Von Gastautor Lothar W. Pawliczak
In Berlin wurden am 13. September 2022 die philosophischen Werke von Peter Ruben in vier Bänden präsentiert.
Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre kannte in der DDR wohl jeder Wissenschaftler vom Fach – egal, ob Anhänger oder Gegner – Peter Ruben, dem damals Abweichung vom Marxismus vorgeworfen und der deswegen gemaßregelt wurde. Heutzutage sind Name und Werk von Peter Ruben in der Philosophenzunft vermutlich weitgehend unbekannt. Das sollte sich ändern und die Publikation seiner gesammelten Werke ist ein wichtiger Beitrag dazu.
Peter Ruben entwickelte einen umfassenden philosophischen Ansatz zum Verhältnis von Philosophie und Einzelwissenschaften, was man als seine erste Schaffensphase bezeichnen könnte (dokumentiert vor allem im Bad 1 der Werkausgabe), dann eine Interpretation der Marxschen Ökonomie, die sie von der moralischen Empörung auf den Boden elementarer Tatsachen bringt (dokumentiert vor allem im Band 2).
Im Meinungskampf um die Deutung der Ereignisse in der DDR 1989 dürfte seine Interpretation des Zusammenbruchs des „realen Sozialismus“ von Interesse sein (Über den Platz der DDR in der deutschen Geschichte, in Band 2, Seite 426-515; als PdF hier.): Es war ein Krisenereignis im weltwirtschaftlichen Konjunkturverlauf. Der Aufstieg des Sowjetimperiums ab den 1930er Jahren, seine Ausdehnung auf Osteuropa, schließlich dessen Stagnation und Verfall kann mit der Konjunkturtheorie von Nikolai Dmitrijewitsch Kondratjew und Joseph A. Schumpeter als Aufschwungs- und darauf folgende Niedergangsphase gedeutet werden, die 1989/90 ihr Ende fand. Daraus läßt sich auch schlußfolgern: Wir erlebten bis etwa 2016 die Aufschwungphase eines neuen, etwa 55jährigen Zyklus, befinden uns derzeit in der Abschwungphase, die wohl Anfang der 2040er Jahren ihren Tiefpunkt erreichen wird.
Peter Rubens Schriften sind keine leichte Kost. Ich rate, das Einlesen mit dem Text Was bleibt von Marx‘ ökonomischer Theorie? (in Band 2, Seite 384–425; als PdF hier.) zu beginnen. Peter Ruben geht von Marx aus, kommt aber zu einer Marxkritik, die vom Marxismus welcher Spielart auch immer nur wenig übrig läßt: „It’s the economy, stupid!“ Jenseits aller ideologischen Wertung liefert Peter Ruben einen meßtheoretischen Ansatz für die ökonomische Analyse und Theorie (Vom Problem der ökonomischen Messung und seiner möglichen Lösung. In Band 2, Seite 342-362, als PdF hier.).
Peter Ruben: Gesammelte Philosophische Schriften hg. von Ulrich Hedtke und Camilla Warnke in Verbindung mit Karl Benne. Band 1: Zu den Philosophischen Grundlagen, 784 Seiten, ISBN 978-3-89793-335-4; Band 2: Zu philosophischen Fragen von Wirtschaft und Gesellschaft, 672 Seiten, ISBN 978-3-89793-336-1; Band 3: Zu philosophischen Fragen der Naturwissenschaften. Zur Geschichte der Philosophie, 474 Seiten, ISBN 978-3-89793-337-8, Band 4: Peter Ruben und Camilla Warnke: Zum philosophischen Denken in der DDR, 466 Seiten, ISBN 978-3-89793-338-5. Berlin: Verlag am Park 2022.
Es wird auch eine E-Book-Ausgabe geben Ein Text aus Anlaß der Peter-Ruben-Werkausgabe ist im Blättchen erschienen, eine Rezension wird im nächsten Philosophischen Jahrbuch, eine in den Weimarer Beiträgen erscheinen. Weitere Rezensionen sind in Vorbereitung.