Die CDU hat keine Argumente zur Fortsetzung der Kooperationsverweigerung

Veröffentlicht am

von Philipp Lengsfeld

Das RTL Quadrell hat es noch mal für alle offensichtlich gemacht: Es gibt keinerlei gute Argumente für die Fortsetzung des Kooperationsverbots zwischen CDU und AfD („Brandmauer“).

Gehen wir die vier „Argumente“ noch mal durch:

#1

Angeblich würde die deutsche Geschichte erzwingen, dass „demokratische“ Parteien nicht mit „rechten“ Kräften kooperieren dürften. Ich habe dieses „Argument“ nie verstanden, denn wenn die AfD eine Gefährdung für die deutsche Demokratie wäre, muss sie verboten werden.
Den halbgewalkten „aber Höcke oder Gauland oder XYZ haben vor 5 oder 7 Jahren mal dies oder was wirklich Schlimmes gesagt“-Dauersound ertrage ich schon länger nicht mehr. Seit die Genossen Lars Klingbeil und Heidi Reichinnek gefühlt täglich die „alles Nazis“-Keule schwingen, kann man nur noch den Kopf schütteln. Mit der Realität der Weidel-Chrupalla-AfD (auch anderer Kader der zweiten Reihe) hat dies reinweg nichts zu tun. Mit der Programmatik sowieso nicht – der AfD-Verbotsantrag fällt unter die parlamentarische Diskontinuität und wird nach Sonntag dem medialen damnatio memoriae, dem Totalvergessen überantwortet werden.

#2

Eine „Kooperation“ würde die CDU „zerreißen“ – ich kann mir kaum ein falscheres Argument vorstellen. Selbst wenn man konzedieren würde, dass die CDU unter irgendeinem politischen Bestandsschutz stehen muss, was ich definitiv nicht tue (siehe #3), so wäre dieses „das zerreißt die Partei“ sowohl eine falsche Befürchtung als auch Hoffnung. In der Staatspartei CDU ist noch nie etwas „zerrissen“, wenn es ums Regieren und um Verantwortung und damit natürlich auch um „Macht“ und Posten ging.
Vielleicht wird es Austritte geben, aber das Bonner-Republik-Mitglieder-Partei-Modell muss in jedem Fallee reformiert werden – es ist jedenfalls nicht so, dass selbst ein substantieller Mitgliederverlust (den ich überhaupt nicht sehe), auch nur irgendetwas im Machtgefüge der CDU verändern würde – eher im Gegenteil. In der CDU zählt am Ende doch das politische Kerngeschäft und das läuft über Wählerstimmen, Mandate und Regierungsverantwortung.

#3

Ist mein persönlicher Favorit: „Die AfD will uns vernichten“ (Friedrich Merz). Ja, lieber Herr Vorsitzender und Kanzlerkandidat: Hat ihnen noch nie jemand gesagt, dass Wettbewerb auch in der Politik ein Kampf um Stimmen ist? Und dass es da keinen Bestandsschutz für gut etablierte Regierungsparteimarken gibt? Die CDU kann nur durch die Wählerinnen und Wähler „vernichtet“ werden. Der Souverän entscheidet über das politische Schicksal jeder politischen Kraft, auch der CDU.

Der AfD vorzuhalten, dass sie im Wahlkampf anderen Parteien Stimmen abjagen will, ist als „Argument“ so grotesk, dass ich es eigentlich gar nicht wiederholen will.

#4

Die Differenzen bei Europa und in der Friedens- und Kriegsfrage sind zu groß. Dieses Argument ist das Einzige, was wirklich beachtenswert ist.

Aber auch hier verstehe ich die politische Schlussfolgerung nicht: Es mag sein, dass die Differenzen zwischen Union und AfD für eine Regierungskoalition in dieser Frage momentan zu groß sind (wobei Deutschland hier auch zu flexibleren, weniger auf vier Jahre starr ausverhandelten Aufstellungen kommen sollte), aber wie will man das feststellen, wenn man schon die Verhandlung oder Vorsondierung kategorisch ausschließt (und sich damit in eine politisch unmögliche Lage manövriert)?
Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich die Weidel-Chrupalla-AfD bei beiden Themen nicht auf radikalen Positionen eingraben würde – im Gegensatz zu den Grünen sind sie beim politischen Herangehen garantiert ähnlich pragmatisch, wie die Union es in ihren besten Zeiten war – sowohl bei Europa als auch beim Thema Frieden und Sicherheit steht eine stärkere Betonung deutscher Interessen nicht diametral zu einem gut funktionierenden, unbürokratischen, leistungs- und wachstumsorientierten Europa und erst recht nicht beim Themenfeld der Verteidigung von Freiheit und Demokratie Europas gegen imperiale oder (staats-)terroristische Aggressionen von außen.

Was kann man da von Österreich lernen? Es war ein Fehler, dass die Konservativen zunächst Verhandlungen mit der FPÖ ausgeschlossen haben – wer von der Nichteinigung zur Regierungsbildung letztlich profitieren wird, werden wir sehen: Wenn die Mechanismen aus Deutschland hier auch wirken, dann wäre meine Prognose: Weiter verlieren wird das linke Lager, FPÖ und ÖVP dagegen werden tendenziell noch stärker.

Ab den 24. Februar geht es um Deutschland – wenn schwarz und blau zum Wohle unseres Landes kooperieren, gibt es nicht nur keine Argumente dagegen, sondern es werden beide Kräfte jedenfalls nicht verlieren. Und unser Land wird gewinnen.



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