Von Hubert Geißler
2024 wird für die Bundesrepublik ein interessantes Jahr. Die Landtagswahlen in ostdeutschen Bundesländern und die geplanten Neugründungen von Parteien lassen zumindest in den Länderparlamenten gravierende Veränderungen erwarten. Damit sollte ein Faktor, der für den sogenannten Normalbürger äußerst wichtig ist, ins Zentrum rücken: Die Bildungspolitik.
Bildung und Schule betreffen große Teile der Wählerschaft, und dass es mit beiden bergab geht, braucht wohl nicht mehr ausführlich erörtert zu werden. Die Veröffentlichungen der jüngsten Studien sprechen eine eindeutige Sprache. Bildung und Schule sind andererseits aber das Gebiet der Politik, wo die Länderparlamente wirklich noch etwas zu sagen haben, während der Bund so wenig Einfluss hat, dass der umtriebige Markus Krall schlichtweg die Abschaffung des Bundesministeriums vorschlug.
Während aber die Positionen z.B. der AfD zur Migration sehr prononciert und auch wohl allgemein bekannt sind, dürften die Vorstellungen der Wählerschaft zur Programmatik der “Blauen”, was den Bildungsbereich anbelangt, eher diffus sein. Ich vermute sogar, dass die Programmatik selbst diffus ist, nicht nur so scheint.
Schauen wir uns das Parteiprogramm an. (Originalzitate Parteiprogramm AFD)
Unser Schulsystem: Stark durch Differenzierung.
Schüler haben unterschiedliche Begabungen und Bedürfnisse. Deshalb lehnt die AfD alle Arten von Gesamt- oder Einheitsschulen ab. Wir wollen das bewährte differenzierte Schulsystem erhalten. Unsere Kinder haben ein Recht darauf, in einem nach oben und unten durchlässigen Schulsystem Erfolge, aber auch Niederlagen erfahren zu können.
Im Einzelnen fordert das Programm:
– Statt der sogenannten “Kompetenzen” müssen an den Oberschulen wieder Bildungsinhalte im Mittelpunkt eines vom Fachlehrer geleiteten Unterrichts stehen. – Wir wollen, dass an unseren Schulen wieder Leistung und Disziplin einziehen.
– Die Wahlfreiheit zwischen Halbtags- und Ganztagsklassen muss erhalten bleiben.
– Die duale Ausbildung in Unternehmen und staatlichen Berufsschulen ist ein Erfolgsmodell. Berufliche Fach- und Meisterschulen müssen als tragende Säulen der beruflichen Bildung und des lebenslangen Lernens erhalten und gestärkt werden.
– Eine einseitige Hervorhebung der Homo- und Transsexualität lehnen wir ebenso entschieden ab wie die ideologische Beeinflussung durch das “Gender-Mainstreaming”.
– Wir wollen keine ideologisch motivierte Inklusion “um jeden Preis”. Die AfD setzt sich für den Erhalt der Förder- und Sonderschulen ein.
– Ebenso fordert die AfD, keine Frühsexualisierung in Krippen, Kindergärten und an den Schulen zuzulassen und die Verunsicherung der Kinder in Bezug auf ihre sexuelle Identität einzustellen.
– Die AfD lehnt Geschlechterquoten im Studium oder in der Arbeitswelt generell ab, da Quoten leistungsfeindlich und ungerecht sind und andere Benachteiligungen schaffen.
Abgesehen von den letzten vier Punkten wirkt das Programm seltsam unscharf und dürfte sich von den “Wünschen” der anderen Parteien nur geringfügig abheben. Wer wäre schon gegen Disziplin, Leistung und lebenslanges Lernen? Man kann vermuten, dass die Marschrichtung eher zurück ins dreigliedrige Schulsystem geht oder gar einen Rollback beabsichtigt. Gesagt wird, man halte am Humboldtschen Bildungsideal fest, was das aber genau heißt (Altgriechisch als erste Fremdsprache?) wird nicht genauer ausgeführt. Und Disziplin? Karzerneubauten neben den Heizungskellern. Wie soll das gehen, nach jahrzehntelanger einseitiger Stärkung von Eltern- und Schülerrechten und nachdem Lehrer eher zu Prügelknaben eines defekten Systems geworden sind.
Grundsätzlich scheint eine Kehrtwende zurück nicht falsch zu sein, aber wie wäre sie machbar? Und sie könnte gemacht werden, entsprechende Wahlergebnisse vorausgesetzt. Zumindest könnte sie medienwirksam in den Parlamenten gefordert werden.
Die Erfolgserwartungen von Eltern und Schülern sind heutzutage hoch und spiegeln sich in immer besseren Noten, denen keine entsprechenden Leistungen gegenüberstehen. Abitur bedeutet im Grunde nicht mehr unbedingt Studierfähigkeit, aber ich möchte hier das allgemeine Lamento nicht wiederholen. Was wäre denn zu tun angesichts der Schwerfälligkeit eines beamteten Apparates, der sicher auch nicht die personellen Voraussetzungen für eine konservative Bildungsrevolution bietet?
Mir fallen zwei Vorschläge ein: Das bestehende System zu ändern dürfte schwierig sein oder dauern. Aber wie wäre es mit der Einführung einer Art von Elite-Schulen über dem Gymnasium? Schulen für vielleicht die 10 % der leistungswilligen und leistungsbereiten Schülerschaft, die überhaupt noch zu einem eher traditionellen Lernverhalten oder klassischer Disziplin willens und in der Lage sind. Ein Vorbild könnte, wie in wo vielem, das Schweizer System sein. Das bestehende renovieren – schwer? Ein Neubau dagegen – durchaus möglich. Ein Erfolg dieser Idee könnte auch mittelfristig die Situation im dann folgenden Mittelbau verändern.
Der zweite Vorschlag richtet sich eher an Haupt- oder Realschulen. Diese umfassen in ihren oberen Klassen doch die Jahrgänge, die stark vom pubertären Persönlichkeitsumbau betroffen sind. Meiner Erfahrung nach sind sie, sagen wir es so, nicht ohne Weiteres regulär beschulbar. Warum nicht in Kooperation mit lokalen Betrieben einfach ein Jahr aussetzen und die Kids in die Praxis schicken? Ich könnte mir vorstellen, dass das eine wertvolle Erfahrung wäre, die später auch das Unterrichten wieder leichter macht. Vielleicht wüssten die Schüler dann, wohin ihre Interessen gehen und wären froh, wieder die Schulbank drücken zu können. Erfahrungen im handwerklichen Bereich, der dringend Nachwuchs sucht, könnten auch einige Schüler zu einer derartigen Ausbildung motivieren.
Details dieser kurz skizzierten Vorschläge müssten natürlich ausgearbeitet werden. Aber die skizzierten Ideen wären doch eine massivere Reform einer Misere, die mit mehr Digitalisierung und mehr Sozialpädagogik nicht zu retten sein wird. Mein Wort also in die Ohren konservativer Bildungspolitiker. Und auf Meinungen dazu bin ich gespannt.