… oder: Die Mitte muss stark bleiben!
Von Gastautor Ralf Kellmereit
Die Weimarer Republik wird im Nachgang als die Zeit der „goldenen Zwanziger Jahre“ bezeichnet. In der Tat gab es nach dem Kaiserreich und dem ersten Weltkrieg innovative und positive Impulse in der ersten Deutschen Demokratie und ihrer Gesellschaft, und das trotz der fatalen Folgen des Krieges, dem Großbrand in Europa mit seinen extremen Gewaltausbrüchen. Das wurde möglich durch politische Verblendung (auf allen Seiten!) und Kriegsmaterial aus industrieller Massenproduktion.
Die Weimarer Republik (1918 bis 1933) hatte an den Nachwirkungen des verlorenen Krieges schwer zu tragen: Viele Tote und verletzte oder verkrüppelte Menschen, außerdem ein stark verletztes Ehrgefühl in der Bevölkerung und den Eliten: Die Regierung hatte kapituliert (wegen der Übermacht der Alliierten), obwohl das Deutsche Heer im Felde unbesiegt war, so die Meinung vieler. Dazu kamen die als unerträglich hoch empfundenen Reparationszahlungen als Wiedergutmachung an die ehemaligen Kriegsgegner.
Die direkte Folge waren Hungerjahre, die extreme Inflation 1923 und innenpolitische Unruhen. Nach der Währungsreform 1924 erholte sich Deutschland langsam, in Wirtschaft und Industrie ging es wieder aufwärts. Und gesellschaftlich gab es eben die oben genannten neuen Entwicklungen: Frauen durften zum ersten Mal wählen (seit 1918), aus der Frauenbewegung kamen starke Impulse zur Gleichberechtigung und es gab sogar 1929 schon eine gesetzliche Initiative zur Abschaffung des sogenannten Schwulenparagraphen (was die Nazizeit dann verhindert hat). Das Leben, zumindest in den Städten, wurde aus heutiger Perspektive „moderner“.
So hätte es ja wünschenswerter Weise weitergehen können ….
Leider beendete die Weltwirtschaftskrise Ende der Zwanziger diese positive Entwicklung. Initiiert wurde das durch den Börsencrash in den Vereinigten Staaten. Gier und Spekulation hatten eine Aktienblase geschaffen, die schließlich platzte (Aktien wurden sogar auf Kredit gekauft, weil es ja mit den Kursen immer nur nach oben ging, so die Erwartungshaltung vieler Menschen). Durch die intensive Verbindung Deutschlands mit Amerikas Banken traf dieser Crash auch Deutschland hart. Erneute Hungerjahre und Massenarbeitslosigkeit Anfang der Dreißiger Jahre waren die Folge. Eine negative Entwicklung, die das Hochkommen der Nazis sehr begünstigte. Die Weimarer Republik implodierte nach einiger Zeit, weil die linken und rechten Ränder der Gesellschaft stark anwuchsen, während die Mitte zusammenfiel und schließlich auch kaum jemand mehr bereit war, diese Mitte zu verteidigen.