Bei den jüngsten Marx-Festspielen, die von einem verzückten Publikum anlässlich des 200. Geburtstags des Vordenkers aller kommunistischen Diktatoren, die es insgesamt auf 100 Million Tote gebracht haben, wurde immer wieder argumentiert, der Mann sei reiner Theoretiker gewesen und hätte mit den blutigen Konsequenzen seiner Ideologie nichts zu tun. Ein Argument, das man bei Vordenkern der Nationalsozialisten völlig zu Recht keineswegs gelten lassen würde.
In Steglitz-Zehlendorf ist man schon eine Schritt weiter. Hier wird in einer vom Bezirksamt herausgegebenen Broschüre die für ihre harten Urteile berüchtigte „Rote Hilde“ als „starke Frau“ geehrt. Nun ja, um Todesurteile zu fällen, muss man vermutlich starke Nerven haben. Oder auch nicht, wenn man nur stark im Glauben an die Richtigkeit des Marxismus-Leninismus ist, in dessen Namen der „Arbeiter- und Bauernstaat“ errichtet wurde. Vielen westdeutschen Linken galt die DDR immer als der bessere deutsche Staat, weil sie ihn nicht selbst aushalten mussten, sondern, falls sie einmal ihren Fuß ins sozialistische Paradies setzten, es spätestens um 24:00 Uhr erleichtert wieder verlassen konnten.
Von Hilde Benjamin, um die es hier geht, ist das Beste, was man sagen kann, dass sie die Schwägerin von Walter Benjamin war. Wir können sicher sein, dass Walter Benjamin nicht glücklich darüber gewesen wäre, hätte er die „Volksrichterin“ noch erlebt. Hilde Benjamin hatte von 1949 bis 1953 in zahlreichen Verfahren den Vorsitz inne.
Zu diesen Verfahren gehören auch 13 Prozesse, die sie gegen Oppositionelle des SED-Regimes führte. Insgesamt verhängte Benjamin Zuchthausstrafen von 550 Jahren, schickte 15 Menschen lebenslänglich hinter Gitter und verhängte im Dresdner Schauprozess gegen Johann Buraniek und Wolfgang Kaiser zwei Todesurteile, die 1952 vollstreckt wurden. Die beiden Hingerichteten wurden erst 2005 rehabilitiert. Sie bekamen kein ordentliches Grab, während Benjamin, die erst im April 1989 starb, noch mit einem Staatsakt unter Teilnahme der Politbüromitglieder Egon Krenz, Erich Mielke und Alfred Neumann mit militärischen Ehren auf der Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde beigesetzt wurde.
Weshalb das Bezirksamt glaubt, auf die „Rote Guillotine“, wie Benjamin auch genannt wurde, stolz sein zu müssen, bleibt ein Rätsel. Möglicherweise wurde Benjamin von der Linken auf die Liste gesetzt und man hat nicht genau hingesehen, wer da eigentlich geehrt wurde. Wenn das so gewesen sein sollte, zeugt das von einer beschämenden Geschichtsvergessenheit.
Die Skandal-Broschüre sollte umgehend zurückgezogen werden.