Die Trauminsel Kuramathi liegt im Rasdhoo-Atoll. Die kleinere Nachbarinsel, nur 10 Bootsminuten entfernt, beherbergt die „Hauptstadt“ des Atolls. Die Gäste von Kuramathi können Rasdhoo besuchen. Es gibt täglich eine Exkursion dorthin.
Ich entschied mich am vorletzten Tag, diese Insel zu besuchen. Mein Sohn begleitete mich, obwohl er schon mehrmals dagewesen war.
Vor der Fahrt bekamen wir einen Plan in die Hand gedrückt, auf dem alle „Sehenswürdigkeiten“ der Insel verzeichnet waren. Wir wurden darauf vorbereitet, dass es ein nicht zu übersehendes Müllproblem gibt. Besonders hervorgehoben wurden die zwei „Einkaufsstraßen“ mit Shops für die Touristen.
Im Gegensatz zum mit üppiger Vegetation versehenen Kuramathi ist Rasdhoo fast baumlos. Nur am Strand haben ein paar Palmen und Gestrüpp überlebt. Die Häuser, die nach muslimischer Sitte zur Straße hin fensterlos sind, stehen voll in der Sonne. Die unterschiedlichen Farben, ein Lehmgelb oder Hellblau, weisen darauf hin, welche Partei die Familie wählt. An manchen Fassaden sind auch Listen mit den Namen der Abgeordneten aufgemalt und mit einem Häkchen versehen, um zu demonstrieren, wen man gewählt hat.
Die Insel ist winzig, kleiner als Kuramathi. Wir brauchen fünf Minuten, um vom Hafen auf die andere Seite zu kommen. In der Länge sind es kaum mehr als 15 Gehminuten.
Direkt am Hafen steht das gläserne Regierungsgebäude, kaum größer als ein Zweifamilienhaus. Wir kommen am Krankenhaus und an der Schule für die knapp 1500 Einwohner vorbei.
Auf der anderen Seite hat am Ende der Straße ein junger Künstler vor seinem Grundstück einen Holzkiosk errichtet, in dem er seine Malereien auf Papier und Kokosnuss anbietet. Neben ihm steht eine unverschleierte blonde junge Frau aus der Slowakei, wie wir erfahren. Sie ist seit anderthalb Jahren hier und hat nicht die Absicht, bald nach Europa zurückzukehren. Ich kaufe drei Miniaturmalereien mit Ansichten vom Atoll und Kuramathi für zehn Dollar. Auf der Rückseite der postkartengroßen Bilder ist ein Porträt des Künstlers abgedruckt. Wir dürfen in seinen Hof schauen, in dem eine Palme etwas Schatten wirft.
Vor elf Jahren hatte mein Sohn einen anderen Künstler, Hassan, kennengelernt, der seine Karriere mit dem Verkauf seiner Bilder gestartet hat. Hassan war es auch, der meinen Sohn über die Bedeutung der Fassadenfarben und der Inschriften aufgeklärt hat. Heute ist er der reichste Mann der Insel und Besitzer des größten Hotels.
Die „Einkaufsstraßen“ sind unbefestigt und voller Pfützen. An den Läden merkt man, wie lange die Besitzer im Geschäft sind. Von bescheidener Ausstattung bis hin zu kleinen eleganten Showrooms reicht die Palette. Im Angebot sind neben dem einheimischen Touristenkitsch aus Kokosnuss, Muscheln und Korallen auch sehr gute künstlerische Arbeiten aus Holz. Leider auch große Korallen, vor deren Kauf wir im Eco-Center gewarnt wurden.
Meine Enkeltochter will unbedingt eine Schildkröte aus Holz, ich erwerbe für meine Sammlung ein Holzkästchen und eine Schale aus Kokosnuss, die mit einem Muster aus Zimtrinde beklebt ist und nach Zimt duftet. Mein Sohn ersteht eine schöne Handtasche für seine Frau.
Wir gehen auch in einen Lebensmittelladen für die Einheimischen. Im Gegensatz zu den Touristenläden muss man die Schuhe draußen lassen. Hier landen die westlichen Massenprodukte, einheimisch sind nur die Bananen. Meine Enkeltochter wird wieder beschenkt. Wir lassen dafür zwei Euro da. Später erfahren wir, dass man mit Geldstücken nichts anfangen kann. Da sind wir schon in einer Straße, wo die Touristen nicht mehr hinkommen.
In einem bescheidenen Café probieren wir uns durch das heimische Angebot, Teigtaschen unterschiedlicher Größe mit verschiedenen Füllungen, die sehr scharf waren und sehr gut schmeckten. Als Dessert eine Art Eierschecke, die nicht so süß war, wie befürchtet, sondern einfach köstlich.
Nach der internationalen Kuramathi-Küche war ich froh, die einheimischen Gerichte kennenzulernen. Leider war unsere Zeit schon fast um. Unser Aufenthalt war auf eine Stunde beschränkt. Vor dem Café saßen drei alte Männer auf einer Bank, die uns ihre Freude darüber ausdrückten, dass wir bei ihnen eingekehrt waren.
Auf dem Weg zum Boot begegneten uns ein paar Mopeds, die von jungen Männern gefahren wurden. Man braucht kein Fahrzeug auf einer Insel, in der man innerhalb von zehn Minuten alles zu Fuß erreichen kann. Die Mopeds sind reine Prestigeobjekte. Zwei Mädchen, im Alter meiner Enkeltochter, denen wir begegneten, waren sehr schön herausgeputzt, wie kleine Prinzessinnen. Ich traute mich nicht, sie zu fotografieren. Eine Jugendliche war verschleiert, aber in knallengen Hosen. Am Hafen dann drei alte Frauen, tief verschleiert.
Der Müll, vor dem wir gewarnt worden waren, liegt tatsächlich überall herum. Es soll eine Müllinsel im Atoll geben, aber die wird offensichtlich nur selten angefahren.
Rasdhoo ist eine wohlhabendere Insel, wird auch von Kuramathi unterstützt, aber die Armut ist dennoch beherrschend.
Es kommen trotzdem Urlauber hierher, die vielleicht die Preise von Kuramathi nicht bezahlen wollen, aber die müssen schon hart im Nehmen sein.
Ich war einerseits froh wieder in Kuramathi zu sein, andererseits sehr nachdenklich und betroffen über den schreienden Gegensatz.
Einerseits haben Hassan und andere eindeutig vom Tourismus profitiert und es zu Wohlstand gebracht, andererseits ist die Armut immer noch himmelschreiend. Das gebiert die politischen Spannungen, von denen die Malediven heimgesucht werden und deren Ausgang unklar ist.
Besucht Kuramathi, solange es noch möglich ist…
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