Sturmchaos? Nein, Totalversagen bei der Bahn!

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Gestern gab es in einigen Gebieten Norddeutschlands einen etwas stärkeren Herbststurm. Wie viele Bahnstrecken durch umgefallene Bäume oder Äste in den Oberleitungen tatsächlich beeinträchtigt waren, müsste ein Untersuchungsausschuss feststellen. Weitaus schlimmer als der Sturm und seine unmittelbaren Schäden war das Totalversagen der Deutschen Bahn. Vorsorglich wurde der gesamte Zugverkehr in Nord – und Mitteldeutschland lahm gelegt. Das sind die Folgen des von den Grünen seit Jahrzehnten propagierten „Vorsorgeprinzips“, das zum Handeln auffordert, wenn der Verdacht besteht, dass Schäden eintreten könnten. Was das in der Praxis bedeutet, erlebte Europa schon einmal im April 2010.

Beim Ausbruch eines isländischen Vulkans kündigte die europäische Flugsicherungsbehörde Eurocontrol wegen der Aschewolke zunächst die Schließung von Teilen des deutschen Luftraums an. Später hieß es aber von Eurocontrol, die Situation werde noch bewertet. Also erst handeln, dann prüfen. Obwohl der deutsche Luftraum weitgehend unbeeinträchtigt blieb, wurden tagelang Flüge gestrichen.

Ich war damals auf Kuba, wo man glaubte, halb Europa würde von einer Aschewolke regelrecht verschlungen, wie einst Pompeii nach dem Ausbruch des Vesuv. Nichts dergleichen. Aber es dauerte Tage, bis die von Bürokraten ausgelöste Panik abebbte und das Leben sich normalisierte.

Gestern und heute herrschte ein ähnliches Behördenversagen in halb Deutschland. Denn keineswegs wurde nur in Norddeutschland der Zugverkehr unterbrochen, sondern auch in Mitteldeutschland. Noch schlimmer war, dass tausende Passagiere vom verhängten Zugstopp nicht informiert wurden.

Ab 14.00 war gestern die Zufahrt nach Berlin weiträumig gesperrt. Um 17.12 stieg ich in Erfurt in den ICE nach Berlin. Es gab keinerlei Hinweis darauf, dass der Zug sein Ziel nicht erreichen konnte – und das drei Stunden nach der verhängten Sperrung!

Auch beim Stopp in Halle eine Stunde später, wurden wir nicht gewarnt. Zahlreiche Passagiere stiegen zu, obwohl der Zug nur 15 km hinter Halle auf freiem Feld angehalten wurde. Zwei Stunden später erlebten die Fahrgäste im ICE nach Berlin das Gleiche: Mit keinem Wort wurde in Erfurt, mittlerweile war die Sperrung schon fünf Stunden alt, gewarnt, dass man nicht ans Ziel kommen würde. Nur gab es diesmal in Halle eine Durchsage, dass es zu Verspätungen kommen könnte.

Auf der Bahn-App wurde erst eine Verspätung von 120, später von 200 Minuten angeben. Wer keine App hatte, erfuhr nichts. Stundenlang standen wir auf freiem Feld, ohne zu wissen, wie es weiter gehen würde. Nach zwei Stunden setzte der Lokführer den Zug zurück, so dass er im Bahnhof von Landsberg zum Stehen kam. Er öffnete die Zugtüren, damit wenigstens die Möglichkeit bestand, auf dem Bahnsteig etwas frische Luft zu schnappen oder zu rauchen.

Zweimal kam der Hinweis, dass eventuell ein Regionalexpress hielte, der nach Halle fahren würde, aber es wurde nicht gesagt, dass man das besser tun sollte. Also blieben die meisten Passagiere, wo sie waren. Gegen 22 Uhr, also nach vier Stunden, kam die Durchsage, dass der Zug zurück nach Halle fahren würde, nachdem die Fahrgäste des nachfolgenden ICE aufgenommen wären. Der stand schon längere Zeit auf dem gegenüberliegenden Bahnsteig. Es dauerte trotzdem über eine halbe Stunde, ehe sich unser Zug in Bewegung setzte. Wir kamen erst kurz vor 23 Uhr in Halle an, als es keinerlei Anschlüsse mehr gab. Unser ICE sollte als „Hotelzug“ auf dem Bahnhof verbleiben. Ich hatte keine Lust, die Nacht in einem rappelvollen Zug zu verbringen, wo die Zugtoiletten kaum noch benutzbar waren und begann sofort, nach einem Hotelzimmer zu suchen. Ich hatte Glück und bekam das letzte Zimmer im B&B am Hallorenring. Mit ein paar anderen Mitreisenden, die auch das Glück hatten, dort noch unterzukommen, gelangte ich auch problemlos dorthin.

Wir waren sicher, am anderen Morgen weiterfahren zu können.

Welch ein Irrtum!

Morgens wachte ich schon um sechs Uhr auf. Mein erster Blick galt der Bahn-App. Die informierte mich, dass bis zum Mittag keine Züge nach Berlin fuhren. Aber der Sturm hatte doch längst aufgehört? Ich fuhr zum Bahnhof, wo ich kurz vor sieben Uhr ankam.

Wenn ich gehofft hatte, dass die Bahn über Nacht einen Notdienst für ihre gestrandeten Reisenden eingerichtet hätte, sah ich mich getäuscht. Ich musste mich in eine lange Schlange am Informationsschalter einreihen. Als ich endlich dran war, erfuhr ich, dass es Taxigutscheine für die Fahrt nach Berlin geben würde. Leider seien aber gerade keine Taxis da. Ich hatte aber vor dem Bahnhof welche stehen sehen. Nein, man müsse auf einen Anruf von der Taxizentrale warten, erst dann könnten die Gutscheine ausgegeben werden. Ich solle mich solange gedulden. Dazu hatte ich keine Lust. Ich ging zum Taxifahrer, der als erster in einer kurzen Reihe stand und fragte ihn, ob er nach Berlin fahren würde. Als er bejahte, rief ich das laut aus und sofort waren drei weitere Passagiere vom Vorabend da, die mitkommen wollten. Da bequemte sich die Dame von der DB hinter ihrem Schalter vor und wir bekamen unseren Gutschein.

Die Fahrt nach Berlin verlief, abgesehen von den Baustellen-Staus, weitgehend problemlos. Als wir gegen 10.30 in der Hauptstadt ankamen, fuhr die S-Bahn immer noch nicht. Wir hatten ungeheure Sturmschäden erwartet, weil in Berlin der Ausnahmezustand ausgerufen worden war. Allerdings konnten wir nichts dergleichen entdecken.

Der Taxifahrer war so nett, mich an einer Bushaltestelle rauszulassen, von der ich meine Fahrt nach Hause antreten konnte. Auch der junge Mann, der mitgefahren war, konnte mit der U-Bahn sein Ziel erreichen. Unsere anderen beiden Mitreisenden wollten allerdings nach Rostock. Ihr weiteres Schicksal ist ungewiss.

Nicht der Sturm, sondern menschliches Versagen hat die größten Schäden angerichtet. Wenn wegen eines lokal begrenzten Sturms das halbe Land kurzerhand lahmgelegt wird, lässt das nichts Gutes hoffen, sollte es wirklich einmal zu einem flächendeckenden Unwetter kommen. Was sagt das über unsere Infrastruktur aus, wenn sie nur noch bei schönem Wetter einigermaßen funktioniert?

Weil in Hamburg der Wind weht, werden hinter Halle die Züge gestoppt! Die Verantwortungsscheu, die unsere Regierenden, allen voran die Kanzlerin, vorleben, hat sich inzwischen wie ein Virus auf allen Ebenen verbreitet.

Der Bahnvorstand müsste nach dem gestern und heute angerichteten Millionenschaden zurücktreten, wird es aber nicht. Den Untersuchungsausschuss wird es nicht geben. Das nächste durch Verantwortungsscheu verursachte Desaster ist vorprogrammiert!

 



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