Von Gastautorin Dagmar Jestrzemski
Los Angeles, Kalifornien, Ende der 1970er Jahre: Im Saal eines Luxushotels sitzt ein schwerreiches, vornehmes Publikum an den Tischen und lauscht der Rede des Senators Charles Stratton. Dieser beschreibt die „schwierige wirtschaftliche Lage“, in der sich das Land befindet. Gemeint waren die Auswirkungen des arabischen Ölembargos von 1973. In der Folge war es zu Energiesparmaßnahmen und Preissteigerungen in Kalifornien und landesweit gekommen, was die oberen Zehntausend geschockt und den Bürgern der USA die verhängnisvolle Abhängigkeit der USA von den Ölimporten aus dem Nahen Osten vor Augen geführt hatte. Die gesellschaftlichen Eliten befürchteten eine ständige Verknappung des Öls auf dem Weltmarkt. Stratton schwört das Publikum auf grundlegende Änderungen ein: „In Zeiten wirtschaftlicher Einschränkungen sind es die Privilegierten, die den anderen vorausgehen sollten, sozusagen als Wegbereiter für eine neue Zeit! Wir verfügen über die technologischen Mittel und das Wissen, um unser geliebtes Vaterland aus dem Würgegriff der fossilen Treibstoffe zu befreien.“
Ja – so wie im Film „American Gigolo“ von 1980 (deutscher Titel „Ein Mann für gewissen Stunden, mit Richard Gere in der Hauptrolle), so muss es sich seinerzeit abgespielt haben! So wie im Film werden damals in Kalifornien infolge der Ölkrise der 70er Jahre die Pläne für eine sukzessive Umstellung der Energieversorgung von nahezu ausschließlich fossilen Energiequellen auf eine Stromproduktion durch mehr sogenannte erneuerbare Energien (EE) geschmiedet worden sein. Kalifornien wurde Vorreiter für die USA. Mit der Filmfigur des Senators Stratton spielte der Regisseur Paul Schrader auf den kalifornischen Gouverneur Jerry Brown und seine radikale energiepolitische Wende an. Brown gilt als Wegbereiter der „clean energy revolution“ in Kalifornien. Obwohl Demokrat, behielt Brown während seiner Amtszeit von 1975 bis 1983 eine fiskalpolitisch neoliberale Ausrichtung bei. Wer dem Ursprung der großtechnischen Anwendung und des forcierten Ausbaus von Windkraft und Photovoltaik (PV) nachforschen möchte, halte sich an den bewährten Spruch: Folge der Spur des Geldes. Brown verstand, dass die Pläne für die Einführung der Strom- und Kraftstoffgewinnung aus alternativen Energiequellen in den Ohren der Ölmagnaten und Superreichen unerhört klingen mussten. Derartige Pläne waren aber nur mit Akzeptanz großer Teile der wohlhabenden Eliten und mit deren Zuversicht durchführbar, auch aus den EE einträgliche Gewinne zu ziehen. Jahrzehntelang hatte die privilegierte Oberschicht ihre Vermögen stetig wachsen sehen. Während der Ölkrise wurden jedoch erhebliche Verluste verzeichnet. Das Wirtschaftswachstum der USA schrumpfte wegen der hohen Staatsverschuldung und wegen des Vietnamkriegs, während Arbeitslosigkeit und Inflation stiegen. Unterdessen entwickelte die NASA erste Modellanalysen, um die Leistung von Windkraftanlagen durch den Entzug von kinetischer Energie bei hohen Windstärken zu berechnen.
Mit Appellen an den Patriotismus und mit kolossalen Steuergeschenken von 55 Prozent im Gegenzug für Investments in Windkraft, Solarenergie, Geothermie und Biomasse holte Brown Reiche und Energiekonzerne mit ins Boot. Sein Steuersparmodell lief erst 2012 aus. Ergänzend dazu wurde in den USA 1978 mit dem Public Utility Regulatory Policies Act (PURPA) ein staatliches Programm zur Förderung dezentraler Stromnetze auf Grundlage „regenerativer Energien“ auf den Weg gebracht. Infolgedessen gab Kalifornien als erster Staat der USA den Anstoß zum Ausbau der Windenergie, beginnend mit 10 MW im Jahr 1981 bis auf 20,5 GW Anfang 2023. Seither genießen die Profiteure der Energiewende via Politik diese Art der Umverteilung von Vermögen in die eigenen Taschen.
Neben der Verringerung der Luftverschmutzung in Los Angeles war in den Pionierländern der Windkraftnutzung Kalifornien, Dänemark und Deutschland die Erkenntnis der Endlichkeit vieler natürlicher Ressourcen ein zentraler Auslöser für deren Etablierung. Browns vorrangige Motivation für die neue Energiepolitik aber war eine Reduzierung der Energieabhängigkeit der Vereinigten Staaten von Ölimporten. Die Schlagworte Klimaschutz, Klimaziele, CO2-Neutralität und Net-Zero waren noch nicht in der Welt, geschweige denn an der Tagesordnung, als das Browns Steuersparmodell in Kalifornien bereits jahrelang betrieben wurde. Erst in den 90er Jahren wurde die Idee des Klimaschutzes durch Einsparung von CO2-Emissionen als Argument für einen forcierten weltweiten Ausbau der EE verkündet. Als Urheber dieser Weisung gilt der Weltklimarat IPCC, gegründet 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Die historische Bezeichnung „erneuerbare Energien“ übertrug das IPCC auf moderne Technologien und Dimensionen einer Stromerzeugung aus Wind und Licht, die Ende des 19. Jahrhunderts, als der Begriff in den USA geläufig wurde, fernab jeglichen Vorstellungsvermögens waren. Damit erhob das IPCC den physikalischen Unsinn in der Bezeichnung „erneuerbare Energien“ zu einer Art von neuer physikalischer Wahrheit und setzte sich über die Gesetze der Thermodynamik und der Strömungslehre hinweg, als seien diese ausgehebelt. Dieser Trick ist vergleichbar mit der Schaffung von Sonderhaushalten bei der Finanzplanung in der Politik. Wie nicht anders zu erwarten, traten in den Regionen mit starkem Windenergie-Ausbau Veränderungen der Wetter- und Klimasysteme in Erscheinung. Die Wetterextreme, anhaltende Dürren, stark reduzierte oder extreme Niederschläge, entsprechen erschreckend genau den Erkenntnissen Dutzender hochkarätiger wissenschaftlicher Studien. Vergleichende Beobachtungen stützen die Studien. Vor kontinentübergreifenden und möglicherweise irreversiblen Veränderungen der Klimasysteme infolge des Entzugs von kinetischer Energie durch ausgedehnte Windparks warnte bereits 2004 der spätere Harvardprofessor David W. Keith in seiner ersten Studie mit dem Titel „The influence of large-scale wind power on global climate“.
Nach dem Segen durch das IPCC begann das Geschäftsmodell der Windkraft und mit einigem Verzug auch die PV zu florieren. Dabei war unbedingt mit schwerwiegenden meteorologischen Auswirkungen infolge eines exponentiellen Ausbaus der EE zu rechnen. 1961 hatte Edward Lorenz den Schmetterlingseffekt in die Chaostheorie eingebracht und damit bestätigt: In den Naturwissenschaften gilt das Prinzip der Kausalität – aus gleichen Ursachen entstehen gleiche Wirkungen. In Kalifornien beschleunigte sich seit den 90er Jahren die Erwärmung merklich. Anfang der 2000er Jahre stellten sich von Kalifornien bis Oregon jahrelang anhaltende Dürren und zunehmende Wassernot ein, was wiederum ungeprüft auf „den Klimawandel“ zurückgeführt wird. Oregon wird in immer größeren Gebieten zur Wüste.
„Das reichste Land der Erde ist auch reich an Armut. USA: Krieg gegen die Armen“, titelte der SPIEGEL am 9. Januar 1983. Am Zustand der extremen sozialen Spaltung in dem nach Höhe des Bruttoinlandsprodukts reichsten Land der Welt hat sich bekanntlich nichts geändert. Nicht zuletzt sind die gesellschaftlichen Verwerfungen der permanenten staatlichen Förderung der EE geschuldet. Trotz der hohen Staatsverschuldung der USA werden weiterhin gigantische Summen an den grünen Sektor und seine Verbündeten wie Banken, Energiekonzerne, Investoren und Fonds umverteilt, Gelder, die für notwendige Infrastrukturmaßnahmen fehlen und direkt für die Bekämpfung der Armut im Land. So verlängerte der US-Kongress Anfang Januar 2021 die Laufzeit zweier Förderprogramme für Erneuerbare-Energien-Projekte. Präsident Bidens neues billionenschweres Infrastrukturpaket „American Inflation Reduction Act“ (AIR) knüpft direkt daran an. Ohne staatliche Finanzierung wäre die Stromerzeugung durch immer mehr und immer größere Wind- und Solarindustrieanlagen, welche die Ökosysteme mit ihren Lebewesen an Land und im Meer immer stärker verletzen und die Atmosphäre künstlich aufheizen, jede einzelne Anlage von gigantischen Ausmaßen und gewaltigem Rohstoffbedarf bei unverhältnismäßig kurzer Nutzungsdauer, völlig unwirtschaftlich, nicht zuletzt im Hinblick auf das verdrängten Recyclingproblem. Was als preiswert und klimafreundlich angepriesen und den Bürgern aufoktroyiert wird, hat sich als klima- und umweltschädlich und sehr teuer erwiesen.
Mit der vom IPCC eingeforderten Net-Zero-Politik wurde genau das Gegenteil von dem erreicht, was behauptet wird. Dieses Handeln gleicht einem kollektiven Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Die Verantwortlichen des IPCC sollten für ihre Insinuierung einer schadlosen Gewinnung von Energie aus dem Nichts zur Rechenschaft gezogen werden. In diesem „Nichts“ arbeitet ein biogeochemisches Kraftwerk an der Funktion der Wasserkreisläufe im System Erde/Atmosphäre. „Wenn wir als Menschen hier eingreifen, um uns das Leben leichter oder bequemer zu machen, indem wir die ,erneuerbare Energie‘ nutzen, verändern wir die bisherigen natürlichen Arbeitsprozesse. Der veränderte Arbeitsprozess ist nicht erneuerbar oder umkehrbar. Die Arbeit, die gestern gemacht wurde, wird nicht in der Nacht annulliert, sondern die Zustandsänderung ist unumkehrbar.“ Diese Warnung erteilt der vielfach ausgezeichnete Diplomingenieur und Energieberater Jürgen A. Weigl aus Graz. Es ist durchaus möglich, dass unterrichtete Kreise vor einer Abkehr von der Net-Zero-Politik allein deshalb warnen, weil daraufhin ein Kollaps der Finanzmärkte erfolgen könnte. Investitionen nach vermeintlich sozial-ökonomischen Kriterien sind eine tragende Säule des global vernetzten Finanzsystems. Diese Investitionen werden durch Bewertungssysteme für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social, and Governance, ESG) getriggert. ESG ist das wohl größte und wirkmächtigste Wirtschaftskartell in der Geschichte des globalen Finanzkapitalismus. Sein Erfolg beruht auf der raffiniertesten Lüge in der Menschheitsgeschichte: dass sie über den Schlüssel zur Rettung des Planeten verfügen würden. ESG verschafft den Geldanlegern jedoch keine realistische Orientierung und verstärkt immer mehr die neokoloniale Ausbeutung der Länder des globalen Südens. Erste Anzeichen deuten darauf hin, dass sich diese Erkenntnis allmählich durchsetzen könnte.
Dieser Text erschien zuerst auf paz.de