Von Gastautor A.M.
Im Februar bat der „Liberal-Islamische Bund“ zur Podiumsdiskussion im Berliner Stadtschloss Moabit, das Thema: „Islamische Werte – Auch in Deutschland?“. Teilnehmer waren eine Soziologin der Bertelsmann-Stiftung, der Jurist und Islamwissenschaftler Mathias Rohe, ein Theologe und Erziehungswissenschaftler, dazu vom LIB ein weiterer Jurist und eine Islamwissenschaftlerin als Moderatorin.
Der Veranstaltung vorangestellt war das Diktum des Staatsrechtlers Böckenförde, demzufolge der freiheitliche, säkulare Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren könne. Durchaus bemerkenswert, denn dies sei „vor allem die in ihm gelebte Kultur“, hier in Deutschland Christentum, Aufklärung und Humanismus, aber „nicht automatisch bei jeder Religion“, so Böckenförde 2010 in der Frankfurter Rundschau. Er hatte sich aus diesem und anderen Gründen schon 2004 in der FAZ gegen den EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen. In der Einladung zur Veranstaltung blieb der Name Böckenförde allerdings unerwähnt.
„Liberal-islamisch“ war zu hören, dass es gerade im Islam „öko“ und „nachhaltig“ zuginge, man bedenke doch in diesem Zusammenhang die Klimakatastrophe (!), es seien zukünftig dank islamischen Einflusses weniger Alkoholtote zu erwarten, ein Grundübel der westlichen Gesellschaften, mehr „Anti-Materialismus”, „alternative Lebensphilosophie”, sowie mit „Islamic Banking“ endlich eine „ethische Stimme“, keine Finanzkrisen und auch keine Banken mehr, die „die Kriege“ finanzierten – dazu Barmherzigkeit, Güte, Sanftmut, Respekt und Liebe.
Überdies äußerte sich Mathias Rohe, langjähriges Mitglied der Deutschen Islam-Konferenz, zur ihm zufolge vorhandenen Interpretationskompetenz der Scharia, die sei nämlich ganz „ergebnisoffen“. Das wäre zu begrüßen, wenn es auch überrascht.
(…) Die Islamkrikerin Necla Kelek warf Rohe vor, er wolle islamische Rechtsauffassungen über die Hintertür des Methodenstreits in deutsches Recht implantieren. Zudem habe er als Mitglied der entsprechenden Arbeitsgruppe der ersten Islamkonferenz mit dafür gesorgt, dass – gegen den Widerstand der „säkularen Muslime“ – empfohlen wurde, das Kopftuch bei Kindern „als religiöse Vorschrift“ zu akzeptieren und an Schulen zu dulden. Keleks Vorwürfe hat Rohe in seiner Antwort deutlich zurückgewiesen und seinerseits kritisiert, dass Kelek die Grundlagen der deutschen Rechtsordnung außer Acht ließe. (…)
Rohe zufolge gäbe es „doch so viele gute Medienleute,“ die bereit seien, „solche Botschaften aufzunehmen!“ – so könne das gesellschaftliche Engagement der Muslime besser sichtbar gemacht werden, er sei auch im Hinblick auf seine Teilnahme bei der nächsten Islam-Konferenz voller Zuversicht, dort auf diese positiven Aspekte nachdrücklich hinweisen zu können.
“Noch immer nicht positive Studienergebnisse”
Frau El-Menouar von der Bertelsmann-Stiftung ging auf die noch nicht immer zuverlässig Positives aussendenden Studienergebnisse ein, Muslime seien z.B. beim gesellschaftlichen Engagement deutlich unterrepräsentiert. Dies aber rühre sicher von einem Missverständnis, denn die Muslime gäben ja den Zakat. Schariatisch dient diese soziale Abgabe von Moslems allerdings ausschließlich Moslems, darauf hätte man eingehen können. Laut El-Menouar aber sei dies auch eine Form von gesellschaftlichem Engagement, da sollten Muslime ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen, da müsse man noch einmal eine neue Studie planen, um das Bild zurechtzurücken.
Auch die Studienergebnisse zum Demokratieverständnis seien vielleicht erklärbar durch ein Missverständnis; denn eventuell verstünden Muslime unter „Demokratie“ etwas anderes, es gäbe es ja auch hier viele mögliche „Verständnisse“ (sic!). Man werde also die Studie noch einmal neu durchführen, mit neu formulierten Fragen. Erfrischend, diese Herangehensweise, aber man wähnte sich ja auch unter sich.
“Islamische Werte” – Nachfragen eher nicht erwünscht
Als die Autorin dieser Zeilen sich im Anschluss, wie es ihr aus Notwendigkeit langsam zur Gewohnheit wird, sich die Freiheit nahm, im Anschluss kritische Bemerkungen ins Mikrophon zu sprechen, wurde das nur mit Murren hingenommen. Unmut zogen die Anmerkungen zum Thema “Islamische Werte” auf sich:
Wie man denn so vollmundig von der Barmherzigkeit des Islams reden könne, dabei aber mit erstaunlicher Beherztheit beiseite lasse, dass es sich um Minderheitenpositionen der bestehenden fünf islamischen Rechtsschulen handele, deren Verfechter, Mouhanad Khorchide zum Beispiel, hierzulande drastischen Angriffen ausgesetzt sind?
(…) Ende 2013 protestierten muslimische Verbände (darunter der Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion und der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland) gegen Khorchide, dessen historisch-kritische Methode und Thesen zur Barmherzigkeit sie ablehnen. Ihrer Ansicht nach genügten Khorchides theologische Positionen weder wissenschaftlichen Ansprüchen, noch gingen sie mit seiner Selbstverpflichtung zu einer bekenntnisgebundenen Islamtheologie konform. Dadurch sei das Vertrauen der organisierten Muslime in seine Arbeit beschädigt. (…) Weil Khorchide Morddrohungen erhielt, stand er unter Polizeischutz.
Wieso man nicht den Kontakt mit beispielsweise Seyran Ateş suchen würde? Was denn an ihrer Unternehmung so „provokativ“ sei, dass man sich mit ihr und ähnlichen Initiativen noch nicht einmal zusammensetzen könne?
Dazu gab es leider keine Antworten – für die Frage, warum man denn den Zakat, der ausschließlich der eigenen Gemeinschaft zugedacht sei, als „gesellschaftliches Engagement“ dargestellt habe, war zudem keine Zeit mehr.
(…) Die Zakāt (arabisch زكاة, DMG Zakāh ‚Reinheit, Lauterkeit, Zuwachs‘) ist die für Muslime verpflichtende Abgabe eines bestimmten Anteils ihres Besitzes an Bedürftige und andere festgelegte Personengruppen. Sie bildet eine der fünf Säulen des Islams.
Neben dem Begriff Zakāt wird manchmal auch der Ausdruck Sadaqa (ṣadaqa) verwendet, der aber hauptsächlich eine freiwillige Gabe bezeichnet, im Unterschied zur obligatorischen Zakāt. Laut muslimischen Kommentatoren muss die gesetzliche Abgabe zugunsten der Muslime verwendet werden, während ein freiwilliges Almosen auch an Nichtmuslime gegeben werden kann. (…)
Immerhin, ein Herr aus dem Publikum, ein Soziologe, wagte es hinterher dann doch, auf die ansonsten gemiedene Berichterstatterin zuzukommen. Auch er hatte begonnen, leise zu zweifeln, er pflichtete bei und schilderte sehr anschaulich, wie effektiv die Ausschlussmechanismen funktionieren. Er müsse sich im Freundes- und Kollegenkreis Vorwürfen wie „Das ist AfD-Vokabular“ stellen. Er wolle aber gerne „alle Seiten verstehen“ und …dann aber auch an seinem Denken arbeiten, vielleicht sei jenes doch “zu rechts”.
Zitate:
https://de.wikipedia.org/wiki/Mathias_Rohe
https://de.wikipedia.org/wiki/Mouhanad_Khorchide
https://de.wikipedia.org/wiki/Zak%C4%81t