Das Tote Meer stirbt

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Mein letzter Tag in Israel ist der Höhepunkt meiner Reise. Wir machen uns auf zur Wüstenfestung Masada. Es ist mit 30 Grad der erste richtig heiße Tag. Aber ein um diese Jahreszeit noch kühler Wind macht die Hitze erträglich. Wir halten am Beduinenort Chura, um handgepresstes Olivenöl zu kaufen, für das der Ort berühmt ist. Den Beduinen geht es in Israel gut. Zwar stehen ihre Häuser nach unserem Geschmack chaotisch in der Gegend herum, sie sind aber ansehnlich und solide, mit allem modernen Komfort. Man kann kaum glauben, dass die Bewohner vor wenigen Jahren noch in Zelten gewohnt haben.

Hinter der Wüstenstadt Arad beginnt der wildeste und vielleicht schönste Teil der Negev. Hier dominiert ein sanftes Ocker, nur an wenigen Stellen sieht man etwas Grün. Die wilden Kamele, denen wir begegnen, finden trotzdem Futter.

Wir nähern uns Masada von Westen, wo die Römer-Rampe den Berg hinaufführt. Anders als auf der Ostseite mit Besucherzentrum und Seilbahn, ist hier nicht viel los. Der Parkplatz ist fast leer. Der russische Jude am Imbiss-Stand ist froh, dass er uns Tee verkaufen kann.

Auf dem Platz steht eine nachgebaute römische Belagerungsmaschine. Unvorstellbar, dass so ein mächtiges Ding den Berg hinauf bugsiert wurde.

Die Wüstenfestung wurde von den Hasmonäern um 160-143 BC gebaut. König Herodes stattete sie mit Palästen aus, unter anderem mit dem Felsenpalast an der Nordseite, an dessen Wänden noch Malereien im pompejanischen Stil vorhanden sind – was zeigt, dass es damals schon einen globalen Geschmack und globale Moden gab.

Neben Palästen, Wehranlagen, 37 Wachtürmen, Ställen, Kommandanturen, 12 Zisternen gab es Römische Bäder und sogar Schwimmbecken. Dazwischen wurde auf Feldern alles angebaut, was die Festungsbewohner brauchten. Die Festung war autark. Die Römer fanden nach monatelanger Belagerung immer noch reichliche Lebensmittelvorräte. Von den Dattelkernen, die bei modernen Ausgrabungen in antiken Tonkrügen gefunden wurden, ist eine übrigens in einem Jerusalemer Labor erfolgreich zu einer Dattelpalme geworden. Nach zweitausend Jahren. Ein Zeichen, wie stark Natur auf Überleben ausgerichtet ist.

Von der Festung aus hat man einen phantastischen Blick in alle Himmelsrichtungen. Die Belagerten konnten von oben sehen, was sich in den Römerlagern, die um den Berg herum verteilt waren, tat. Neben der Festung gibt es zahllose Wohn- und Vorratshöhlen im Berg, die leider derzeit nicht besichtigt werden können.

Außer auf die Wüste blickt am auch auf das Tote Meer, das in den letzten 25 Jahren erschreckend zurückgegangen ist. Die Stelle, wo ich 1990 zum ersten Mal badete, liegt heute mehrere hundert Meter vom Ufer entfernt. Ein Landzunge ist dabei, das Meer in zwei Hälften zu teilen. Grund für die Verlandung ist, dass in Syrien und Jordanien aus den Zuflüssen zum See Genezareth fast alles Wasser entnommen wird. Von denjenigen, die ebenso eifrig wie verlogen Israel Wasserdiebstahl vorwerfen, gibt es keinerlei Proteste gegen die fortschreitende Zerstörung eines der Naturwunder der Erde.

Aber auch Israel scheint eher gelassen zu regieren. Der Wasserbedarf des Landes ist durch die Meerwasser-Entsalzung so ausreichend gedeckt, dass Israel sogar Wasser nach Jordanien exportiert. Auch die palästinensischen Gebiete hängen am israelischen Wassersystem Mekorot. Zwar gab es immer wieder Pläne, dem Toten Meer Wasser aus dem Mittelmeer oder dem Roten Meer zuzuführen, die aber aus unterschiedlichen Gründen nicht ausgeführt wurden. Aber auch der nächstliegende Schritt, Jordanien per Vertrag zu verpflichten, den Zuflüssen kein Wasser mehr zu entnehmen, wird anscheinend nicht in Betracht gezogen. Dabei ist Jordanien von Israel so abhängig, dass so ein Vertrag durchzusetzen wäre.

Während die Politik viel Aufwand betreibt, um eingebildete „Katastrophen“ wie den so genanten Klimawandel zu bekämpfen, steht sie den wirklichen Umweltkatastrophen gleichgültig gegenüber. Das scheint leider auch auf die Politiker meines Lieblingslandes zuzutreffen. Dabei könnte man mit einem Bruchteil der für „Klimarettung“ verpulverten Gelder nicht nur das Tote Meer, sondern auch den Aralsee, einst der größte Binnensee der Welt, in meiner Lebenszeit zu 95% zur Salzwüste geworden, die hunderttausenden Menschen die Gesundheit ruiniert und Landwirtschaft nur nach dreimaligen „waschen“ der Felder möglich macht. Im über hundert Kilometer entfernten Nukus liegt das Salz wie Schnee auf der Straße.

Der Schriftsteller Chaim Noll , auch bei diesem Ausflug mein Begleiter, erzählt mir vom Sewansee in Armenien eine ähnliche Horrorgeschichte. Was das Tote Meer betrifft, gibt er sich philosophisch. Es gäbe einen versteinerten Palmenhain, der immer noch unter Wasser läge, wie die biblischen Städte Sodom und Gomorrha.

Mag sein, aber eine Seerettungs-Konvention der UNO wäre gute Realpolitik, die aber immer mehr aus der Mode kommt.

Am Abend sitzen wir im Garten von Chaim und Sabine. Er ist in dieser Jahreszeit von tropischer Üppigkeit. Sabines Katzen leisten uns Gesellschaft und während wir Rotwein trinken, heulen plötzlich die Wölfe und Schakale, bellen die Hyänen, als wollten sie mir Auf Wiedersehen sagen.

Darauf können sie sich verlassen. Nächstes Jahr in Meitar!



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