Aussichten auf den Bürgerkrieg (2)

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In seinem gleichnamigen Buch hat Hans Magnus Enzensberger eine hellsichtige Analyse der Entwicklung in der Welt nach dem Ende des Kalten Krieges geliefert. Nachdem ich mich im ersten Teil bereits mit der Genese, den Ursachen und den Charakteristika der molekularen Bürgerkriege in den westlichen Metropolen beschäftigt habe, möchte ich jetzt näher auf die Förderer dieser Bürgerkriege eingehen.

Auch hier hat sich Enzensbergers Analyse voll bestätigt.

„Dass Solidarität mit aller Welt ein nobles Ziel ist, wird niemand bestreiten… Doch… den Deutschen zum Beispiel steht es schlecht an, sich als Garanten des Friedens und als Weltmeister der Menschenrechte aufzuführen, solange deutsche Schläger- und Mordbrennerbanden Tag und Nacht Furcht und Schrecken verbreiten.“

An dieser Feststellung hat sich nichts geändert, auch wenn die Banden inzwischen multikulturell sind.

Obwohl sich die Sicherheitslage täglich verschlechtert und die „Härte des Rechtsstaates“ vor allem Falschparker und Geschwindigkeitsüberschreiter, sofern sie nicht einer Personengruppe angehören, die mit besonderer Nachsicht rechnen kann, zu spüren bekommen, hält unsere politisch-mediale „Elite“ an ihren moralischen Allmachtsphantasien fest. Die Vorstellung, dass „Kulturschaffende“, wie sie in totalitären Systemen genannt wurden, zur Zivilisierung der Gesellschaft beitragen, ist reines Wunschdenken.

„Schon vor Anbruch des zwanzigsten Jahrhunderts haben die Künstler, die Dichter und die Theoretiker der Moderne das Gegenteil bewiesen. Ihre Vorliebe für das Verbrechen, für den satanischen Outsider, für die Zerstörung der Zivilisation ist notorisch. Von Paris bis Sankt Petersburg kokettierte die Intelligenz des fin de siècle mit dem Terror… André Breton erklärte, „die einfachste surrealistische Tat“ bestehe darin, „mit dem Revolver auf die Straße zu gehen und so lange wie möglich blind in die Menge zu schießen.“ Heute sind solche surrealistischen Taten fast schon Alltag geworden, auch wenn die bevorzugte Waffe eine Axt zu sein scheint. Die „Provokationen“ der Kulturschaffenden „zeugen nicht nur von einem tiefen Hass auf das Bestehende, sondern auch von einem ebenso tiefen Selbsthass… Ein großer Teil der jugoslawischen Intelligenzia hat bewiesen, dass die Produktion von Hass und die Vorbereitung des Bürgerkrieges auch heute noch zu den wichtigsten Aufgaben der Kulturschaffenden gehören.“

Eindrucksvoll wird das bestätigt, wenn man „Das Buch meiner Leben“ von Aleksandar Hemon liest.

Der Anfang der 60er Jahre in Sarajewo geborene Autor beschreibt darin das Leben der jungen Intelligenzia der Stadt, die sich in den Zeiten vor dem Bürgerkrieg mit „dekonstruktivistischen“ Performances, wilden Partys, Sexspielen an allen möglichen und unmöglichen Orten, Kostümfesten, auf denen sich alle als Nazis zu verkleiden hatten, Glücksspielen und Ähnlichem hingaben. Da sollte es nicht wirklich wundern, dass die Organisatorin der Naziparty später eine führende Figur bei den serbischen Tschetniks wurde. Aber auch der hochgebildete Literaturprofessor mit den schlanken Pianistenfingern, genauer Kenner des New Criticism , wurde engster Mitarbeiter des meistgesuchten Kriegsverbrechers der Welt, Radovan Karadžić.

Als der kroatische Krieg ausgebrochen war, es Berichte von Massakern gab und Fotos von enthaupteten Leichen veröffentlicht wurden, betrachtete man das als schreckliche Ausnahme, heute heißt es Einzelfall, der einen selbst nie betreffen könnte. Dann zog sich der Belagerungsring um Sarajewo zusammen, aber die Stadt intensivierte ihre Ablenkungs-Orgien, die denen ähnelten, die wir aus Berichten von Alessandro Manzoni aus dem von der Pest heimgesuchten Mailand kennen.

Hemon: „Je mehr wir erfuhren, desto weniger wollten wir davon wissen. Unser ganzes Dasein beruhte auf dem hartnäckigen Festhalten an vermeintlicher Normalität. Wenn wir und in hedonistische Verdrängung stürzten, war das aus unserer Sicht bloß der Versuch, ein normales Leben zu führen. Jede Nacht wurde Party gemacht und getrunken, oft bis in den frühen Morgen. Es wurde viel getanzt. Ich brachte im Kulturteil sogar einen Leitartikel…dass noch viel mehr getanzt werden müsse, um die bevorstehende Katastrophe zu verhindern.“

Enzensberger: „Der Krieg in Jugoslawien hat gezeigt, dass die Europäer weder willens noch fähig sind, den Frieden zu erzwingen. Die EU als „Friedensprojekt“ war schon lange vor Erhalt des Freidensnobelpreises gescheitert. Europa ist aber auch nicht willig, Lehren daraus zu ziehen, dass in Jugoslawien eine multikulturelle Gesellschaft blutig auseinandergefallen ist. Heute separieren sich die Ethnien streng voneinander. Die unsichtbaren Mauern sind undurchdringlicher als der hochgerüstete Berliner „Antifaschistische Schutzwall“. Fährt man heute durch die Nachfolgestaaten Jugoslawiens, kann man überall hören, dass der Konflikt nicht gelöst, sondern nur eingefroren ist. Alle rechnen mit dem Ausbruch des nächsten Krieges.

Die Politiker scheren sich nicht um die Lehren, die aus dieser europäischen Erfahrung gezogen werden müssten. Sie betreiben weiter ihre „Flüchtlingspolitik“, offensichtlich ohne sich um die wahrscheinlichen Folgen Gedanken zu machen. Für sich selbst sorgen sie aber vor. Jeder noch so unbedeutende Hinterbänkler im Bundestag bekommt inzwischen „Sicherheitsmaßnahmen“ für sein Wohnumfeld spendiert, die früher nur akut gefährdeten Personen vorbehalten waren. Die Bevölkerung dagegen bleibt schutzlos.

Auch die Kulturschaffenden treiben ihr Zerstörungsspiel weiter, indem sie Blaupausen für den Umgang mit Kritikern der Regierungspolitik produzieren. Da lässt der hoch staatlich subventionierte Regisseur Falk Richter auf den Brettern der Berliner Schaubühne den Bildern lebender Frauen die Augen ausstechen und zum Mord an ihnen ausrufen. Als dann Autos und Häuser dieser Frauen kurz darauf zu brennen beginnen, wollen er und sein Theater nichts damit zu tun haben.

Enzensberger: „Es gibt zahlreiche Täter, die das Gefühl haben, als seien sie ´selbst` an ihren Handlungen eigentlich nicht mehr beteiligt.“ Der am häufigsten genannte Satz nach dem Krieg in Sarajewo war: „Wir wissen nicht, was mit uns geschehen ist.“

Sie hätten es wissen können. Wir können es wissen. Aber dafür müssen wir hinsehen, statt zu verdrängen. Der Medienwissenschaftler Norbert Bolz konstatiert, dass wir uns am „Anfang eines geistigen Bürgerkrieges“ befinden.

Seinen Optimismus, dass dieser Krieg nicht blutig verlaufen wird, kann ich nicht teilen.



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