnier mit einem völlig abgehobenen Branding, einem peinlichen Trikot, einem noch peinlicheren Marketing-Hashtag (#zsmmn) und allerhand anderem mit Gedöns noch freundlich umschriebenen Blödsinn. Dass das im Moskauer Sicherheitsorganeviertel ausgewählte Basislager offenbar auch ein echter Fehlgriff war, kommt als kleines Sahnehäubchen dazu. In all diesen Punkten ist der Trainer die ultimative letzte Instanz.
Als dies wäre keiner großen Rede wert, wenn der Bundestrainer schon zurückgetreten wäre – ich hatte fest damit gerechnet, aber Jogi Löw klebt offenbar an seinem Stuhl. Und es gibt immer noch genug Leute im Land, die dies selbstverständlich finden. Ja, seine Verdienste sind unbestritten, aber in einer Leistungsgesellschaft muss doch eine 12jährige Zeit im Job dazu führen, dass man kritischer auf eine Situation blickt. Stattdessen werden von vielen Durchhalteparolen ausgegeben: Alt-Nationaltorhüterin Nadine Angerer schreibt, dass eine Rücktritt der ‚Feiglings-Weg‘ wäre, denn Jogi Löw bestimmt nicht gehen wird. Was für eine Verkehrung der Umstände: Mutig wäre es, selbst den schweren Schritt des harten Schnitts zu gehen. Das erfordert Mut. Weiterwursteln und damit die Verantwortung für die Konsequenzen an andere verschieben, dass erfordert deutlich weniger Mut. Vor allem, da Reinhard Grindel, der DFB-Präsident, offenbar nicht den Mut hat, selber eine Entscheidung zu fällen und stattdessen verkündet, dass nur der Bundestrainer über seine Zukunft entscheiden kann. Das ist natürlich Unfug. Selbst die völlig ungerechtfertigte, konditionslose Verlängerung des Vertrags von Jogi Löw würde und wird den DFB nicht hindern am Ende Löw zu entlassen. Es wird nur deutlich schmerzhafter für alle Seiten, wenn man damit noch bis zu den nächsten Niederlagen, in der Quali oder der EM 2020 wartet.
Es ist eigentlich ganz einfach: Eine Bilanz der aktuellen Leistungen ist keine rückwirkende Aburteilung verfangender Erfolge. Wenn jemand schon sehr lange auf einer Position sitzt, muss es nach Niederlagen sehr gute Gründe geben, an der Person festzuhalten. Und ein echter Neuanfang ist nicht mit alten Kräften möglich. Es ist für mich offensichtlich und ich bin mir sicher, dass auch das DFB-Präsidium dieser Realität bald ins Auge sehen müssen wird: Jogi Löws Zeit ist vorbei. Das ändert nichts an seinen Verdiensten.
Jogi Löw soll, muss gehen. Hoffentlich sieht er es noch selber.