Von Gastautorin Annette Heinisch
Es gibt Sätze, deren tieferer Sinn sich erst beim aufmerksamen Zuhören erschließt. Beispielsweise der Satz von Kanzler Olaf Scholz, mit dem er die Frage Gordon Repinskis von „The Pioneer“ in der Bundespressekonferenz zum Thema Cum Ex–Geschäfte der Warbung Bank beantwortet:
„Es gibt keine Erkenntnisse darüber, dass es eine politische Beeinflussung gegeben hat.“ (ab Min. 56:10)
Damit sagt er ausdrücklich nicht, dass es keine Beeinflussung gegeben habe. Er betont lediglich, dass man bisher weder ihm noch dem damaligen Finanzsenator und heutigen Bürgermeister Peter Tschentscher etwas nachweisen konnte. Scholz klingt ohnehin bei Pressekonferenzen häufig wie ein Angeklagter, dem sein Anwalt geraten hat, möglichst wenig zu sagen. Wenn er Fragen mit einem kurzen „Ja“ oder „Nein“ beantwortet, so wäre er damit der Liebling aller Verteidiger.
Er habe alles gesagt, werde dies auch weitere Stunden lang tun, aber es würde nichts dabei herauskommen und nach all der Zeit solle man es auch mal gut sein lassen, so Scholz. Damit ist klar, wie er das Drehbuch für die Anhörung des Cum Ex-Ausschusses in Hamburg entworfen hat.
Diese Einschätzung des Kanzlers ist vor dem Hintergrund der letzten Entwicklungen ein wenig bizarr. Fast könnte man meinen, die Schlinge ziehe sich langsam so bedrohlich zu, dass Scholz die Untersuchung schnellstmöglich beendet sehen will. Immerhin hat man in einem Schließfach seines Parteifreundes, des früheren Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der den einflussreichen Wahlbezirk Hamburg-Mitte vertrat und sich unstreitig in verschiedener Hinsicht für die Warburg Bank stark machte, im Rahmen einer Durchsuchung € 214.800,- gefunden. Der Durchsuchungsbeschluss gegen Kahrs erging wegen des Verdachts auf Begünstigung zur Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den Cum Ex–Geschäften der Warburg Bank. Ein solcher Beschluss ergeht gem. § 102 StPO nur dann, wenn der Ermittlungsrichter nach den ihm vorliegenden Ermittlungsergebnissen überzeugt ist, dass die Durchsuchung verhältnismäßig ist und ein Anfangsverdacht besteht.
Bereits vor zwei Jahren war bekannt geworden, dass die Warburg Bank teils über Tochterfirmen insgesamt € 45.500,- an die SPD spendete, davon € 38.000,- an den Kreisverband Hamburg – Mitte, also exakt den Kreisverband von Johannes Kahrs.
Kahrs hatte sich u. a. für die Treffen des Warburg Bank Gesellschafters Christian Olearius mit dem damaligen Bürgermeister Olaf Scholz stark gemacht. Kurz nach den ersten Treffen hatte sich die Hamburger Finanzverwaltung 2016 dazu entschieden, auf mögliche Steuerrückforderungen in Höhe von 47 Millionen Euro zu verzichten und sie stattdessen in die Verjährung laufen lassen. Ursprünglich war entsprechend der Rechtslage eine Steuerrückforderung geplant, die Warburg Bank hatte davon erfahren, anschließend dann alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Rückforderung zu verhindern.
Im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergibt sich nunmehr der Verdacht, dass wichtige Akten und Mails nicht vorgelegt wurden oder möglicherweise sogar verschwunden sind. Aufgrund des auch durch das Bundesverfassungsgericht bestätigten Grundsatzes der Aktenvollständigkeit (Beschluss BVerfG vom 06. Juni 1983 – 2 BvR 244/83, 2 BvR 310/83 –) dürfen weder Aktenbestandteile noch E-Mails entfernt, vernichtet oder gelöscht werden. Dies wäre eine strafbare Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB). „Cum Scholz“ weiterlesen