Im Vorfeld hatte es leichte Zweifel gegeben, ob sich das Interesse an der gefühlt »tausendsten« »Rössl-Produktion« vielleicht in Grenzen halten könnte. Aber die Inszenierung von Operndirektor Prins, der sich für die rekonstruierte Originalfassung entschieden hatte, ist grandios. Wie von der Pressebeauftragten Renate Liedtke versrochen „ganz besonders frisch, ironisch und frech“. Großen Anteil daran hat die Mitarbeit von Andreas Simma, der 12 Jahre für das Théâtre du Soleil unter der Direktion von Ariane Mnouchkine gearbeitet hat und wurde als künstlerischer Mitarbeiter ins Team geholt wurde. Im Sommer hatte sich Simma mit der Inszenierung einer spritzigen »Magd als Herrin« bei den Thüringer Schlossfestspielen auf der Theaterwiese große Aufmerksamkeit verschafft.
Ich gebe zu, dass ich mit einiger Skepsis in die Vorstellung ging, denn ich war bisher kein Fan von Singspielen. Aber dieses von Benjamin Prins so genannte »Riesensingspielrevuepotpourri« belehrte mich eines Besseren. Ich war ganz schnell gefesselt.
Das Bühnenbild von Birte Wallbaum „ironisiert kitschpostkartenhaft“ den Sehnsuchtsort Salzkammergut. Die Kostüme von Anja Schulz-Hentrichs sind eine »Trachtenfantasie in hellblau«. (Renate Liedke) Was sich in dieser Kulisse abspielt, ist ein Riesenspaß. Das Publikum ist sichtbar glücklich, den täglich drückender werdenden Alltagssorgen einmal entrinnen zu können. Manfred Grund, der Inhaber des örtlichen Bundestagswahlkreises bekennt in der Pause, Lachtränen in den Augen gehabt zu haben. Das ist schon etwas, wo Politiker heutzutage nicht viel zu lachen haben.
Auf der Bühne beweisen die Darsteller, dass sie wirklich alles können. Der verliebte Zahlkellner Leopold wird von Marian Kalus gegeben, den man in diesem Jahr bei den Schlossfestspielen Sondershausen als Dr. Schiwago bewundern konnte. Er überzeugt souverän, auch wenn Leopold eine Art Anti-Schiwago ist. Yuval Oren, die Tonia in „Schiwago“ und die Susanna in „Figaros Hochzeit“ ist hier ein hinreißendes, schüchternes Klärchen mit erstaunlichen schauspielerischen und akrobatischen Fähigkeiten. Figaro Florian Tavić gibt den eleganten Rechtsanwalt Dr. Siedler. Allein die Tanznummern, die er mit Maxi Sophie Mader als Ottilie hinlegt, sind ein Augenschmaus. Zinzi Frohwein überzeugt als emanzipierte Wirtin Josepha. Aber besonders köstlich ist Thomas Kohl als Wilhelm Giesecke. Seine Versuche, den Schuhplattler zu erlernen, riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Übertroffen wurde das nur von Kyounghan Seo, der als Sigismund Sülzheimer mit dem Finale von Nessun dorma auf die Bühne schwebte, wo zwar nicht Turandot, sondern Klärchen auf ihn wartete. Kurz darauf brillierte er mit dem Gassenhauer „Was kann der Sigismund dafür, dass er so schön ist“. Der Ohrwurm begleitete mich tagelang.
Ehe ich genervt sein konnte, dass die Kathi von einem Mann gespielt wurde, war ich von Michael Schober hingerissen. Last not least trug Andreas Simma, der Vespone aus „Die Magd als Herrin“ diesmal als Gustl erheblich zum Erfolg des zwar 2 Stunden 30 Minuten langen, aber kurzweiligen Stückes bei.
Nicht nur die Sänger waren klasse, auch das Ballett konnte zeigen, was es kann, dank der Idee, die Szenen durch Tänze zu spiegeln.
Im wie immer hervorragenden Programmheft findet sich die Interessante Geschichte des Singspiels, dessen Schöpfer fast alle vor den Nazis fliehen mussten. Es wurde als „entartet“ von den Nazis verboten und erst nach dem Sturz des Regimes wieder aufgenommen, allerdings verändert zu einer „seichten Heimatoperette. Um so größer ist das Verdienst von Prins, uns die Originalfassung zugänglich gemacht zu haben.
Wer sich und seinen Liebsten etwas Gutes tun will, sollte sich nach Nordhausen aufmachen. Es lohnt sich, versprochen.
Nächste Vorstellungen im Dezember: 10., 15. 30. – 19.30, 31. 15.00 und 19.30
In diesem Jahr gibt es nur noch am 15. Restkarten. Die anderen Vorstellungen sind bereits ausverkauft.