Die neue Psychologie des Alterns

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Deutschland ist nicht nur eine rapide alternde Gesellschaft, das Alter ist mittlerweile die längste Lebensphase des Menschen geworden. Während zu Bismarcks Zeiten, in der die Rente erfunden wurde, diese etwa fünf Jahre lang bezogen wurde, haben Zeitgenossen, die das 65. Lebensjahr erreicht haben, noch mindestens 20 Jahre vor sich. Ein weites Feld für die noch junge Altersforschung.

Hans-Werner Wahl, ein führender Altersforscher, hat nun ein Buch vorgelegt, in dem er in gut lesbarer, verständlicher Form seine wichtigsten Erkenntnisse dem interessierten Publikum nahebringt.

Die gute Botschaft zuerst: Das Alter ist nicht nur unsere längste Lebensphase geworden, wir erleben sie auch gesünder und leistungsfähiger als je zuvor. Ärzte bestätigen, dass die „jungen Alten“ von 65 Jahren heute eine körperliche Verfassung besitzen, die vor zwanzig Jahren für Fünfzigjährige typisch war. Im jungen Alter, das bis zum 80. Lebensjahr reicht, ist man kaum eingeschränkt und kann die meisten gewünschten Aktivitäten problemlos meistern. Die jungen Alten sind aktiv, wie nie zuvor. Eine Minderheit beschränkt sich darauf, Dauerreisen zu unternehmen. Die Mehrheit der jungen Alten engagiert sich ehrenamtlich, im In- und Ausland. Ohne die vielen Helfer in dieser Alterskohorte wäre die jüngste Flüchtlingskrise nicht zu bewältigen gewesen. Auch im Pflegebereich würde es eng werden ohne sie. Die meisten alten Alten werden von jungen Alten gepflegt. „Ältere übernehmen also zunehmend Verantwortung für unsere Gesellschaft”.

Sie sind aber auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, als die „großen Genießer“, „wenn es um Wellness, gutes Essen, Konzerte, Museen und qualitätsvolles Reisen geht.“

Sie können das gut, denn „Ältere verstehen am besten, was es bedeutet, Zeit sinnvoll zu nutzen“. Wahrscheinlich hat das etwas mit der reduzierten Zukunftsperspektive zu tun. Man weiß, dass man nicht mehr unendlich viel Zeit hat und wird aufmerksamer.

Die Lebenserfahrung bringt Lebenskünstler hervor. Ältere lassen sich nicht mehr so leicht aus der Ruhe bringen, sie verfügen über eine „regelrechte Toolbox“, wie sie ihr Wohlbefinden aufrechterhalten und sich gegen Widrigkeiten des Älterwerdens wappnen können“. Ältere sind gut in der Um- und Neubewertung von nicht mehr erreichbaren Zielen, sie wählen genau aus, welche Aktivitäten und Menschen ihnen gut tun und lassen alles andere links liegen. Außerdem akzeptieren sie leichter, was nicht mehr zu ändern ist, z.B. Seh- und Hörverluste. Ältere sind „Weltmeister, wenn es um Kompensation geht. Wenn etwas nicht mehr so geht, wie man es immer gemacht hat, macht man es halt anders.

Altsein ist keine Krankheit und der Spruch „Alter ist nichts für Feiglinge“, ist nicht mehr als ein Bonmot, das wenig mit der Realität zu tun hat. Die meisten Alten genießen ihr Leben und wagen sogar Neues: einen neuen Partner, ein eigenes Unternehmen, eine neue Sprache. Als „Keepers of the meaning“ haben die Älteren wertvolle Erfahrungen an die Jungen zu übermitteln. Das klappt zwischen Großeltern und Enkeln oft besser, als zwischen Eltern und Kindern.

Ein wichtiger, wenn auch wenig überraschender Sachverhalt ist, dass wer sich sein Leben lang ausreichend bewegt hat, also körperlich aktiv war, im Alter davon profitiert. Für den kommt die Phase der Pflegebedürftigkeit spät oder nie. Aber auch für jene, die in jungen Jahren wenig auf ihr körperliches Befinden geachtet haben, ist nicht alles zu spät. Auch im Alter kann man durch regelmäßiges Üben körperliche Fitness wieder erlangen. Studien haben gezeigt, dass durch Training Laufen ohne Rollator wieder möglich wurde.

Die Wissenschaft unterscheidet inzwischen drei Alter: Das „Dritte“, also junge Alter hat wenig, mit „alten Menschen“ zu tun. Erst mit dem „Vierten Alter“, jenseits der 80, beginnt das eigentliche Altern. Die ein Leben lang vorhandenen biologischen und psychologischen Ressourcen stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Man macht intensive Erfahrungen mit Mehrfacherkrankungen. „Die erworbene Kompensationen und Selbstregulationsmechanismen greifen weniger gut, sind aber immer noch hilfreich. Neueste Befunde auf der Grundlage von Forschungen zum Verlauf der kognitiven Leistungsfähigkeit und zum Wohlbefinden legen nun sogar eine Abgrenzung eines Fünften Alters nahe… die terminale Phase des Fünften Alters könnte in gewisser Weise sogar mit der frühkindlichen Periode verglichen werden“, weil es in beiden Phasen spezifische Veränderungsprozesse gibt: am Anfang Wachstum und Reifung, am Ende die Atrophie unserer biologischen und psychologischen Systeme.

Übrigens hat die Alterseinteilung wenig mit dem kalendarischen Alter zu tun, wie die Wissenschaft herausgefunden hat. Man ist tatsächlich so alt, wie man sich fühlt.

„Älterwerden ist ohne jeden Zweifel etwas sehr Persönliches – ein Prozess, der maßgeblich subjektiven Einstellungen, Erwartungen, Interpretationen und Deutungen unterliegt.

Natürlich hat die Erfolgsgeschichte des Alterns auch ihre Kehrseiten. Die eine ist, dass falsch verstandene Betreuung die Selbstständigkeit von Pflegebedürftigen untergräbt.

Eine andre ist die sich rasch entwickelnde Gero-Technologie. Pflege kann heute schon in gewissem Umfang von Robotern übernommen werden, es werden anziehbare Roboter entwickelt, die Bewegungsfähigkeit zurückgeben können. Es gibt noch kein ethisches Konzept, wie mit diesen Technologien umgegangen werden soll. „Der Aufwand, den es kostet, eine bestimmte Technologie zu nutzen, darf nicht größer sein als der Nutzen, der sich für ältere Menschen aus der Technologieanwendung ergibt“. Es fehlt auch hier eine notwendige gesellschaftliche Debatte. Es birgt Gefahren in sich, wenn die Technologie sich schneller entwickelt, als die erforderlichen ethischen Standards.

Die wichtigste Gefahr deutet Wahl nur an: „Die schiere Sichtbarkeit des Alters könnte die Ablehnung des Alters fördern“. Laut sogenannter Terror-Management-Theorie, erinnern alte Menschen die Jüngeren an Tod und körperlichen Verfall, den sie ablehnen. Das erzeugt Aversionen gegen die Alten. Laut Wahl ist der „Krieg der Generationen“ keineswegs vom Tisch.

In Deutschland ist die Migration von mehr als einer Million junger Männer, viele davon mit Gewalterfahrung ein Faktor, der die von Wahl beschriebene Gefahr vielfach verstärkt. Die Träumereien von Politikern, dass ein Teil dieser jungen Männer, die ihre Unterkünfte nicht selbst reinigen, weil es nicht ihrer Kultur entspricht, dass Männer solche Arbeiten erledigen, zu Altenpflegern auszubilden, haben so wenig mit der Realität zu tun, wie die Behauptung, die „Flüchtlinge“ wären mehrheitlich in der Wirtschaft dringend benötigte Fachkräfte. Sollten die unterschwellig bereits spürbaren Spannungen, ausgelöst durch unerfüllbare Erwartungen an die aufnehmende Gesellschaft, einmal ausbrechen, sind die Älteren in besonderer Gefahr. Gerade diese Alterskohorte sollte sich bei der Bundestagswahl genau überlegen, ob sie eine weitere unkontrollierte Masseneinwanderung unterstützt. Wie keine andere Altersgruppe können die Alten mit ihrer Stimme die weitere Entwicklung beeinflussen.



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