Ein abwegiger historischer Vergleich
Von Gastautor Josef Hueber
Selbsthass ist masochistische Lust an der Negation und Destruktion der eigenen Identität. Diese psychische Entgleisung betrifft nicht nur Individuen, sie kann auch als nationale Epidemie auftreten. Beispiel Deutschland, wo “ Scheißstaat” und “ Schweinesystem“ zu frei schwebenden Polit-Slogans wurden. Kein Entsetzen seitens unserer Volksvertreter, keine mediale Empörung dazu. Wie anders als pathologisch soll man das diagnostizieren, wenn dies in einem Land passiert, wo die Bio-Bürger, und jetzt schon und bald noch mehr auch die Welcome-Zuwanderer, das Recht auf eine überragende, gemeinschaftlich finanzierte Fürsorge haben, wo sie die Herrschaft des auf gleicher Würde aller Menschen bezogenen Rechts genießen und ein Leben in Freiheit führen können? Und das alles, wie es in kaum einem anderen Land weltweit gewährleistet ist?
Ist diese „aberratio mentalis“, die geistige Verwirrung, eine deutsche Eigenheit, gewachsen in der Phase der perpetuierten ideologischen Anklage der 68-er an ihre Nazi-Erzeuger? Oder gibt es derart fehlgeleitetes Denken nur hier?
Bret Stephens, von 2002 bis 2004 Chefredakteur der Jerusalem Post, einer konservativen, israelischen Qualitätszeitung, schreibt in der New York Times einen Op-Ed Kommentar, der den Eindruck erweckt, antisemitisches Denken auf die Schippe zu nehmen. „ A Modest Immigration Proposal: Ban Jews“ ( Ein bescheidener Vorschlag zum Thema Einwanderung: Judenstopp).
In Wahrheit jedoch zieht der nicht ironisch gemeinte Vorschlag eine Analogie zu einem historischen Ereignis, das in der politisch links-entglittenen Denke des Zuspruchs gewiss sein kann: Juden und Muslime teilen, zeitversetzt, ein gemeinsames Schicksal! Man fragt sich als Leser: Hat der Autor den Sinn für Vergleiche verloren, oder hat er aus der Geschichte nur die falschen Schlüsse gezogen? (http://nyti.ms/2rmCCnm)
Der Leser kommt nicht umhin, sich bei der Lektüre die Augen zu reiben.
Stephens, selbst jüdischer, renommierter Journalist, beginnt seinen Artikel damit, aus seiner Familiengeschichte zu erzählen. Der Onkel seines Vaters konnte keiner Fliege etwas zuleide tun, doch identifizierte er sich mit einer mörderischen Ideologie des 20.Jahrhunderts, die für den Tod von Abermillionen verantwortlich war. Jeder amerikanische Jude, so Stephens, habe wohl so einen Onkel in seinem Stammbaum. In den 1930er und 1940er Jahren waren viele Menschen „irregeleitete Idealisten“ („misguided idealists“), die ansonsten ein ruhiges und anständiges Leben führten. Eine Handvoll anderer Juden (J.Rosenberg, D. Greenglass, H. Gold und M.Sobell), Atomspione, verrieten militärische Top-Secrets an Stalin und schädigten damit in unermesslichem Ausmaß ihr Land und die ganze Welt.
Jetzt beginnt Stephens, wie er selbst sagt, ein gedankliches Experiment. Er fragt: „ Wäre es für die Vereinigten Staaten von Vorteil gewesen, im ausgehenden 19. Jahrhundert die Einwanderung von Juden zu unterbinden, so dass die Eltern von Rosenberg und Sobell niemals das Land betreten hätten?“
Die Frage, so Stephens, ist von Bedeutung, weil man damals so viele der gegenwärtig vorgebrachten Argumente gegen afrikanische, lateinamerikanische und muslimische Einwanderer vor einem Jahrhundert gegen Juden hätte vorbringen können. Was wäre bei einem Einreisestopp für Juden an Unternehmungsgeist, Genialität, visionärer Zukunftsorientierung und Philanthropie in Amerika verloren gegangen! Und wie hätte dies das amerikanische Gewissen wegen der damit verbundenen menschlichen Tragödien belastet!
Der Höhepunkt von Stephens’ Argumentation in meiner Übersetzung:
„Heute werden amerikanische Juden als eine mustergültige Minorität betrachtet, die so tiefwurzelnd assimiliert ist, dass jüdisches Potential unsere religiöse und kulturelle Einmaligkeit schützt.“
Die Parallelisierung jüdischer Einwanderung in die USA im ausgehenden 19. Jahrhundert mit der gegenwärtigen Masseneinwanderung von Muslimen in die Westliche Welt ist erschreckend abwegig. Unternehmungsgeist, Genialität und Philanthropie durch muslimische Einwanderung?
Dass dies von jüdischer Seite aus gedacht wird, ist ein Beispiel freiwilliger Selbstdegradierung.
Und es ist keine Vision, sondern eine Halluzination.