Drei echte Änderungen, Verbesserungen des bundesdeutschen Wahlrechts

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von Philipp Lengsfeld und Vera Lengsfeld

Das aktuell gültige bundesdeutsche Wahlrecht könnte mit einfacher Mehrheit im Deutschen Bundestag verändert und verbessert werden. Eine simple, aber erschreckende Erkenntnis, denn warum in Drei-Gottes-Namen wurde das deutsche Wahlrecht nicht mal grundlegend verbessert: Trotz Blähbundestag mit 738 Abgeordneten bedingt durch das superkomplizierte Doppelwahlsystem? Bei dem die etablierten Parteivereine und ihre jeweils Unterorganisationen (Bundesverband plus 16 Landesverbände) alles im Griff haben und dafür sorgen, dass die alles entscheidende Nominierung der Kandidatinnen und Kandidaten maximal intransparent im Hinterzimmer erfolgt? Im Hinterzimmer, wo ein Parteifilz ein eigentlich notwendiges Leistungsprinzip fast vollkommen ersetzt hat?

Der 20. Bundestag hat jetzt vom Verfassungsgericht die Möglichkeit bekommen, das Wahlgesetzt für die Wahl zum 21. Bundestag noch mal anzufassen. Und es wäre für unsere Demokratie so wichtig, dass dies endlich passiert.

Leider dreht sich die Diskussion aber wieder um Nebenaspekte. Deshalb hier drei wirkliche Änderungen, Verbesserungen des deutschen Wahlrechts mit durchschlagender Wirkung:

I

Ermöglichung von Bundeslisten

Deutschland ist nicht nur das einzige Land auf der Erde, wo man behauptet, dass Grenzen wahlweise nicht existieren oder nicht gesichert werden können, aber gleichzeitig das Land, was sein Parlament aus momentan 16 Einzelwahlen in den Bundesländern zusammensetzt.

Dieser föderale Wildwuchs kann und muss ein Ende haben: Der Gesetzgeber muss die für die Europawahlen schon notgedrungen akzeptierte Möglichkeit für Bundeslisten explizit ausweisen! Eine politische Liste für das ganze Wahlgebiet – ob in München, Bottrop oder Stendal, überall wählt das Wahlvolk die gleichen Spitzenpersonen für eine Partei, die eine Bundesliste aufstellt.

Gerade für neue politische Kräfte ist die Bildung von 16 funktionsfähigen Landesverbänden eine große und vor allem demokratie-theoretisch völlig unnötige Hürde – das notwendige Angebot einer neuen liberal-konservativen Kraft ist mit einer Bundesliste, 5% entsprechen momentan den Mandatsgewinn für die ersten 30 Plätze, viel besser zu vertreten und auch zu verstehen. Wenn ein regional getuntes „buntes“ Angebot, die beiden „Schwestern“-Parteien CDU und CSU sind hier ja große Traditionsverfechter, tatsächlich für das Wahlvolk attraktiver ist, dann nur zu – wir sind ein freies Land – der Witz an einem Wahlkampf ist ja gerade, dass es ein Kampf ist.

Eine schlagkräftige liberal-konservative neue Kraft würde garantiert eine Bundesliste aufstellen. Bündnis Sahra Wagenknecht sicherlich auch.

II

Ermöglichung von Listenverbünden

Die bundesrepublikanische Parteien- und Wahlgesetzgebung ist eine Wettbewerbsbehinderungsgesetzgebung – es gibt nicht nur die Fünf-Prozent-Hürde und das Parteienprivileg (siehe dazu Punkt 3), sondern auch noch das Verbot von Listenverbünden. Nicht nur zur Volkskammerwahl 1990 (und die hatte nicht mal eine künstlich erhöhte Hürde), sondern auch z.B. zum Brandenburger Landtag kann man als Listenverbund antreten. In der Bundesrepublik momentan nicht.

Dieses wettbewerbliche Instrument brauchen wir dringend! Durch die momentanen Reglungen werden in der Größenordnungen 5-14 Wählerstimmen nicht im Parlament abgebildet!

Bei der Volkskammerwahl 1990 wurde das Instrument übrigens intensiv genutzt: Es gab mehrere Verbünde von Parteien und Organisationen als eine Liste, z.B. Bündnis 90 (Neues Forum, Demokratie Jetzt, Initiative für Frieden und Menschenrechte) oder Grüne Partei + Unabhängiger Frauenverband (Grüne Partei – UFV). Was nicht wahlgesetzlich, aber politisch zusätzlich gemacht wurde, war ein politischer Verbund mehrerer Listen: Bei der Volkskammerwahl hat das Angebot „Allianz für Deutschland“, bestehend aus drei Parteien, die mit drei Listen auf dem Wahlzettel stand, ein politisches Bündnis gebildet. Die drei Parteien CDU, DSU und der Demokratische Aufbruch haben die Wahl überragend gewonnen und bildeten nach der Wahl eine Fraktion.

Eigentlich müsste eine Wahlgesetzgebung, die mit der 5%-Hürde einen starken Filter einbaut, die Möglichkeit von echten Listenverbünden ermöglichen, also eine separate Listung, aber gemeinsame Zählung für das Überwinden der 5%-Hürde, aber das ist vielleicht für die erste Runde zu viel verlangt.

Auch die nachhaltige Verkleinerung des Bundestages über die Reduktion der Wahlkreise und die Nebendiskussion um die Feinheiten des momentanen deutschen Wahlrechts können in Ruhe im neuen Bundestag gemacht werden.

Jetzt erst einmal die einfachen Schritte:

Natürlich ist die Änderung des Wahlgesetzes nur die notwendige, noch nicht die hinreichende Bedingung für den politischen Erfolg neuer Kräfte.

Niemand kann eine WerteUnion (mit oder ohne Bündnis Deutschland) und die Freien Wähler zusammenzwingen – aber es muss doch die gesetzliche Möglichkeit für vernünftiges politisches Handeln geben!

Die aktuelle Gesetzgebung privilegiert das existierende Parteien-Kartell und genau das ist ja auch der Grund, warum die Reglungen immer unter Schutz standen.

III

Aufhebung des Parteienprivilegs

Auch hier war das Wahlgesetz für die Volkskammerwahl 1990 moderner als die momentane Bundesgesetzlage. Gleiches gilt für das Europawahlrecht.

Es gibt keinerlei demokratische Begründung dafür, dass die bundesdeutschen Parteien sich das exklusive Privileg des Antritts zur Wahl zum Deutschen Bundestag gesichert haben und weiter verteidigen. Es sollten auch „andere politische Organisationen“ zur Bundestagswahl antreten dürfen. Auch das macht den Einstieg in die Politik viel leichter. Das schärft den Wettbewerb und das wäre zum Wohle der Demokratie und des Landes.

Alle drei Punkte würden den so wichtigen demokratischen Wettbewerb im Land schärfen, würden die Hürden für die Gründung von Konkurrenzstrukturen erleichtern und vor allem politisch vernünftiges Handeln anreizen. Und damit an die Wurzel des momentanen Elends und der Stagnation gehen.

Alles, was das Land dringend braucht: Christian Lindner und Friedrich Merz: Haben Sie keine Angst vor politischem Wettbewerb, verschanzen sie sich nicht hinter den Sicherungen veralteter Gesetzgebung, lassen sie Worten Taten folgen.

Es braucht nur eine einfache Mehrheit!



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