Wie Edward Snowden die Staatsschnüffler stärkt

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„Sie wollen Sicherheit? Dann geben Sie Ihre Rechte ab! So lautet die Logik der Regierungen, die sich seit Beginn des ´Krieges gegen den Terror` mehr denn je beauftragt fühlen, ihre Bürger vor dem Bösen zu bewahren. Edward Snowden deckte im Sommer 2013 das Ausmaß der US- amerikanischen Überwachung auf. Mit ihm schien eine Kehrtwende zum Greifen nahe.“

Mit diesen Worten beginnt das kleine, aber explosive Buch “Die Snowden- Offenbarung” von Henning Lindhoff, in dem er untersucht, warum das Gegenteil eingetreten ist.

Die globale freie Kommunikation von freien Menschen ist das Schreckensszenario einer jeden Regierung, auch der demokratischen. Denn diese Kommunikation bedeutet ein Bruch des jahrtausendelangen Informationsmonopols der Herrschenden. Deshalb wäre es manchen Politikern, wie John Jay Rockefeller lieber, das Internet wäre nie erfunden worden. Oder, möchte man ergänzen, der Eiseren Vorhang wäre nie gefallen, hinter dem das Informationsmonopol der Regierungen ewig zu sein schien.

Snowden, statt eine Eindämmung der staatlichen Überwachung zu bewirken, hat den Startschuss gegeben für die Entwicklung neuer, „weicherer“ Formen der Überwachung. „Internet Governance“ nennen die „Gesellschaftsklempner von Washington über Moskau bis Peking die Methode, mit der sie versuchen, das weltweite Kommunikationsnetz „sicherer“ und „intelligenter“ zu machen. Dahinter versteckt sich das Bestreben, das Netz zu „balkanisieren, zu zerteilen, in kleine, in überschaubare, kontrollierte Segmente zu zersplittern“, d.h. für die Staatenlenker beherrschbar zu machen.

„Es geht um die Zerstörung eines Werkzeugs , das den alten Machtstrukturen ein schmerzhafter Dorn im Auge ist.“

Ich überspringe hier die wirklich merkwürdige Biografie und die noch merkwürdigeren Umstände seines Datenklaus, der Flucht ins Spionagenest  Honkong und anschließend, als sein Pass bereits gesperrt war, nach Moskau.

Wichtiger ist, was Snowdens Offenbarung folgte.

In Deutschland echauffierte man sich endlos über das abgehörte Handy unserer Kanzlerin. Dabei, das arbeitet Lindhoff exakt heraus, gibt es bei uns  seit Januar 2002 mit der „Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen zur Überwachung der Telekommunikation“ eine juristische Grundlage für Abhörpraktiken.

Mit der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) bei der UNO koordinieren Regierungsvertreter aus aller Welt ihre technische Vorgehensweise bei der Telekommunikationsüberwachung. Innerhalb des amerikanischen Überwachungsprogramms „Echelon“ ist Großbritannien für die Datensammlung in Europa zuständig. (Ob es wohl nach dem Brexit dabei bleiben wird?)

Unbekannt ist das alles nicht. Im Europaparlament wird schon seit den 90er Jahren regelmäßig und umfassend über die Telekommunikationsüberwachung berichtet.

Vor Snowdens Enthüllungen glaubten die meisten Menschen allerdings, nur Terroristen und Schwerkriminelle würden überwacht. Nun ist klar, dass Daten über uns alle gesammelt werden.

Interessant ist Lindhoffs Exkurs nach Silicon Valley. „Die erfolgreichen Protagonisten des Web 2.0 sind schon lange nicht mehr die rebellischen Hacker in den Garagen ihrer Eltern.“ Nach dem Platzen der Dot- Com- Blase rannten die jungen Wilden staatlichen Institutionen, die mit Steuergeldern lockten, förmlich die Türe ein. „…Nach dem 11. September erfand sich das Silicon Valley neu. Es wurde zum Hauptquartier des militärisch- industriellen Komplexes“, zitiert Lindhoff den Journalisten Jeffrey Rosen.

Seit die staatlichen Behörden erkannt haben, dass sie mit dem Entwicklungstempo der Privaten nicht mithalten können, stiegen sie erfolgreich in die Unternehmen ein. So erwarb im Mai 2005 die Beteiligungsgesellschaft Achel Partners mit fast 13 Millionen Facebook- Anteiele. Über Accel- Manager James Breyer ist Facebook nun indirekt mit der von der CIA gegründeten In-Q- Tel verbunden, die „Datensammlung“ als ihr wichtigstes Geschäftsfeld betreibt. Dazu passen die Nutzungsbedingungen bei Facebook: „Für Inhalte wie Fotos und Videos, die unter die Rechte an geistigem Eigentum fallen, gibst Du uns eine nicht- exclusive, übertragbare, unterlizensierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz zur Nutzung jeglicher Inhalte, die du auf oder in Zusammenhang mit Facebook postest. Diese Lizenz endet, wenn du deine Inhalte oder dein Konto löschst, außer diese Inhalte wurden mit andern Nutzen geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.“ Die Lizenz endet also nie. Wer liest schon die Nutzungsbedingungen?

In den USA sind Dienste wie Facebook bereits gesetzlich verpflichtet, Daten ihrer Benutzer an staatliche Ermittlungsbehörden weiterzuleiten. Das ist entscheidend für die digitalen „Haussuchungen“ , von denen der Nutzer erst nach bereits durchgeführter Untersuchung erfährt. Facebook Unternehmensanwälte  waren mit einer Klage gegen diese Praxis gescheitert. Der Befehl an Facebook, Nutzerdaten zu übermitteln kann kein Durchsuchungsbefehl sein, weil Facebook die Nutzerdaten selbst übermittelt. Justizminister Maß hat sich das wohl genau angesehen, denn die von ihm gewünschte Schnüffelei nach „Hassbotschaften“ funktioniert auch so, dass Facebook verpflichtet wurde, solche Botschaften selbst aufzuspüren und zu löschen. Man könnte meinen, der Konzern sei erpresst worden.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es inzwischen möglich ist, dass Roboter, sogenannte „Social Bots“, vollautomatisch Texte verfassen und im Netz auf echte Ereignisse mit echt wirkenden Sprüchen und Parolen reagieren können. Immer mehr dieser Bots sind in den sozialen Netzwerken aktiv. Dass Politiker ihre Mitarbeiter damit beschäftigen, ihnen genehme Botschaften in den sozialen Netzwerken zu verbreiten, ist bekannt, auch, dass man Likes en gros kaufen kann. Aber dass man Gefahr läuft, mit Robotern zu kommunizieren, dürfte für viele Nutzer noch neu sein. Nicht nur theoretisch, sondern technisch  wäre es möglich, dass Bots etliche der  Hassbotschaften produzieren, die Justizminister Maaß oder Anetta Kahane für ihren engagierten Kampf gegen Rechts brauchen. Die russischen Programmierern Wladimir Weselow und Eugene Demchenko simulierten erfolgreich einen 13-jährigen Jungen aus Odessa mit Hang zur Musik von Eninem und zu Meerschweinchen.

Es wird bereits erfolgreich an Programmen für „intelligente Städte“ gearbeitet, die über Daten- Clouds gesteuert werden. Was mit Verkehr, Wasserversorgung, Energienetz beginnt, kann in dem Wunsch nach umfassender sozialer Steuerung enden, wenn es Staaten gelingt, das Netz zu monopolisieren.

Der Wunsch ist da, die Realisierung wird hoffentlich scheitern. „Gleiches Internet für alle“ lautet der süße staatliche Lockruf des   Staates.  Die Frage ist, ob das Netz eine kommerzielle Dienstleistung bleiben soll, die sich aus vielen Leistungen verschiedener Anbieter zusammensetzt , oder ein „öffentliches Gut“ wird. „Doch dass ein staatliches „neutral“ verwaltetes und rationiertes Gut niemals die Bedürfnisse der Menschen befriedigen kann, haben Kollektive zu jeder Zeit und an jedem Ort der Geschichte unzählige Male unter Beweis gestellt.“ Dass es die Herrschenden immer wieder versuchen, ist eine Machtfrage. Niemals ist die Macht der Politik so infrage gestellt worden, wie durch das Internet, das den Einzelnen gegenüber dem Kollektiv stärkt und ihm unabhängige Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Unabhängige Individuen sind aber der Albtraum jeder Regierung, die per se der Meinung sein muss, dass das „Wir“ entscheidet.

In Obama- USA dürfen um der „Netzneutralität“ willen Internet- Provider bereits nicht mehr entscheiden, was mit ihren Diensten geschieht. „Kinderpornos müssen also genauso schnell durch das Internet geleitet werden wie Studienergebnisse der Nuklearforscher am CERN…“

Netzneutralität beschränkt also das Internet, weil die Möglichkeiten des Austauschs begrenzt werden. Das wird noch verschärft, wenn die beabsichtigte Teilung des www gelingen sollte. Unweigerliche Folge: Netzarmut für alle.

Das weltweite Internet macht zentralistische Strukturen und autoritäre Führer obsolet. Deshalb hat es viele Feinde unter denen, die gern die herrschenden Eliten blieben möchten.

Der staatliche Zugriff auf das noch halbwegs freie Netz wächst. Der Widerstand dagegen aber auch. Private sind dabei, neue Netze zu bauen. Lindhoffs Buch endet mit einem Überblick der hoffnungsvollsten Ansätze. Am Ende werden sie erfolgreich sein, denn Innovation und Forscherdrang liegen immer bei den Individuen, niemals in staatlichen Strukturen. Nur wenn es gelingt, die weltweite Vernetzungsmöglichkeit für möglichst viele Marktteilnehmer zu erhalten, wird es eine gute Zukunft mit weiterem Fortschritt und wachsenden Wohlstand für alle geben.



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