Von Gastautor Frank Jordan
Das auf den Büchern der heiligen Schrift basierende Christentum ist dieser Tage nicht nur außer Mode. Es wird von großen Teilen der Gesellschaft, ohne auf Kenntnisse angewiesen zu sein, wenn nicht der Lächerlichkeit preisgegeben, so doch ignoriert oder zumindest via „Wissenschaft“ oder Gefühlsduselei dem Zeitgeist angedient. Einigkeit herrscht dahingehend, dass bibeltreues Christsein nur etwas für jene sei, an denen 300 Jahre Aufklärung vorbeigegangen sind, ohne auch nur den kleinsten emanzipatorischen Kratzer zu hinterlassen.
Der christliche Antrieb der Aufklärung, die nicht im Geringsten antichristlich, sondern antikirchlich war, wird dabei genauso unterschlagen, wie die Tatsache, dass die abendländischen (einst) freiheitlichen Gesellschaftskonzepte auf den christlichen Fundamentalprinzipien fußen. Die Würde des Einzelnen, die Freiheit des Individuums und seine Verantwortung hatten ihre Wurzeln in der ebenbildhaften Wesensgleichheit des Menschen mit dem Gott des Christentums. Der Ruf, der erging: Wer freiwillig vor Gott kniet, kriecht nicht vor Menschen. Nie. Egal, ob es der Staat, der Nachbar, sogenannte Minderheiten oder die eigenen Kinder sind.
Davon sind wir heute weit entfernt. Die Botschaft von der Freiheit des Einzelnen, von seiner Verantwortung, von der Pflicht, seinen Nächsten „in Ruhe zu lassen“ und von der Bevollmächtigung und Befähigung nicht nur zur Erfüllung, sondern zur Übererfüllung dieser Pflicht ist längst entschärft. Vom Gnadenglauben der Reformation und der Aufklärung, ist man zurück im Leistungs-, Bestrafungs- und Ablassglauben des Mittelalters. Die Befreiungsbotschaft der Bibel ist ersetzt durch die autoritären Dogmen der säkularen Prophetie eines radikalen Relativismus. Wer leugnet – egal, ob Gleichheit, Gender, Klima, Multikulturalismus oder politische Alternativlosigkeit – verdient Ächtung, Ausschluss und gesellschaftlichen Tod.
Und spätestens hier wird klar: Im Gefolge der Politik und um der Nähe zur Macht willen hat sich die Kirche einmal mehr von ihrem christlichen Ideal abgekehrt und befindet sich Seite an Seite mit einem Großteil der Gesellschaft in einem selbstmörderischen zivilisatorischen Rückwärtsgang in Richtung Hörigkeit und Knechtschaft. Wem dies noch zu wenig deutlich ist, dem bestätigt man von berufener Seite her gerne, ein freiwilliges sich Hindurchglauben zur Möglichkeit einer dies- und jenseitigen nicht auf Raum-Zeit-Konzepte angewiesenen Gemeinschaft mit Gott – mithin Kernbotschaft und Existenzgrundlage der Kirchen – sei eine „fundamentalistische Zumutung“ (Herbert Koch). Oder anders gesagt: Man nehme das christliche Grundgesetz der zehn Gebote und verkehre es in sein Gegenteil – da steht die moderne Kirche. Arm in Arm mit allem Staatlichen, Staatsnahen und der sogenannten Mehrheit der Demokratie.
Im Gleichklang mit Politik und öffentlichen Institutionen gilt in dieser Kirche einzig die Wahrheit, dass es keine Wahrheit gebe, sondern nur kulturelle Konzepte und daraus resultierende Rollen. Der Mensch dieser Sicht ist zufällig, ersetzbar und identitätslos. Freiheit eine Illusion, Recht auf Freiheit unmöglich, Identität und Mitmenschlichkeit Trugbilder. Gott beliebig einsetzbarer Bestandteil eines multireligiösen, globalistischen, und auf Menschenmaß heruntergedimmten Kitschkonzepts. Jesus, je nach sozioökonomischer oder emotionaler Befindlichkeit (aka Bedürftigkeit) Flüchtling, sozial Benachteiligter, Minderheit oder Sozialist.
Die Kernaussage dieser Dogmatik der Wahrheitslosigkeit: Wo es keine Identität gibt, keine Individualität, keine objektive Wahrheit, sondern nur Wahrnehmung, wo alle gleich sind, da ist jeder ersetzbar. Es ist die altbekannte und stets fürchterliche Botschaft einer Herrscherkaste auf dem Weg in den Totalitarismus. Es ist das Glaubensbekenntnis einer Gesellschaft, die sich via Neid moralisch an die Kandare nehmen und dogmatisch bevormunden lässt. Es ist das Rezept zu Hörigkeit, Abhängigkeit und Kriecherei. Der Weg von der Postmoderne hinein in eine grausame Posthumanität.
Dass in solchem Bestreben bibelfundiertes Christentum nicht nur keinen Platz hat, sondern abgedrängt und verunglimpft gehört, liegt auf der Hand. Antimenschlich und antifreiheitlich muss zwingend antichristlich sein und umgekehrt: Antichristlich ist immer antimenschlich und antifreiheitlich. Ein Blick in die Geschichte und Gegenwart diktatorischer Regimes bestätigt es. Denn: Christen sind allem Totalitären feind. Sie haben nicht Gesinnung, sondern Heimat, nicht Haltung, sondern Halt, nicht Menschheits-Konzepte, sondern Eigen- und Nächsteninteresse, nicht Opfer-Anspruch, sondern Selbstverantwortungs-Begehren, nicht kulturelle Sicht, sondern individuelle Realität, nicht Zwangsharmonie, sondern Identität in Gott.
Wäre die selbsternannt aufgeklärte und vorläufige Krone der Evolution ehrlich, dann würde sie eingestehen, dass das Konzept der heutigen Kirche sich zu hundert Prozent mit jenem der Politik deckt, dass es sie in dieser Form nicht mehr braucht und dass sie sich getrost selber abschaffen könnte. Indes: Die Chancen zu solchem Einsehen und Tun sind gering. Wo keine objektiven Wahrheiten existieren, gibt es sowas wie Ehrlichkeit nicht mehr. Und eine Umkehr ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Wo aus Kirchenkreisen (Schweden) angeregt wird, die Kreuze herunterzureißen und Gebete nach Mekka auszurichten, da ist der Gedanke an künftige Verfolgung schriftbasierten Christentums keine Abwegigkeit mehr. Wohlan denn: Bringen wir’s hinter uns. Impulsgesteuert und ich-hörig befreit zu Hinnahme und Anbetung eines Allmachtanspruchs von Menschen über Menschen.
Wenn in diesem Kontext Christsein Spott verdient, dann ist man schlagartig gerne Gespött. Für die eigene Freiheit und die anderer. Egal, ob Christen oder nicht – Zwang macht am Ende vor keinem Halt. Auch das lehrt die Geschichte. Hier bin ich.
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