Preußens Glanz in der Lüneburger Heide

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Bei einem Kneipenbesuch in Soltau hörte ich zum ersten Mal von Iserhatsche. Nein, noch nicht den Namen, oder was sich wirklich dahinter verbirgt. Mein Gesprächspartner sagte etwas, von einem total verrückten Ort mit tausenden Bierflaschen, Streichholzschachteln und Leichenkarren. Ich müsste das unbedingt sehen. Zwei Tage später rief mich ein Freund aus Hamburg an. Ich machte mich gerade fertig, um in der Nähe von Bispinigen den Söhlbruch zu besuchen, einen feuchten Erlenbruchwald unter Naturschutz. Da könnte ich doch in Bispingen in der Nöllestraße 40 vorbeischauen, es wäre absolut überraschend, was ich da zu sehen bekäme. Als ich im Internet las, es handele sich um einen Landschaftspark, war mein Interesse endgültig geweckt.

Schon beim Ankommen wurde mir klar, dass es viel mehr war. Es ist ein Gesamtkunstwerk, der verwirklichte Traum eines Mannes, dessen Lebensmaxime es ist, dass Träume nur taugen, wenn sie umgesetzt werden.

Uwe W. Schulz-Ebschbach ist das, was man einen Selfmademan genannt hat, als Fleiß, Tüchtigkeit und Erfolg noch etwas galten.

Als er 1957 mit 16 Jahren von Ost-nach Westberlin wechselte, hatte Uwe 50 Westpfennige, eine alte Hose und ein altes Fahrrad. Vier Jahre später, mit 20, fuhr er ein eigenes Auto, nach weiteren zwei Jahren war er Besitzer seiner ersten Eigentumswohnung. Er erlernte das Malerhandwerk mit dem Ehrgeiz zu zeigen, dass Maler viel mehr könnten als Rauhfasertapeten zu kleben.

Preußen war immer sein Vorbild, auch als Preußen in Ost und West verpönt war. Ordnung, Sparsamkeit , Leistung, die von den Linken verspotteten bis verhöhnten Primärtugenden, verhalfen Schulz-Ebschbach zu einem Erfolg, wie er sonst nur in Legenden vorkommt.

Friedrich der Große, eines der Vorbilder von Schulz-Ebschbach, hat Sanssouci in nur zwei Jahren erbauen lassen, ohne Notstromaggregat, ohne Lastzüge, die Baumaterialien mussten mit Pferd und Wagen herangeschafft werden. Man muss nicht auf die Dauerblamage des Berliner Flughafens oder der Elbphilharmonie hinweisen, um zu verstehen, was Orientierung an den richtigen Werten bedeutet.

Die Lebensleistung von Schulz-Ebschbach ist mehr als beeindruckend. Neben dem Aufbau von Iserhatsche, was an sich schon Leistung genug gewesen wäre, hat der Mann teils allein,teils mit seinem Sohn, die Fassadenbemalung und Vergoldung  von Schloss Sanssouci übernommen, wofür er das Bundesverdienstkreuz bekam. Er hat auch das Chinesische Teehaus, das Neue Palais in Potsdam, die Decke des Marmorpalais bemalt, er hat die Löwen vor dem Schloss Glienicke vergoldet und Schloss Philippsburg bei Braubach eine neue Fassade gegeben. Alles für jeweils einen symbolischen preußischen Taler oder eine DM. Nebenbei hat Schulz-Ebschbach noch die Grenadiergarde Nr.& von 1740 nachgestellt, die zum ersten Mal als Leibwache von Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1984 in Bonn zum Einsatz kam. Anders als z. B. die Kunststätte Bossard, ebenfalls in der Lüneburger  Heide, die von vielen Sponsoren abhing und abhängt, ist der Herr von Iserhatsche selbst Sponsor für öffentliche Vorhaben. Er bezieht keinerlei öffentliche Subventionen, eine absolute Rarität in unseren Zeiten. Im Gegenteil. Für sein jüngstes Vorhaben, das Schloss Lichtenstein mit Weinflaschen nachzubauen wollte die Bürgermeisterin von Bispingen 1Million Euro von Schulz-Ebschbach, nur für die Erteilung der Baugenehmigung. Es müssten Ausgleichsflächen geschaffen werden. So behindert die Politik Initiativen!

Die Geschichte von Iserhatsche beginnt mit Ernst Noelle, dem Großvater von Elisabeth Noelle-Neumann, der Gründerin des Allensbacher Instituts.  Noelle kaufte damals ein Areal von 2.300.000 m² und taufte das Grundstück auf den Namen Iserhatsche. Das  war der Kosename, den ihm seine Mutter gegeben hatte. Er kommt aus dem alten Plattdeutschen und bedeutet  ‚Eisenherzchen‘.

1910 entdeckte Ernst Noelle auf der Weltausstellung in Brüssel eine Villa, die von der Wolgaster Häuserbaugesellschaft gefertigt wurde. Er kaufte die Villa und ließ sie auf seinen Jagdsitz versetzen. Somit war die Villa das erste Fertighaus in der Lüneburger Heide.

Nach vielen wechselnden Besitzen und unterschiedlichsten Nutzungen, erwarb Schulz-Etschbach das Grundstück 1986. Der Umbau begann 1989, im Jahr des Mauerfalls und war für Park und Villa die Wiedervereinigung mit dem Urzustand. Nach Entfernung von allen möglichen Sportanlagen entstand der ursprüngliche Barockgarten nach den alten Pläne neu. Auch das Innere des Hauses erhielt die alte Pracht zurück. Dafür ließ Schulz-Ebschbach das wohl schönste Barockzimmer Deutschlands nachbauen- das Diana-Sanssouci-Zimmer. Im Jagdzimmer steht ein ein Sitzsarg, in dem der Hausherr dereinst bestattet werden will. Auch sein Totenhemd liegt seit Jahren bereit. Nicht, weil Schulz-Ebschbach demnächst zu sterben beabsichtigt, sondern weil er der Meinung ist, dass man sich schon im Leben mit dem Tod beschäftigen muss. Auch damit liegt er neben dem Zeitgeist, der den Tod gern verbannen würde, was dazu geführt hat, dass heute allzu viele Menschen in würdelosester Weise sterben müssen.

Das ungewöhnlichste Bauwerk des Parks ist zweifellos der Montagnetto. Es handelt sich hierbei um eine Miniaturdarstellung eines kleinen Schlosses, wie es im Pompey gestanden haben könnte, eingebunden in ein terrassiertes Seensystem, plus eingebautem Vulkan, der durch eine elektronische Schaltung betätigt werden  kann. Im Innern des von Schulz-Ebschbach und seinem Sohn selbst gebauten Burgbergs befindet sich ein Festsaal für bis zu hundert Personen, der für Hochzeiten, Feiern oder feierliche Veranstaltungen genutzt wird. Außerdem werden hier Sammlungen von Menschen gezeigt, die sich auf bestimmte Alltagsgegenstände spezialisiert haben: Streichholzschachteln, Kerzen,Gießkannen, Kronkorken und vieles mehr.

Besonders die Streicholzschachtelsammlung von Lorenz ist interessant. Sie zeigt ein Stück Kulturgeschichte im Alltag. Alles ist vorhanden: Schachteln mit politischer oder kommerzieller Werbung, mit  expressionistischen Gemälden, Landschaftsbildern oder Abbildungen von Tieren. Selbst die Riesaer Zündhölzer der untergegangenen DDR sind vertreten. An die 250 000 Schachteln umfasst die Sammlung, von denen 40 000 gezeigt werden.

Die Bierflaschen-Sorten-Sammlung von Peter Broeker hat es ins Guinnessbuch der Rekorde geschafft. Dort behauptet sie seit 19 Jahren ihren Platz, mit 16 000 original abgefüllten Bierflaschen aus 168 Ländern und 2850 verschiedenen Brauereien.

Dem Hausherren liegt besonders der rekonstruierte und rekultivierte Barockgarten, mit Werken des Berliner Bildhauers und Malers W.O. Hengstenberg am Herzen. Es  ist ein Philosophischer Barocker Eisenpark, in dessen Mittelpunkt der Ebereschen-Eisen-Glocken-Baum steht. Jede Glocke steht für ein Lebensjahr des Eigentümers. Dieses Kunstwerk hat eine Höhe von 8 Metern, einen Stammumfang von 2,38 Metern, 7 goldene Blätter, 7 goldene Wurzeln und 12 bespielbare Glocken.

Mehr als 200 philosophische Sprüche laden zu einem philosophischen Spaziergang ein.

Alle rufen dazu auf, nicht in Träumen zu verharren, sondern tätig zu werden. Das Leben an sich hat keinen Sinn, man kann ihm aber durch Taten einen Sinn geben. Darin hat sich Schulz-Ebschbach als Meister erwiesen. Bei ihm hat das Handwerk nicht nur goldenen Boden, sondern auch goldene Wände, Blätter, Steine, Wurzeln. Menschen wie Schulz-Etschbach bringen die Gesellschaft voran, nicht die Politik, die immer mehr Eigeninitiativen Steine in den Weg legt, weil sie deren Vorbild fürchtet. Denn sozial ist nicht, wer fremdes Geld verteilt, was die Quintessenz heutiger Politik ist, sondern wer die Werte schafft, die verteilt werden können. Das kann man auf einer der Inschriften lesen.

Wenn ich Iserhatsche eines wünsche, dann ist es, dass es ein Ziel für Schulklassen würde. Hier können die Kinder lernen, worauf es wirklich ankommt und was sie tun müssen, um ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und sich nicht wie Touristen in ihrem Leben zu bewegen.



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