Von Peter Schewe
Jüngst fanden im Deutschen Bundestag zwei Debatten statt, die nicht treffender den ethisch-moralischen Zustand unserer westlichen Wohlstandgesellschaften hätten widerspiegeln können: Die Debatte um den § 218 und die Debatte zum Thema Organspende.
Während es auf der einen Seite um die weitere Legalisierung des Abbruches einer Schwangerschaft, gemeinhin als ‚Abtreibung‘ bezeichnet, ging, drehte sich die andere Debatte um die Erhöhung des Angebotes von Ersatzorganen, um das Leben von vom Tode Bedrohter zu retten bzw. zu verlängern. Zugespitzt gesagt, hier die Verhinderung von Leben, dort die Verhinderung von Tod. Beide Male geht es um nichts anderes, als um die Selbstbestimmung und Selbstoptimierung, man könnte es auch schlichtweg Egoismus nennen.
Frauen meinen, ihr Bauch gehöre ihnen. Der Bauch schon, aber das darin heranwachsende Leben nicht, denn daran war mindestens ein nicht zum eigenen Bauch Gehörender beteiligt, ein Samenspender. Aber dem wird offenbar jegliches Mitspracherecht verwehrt.
Keine Frau muss heute mehr, Vergewaltigung ausgenommen, ungewollt schwanger werden. Passiert es dennoch sei es durch Leichtsinn, Unbekümmertheit oder nur einfach durch Unwissen, wird dann im Nachhinein das Versäumte ‚korrigiert‘, trotz Babyklappe, Freigabe zu Adoption oder anonymer Geburt. Und das soll nun ohne jede Konsequenz und völlig umsonst möglich werden? So wie es in der DDR seit Anfang der siebziger Jahre praktiziert wurde.
In meiner ersten Ehe wurden drei Schwangerschaften vorzeitig beendet, zwar gegen meinen Willen, aber wie sollte ich mich gegen das Selbstbestimmungsrecht einer Frau durchsetzen? Oft denke ich an diese drei verhinderten Leben, was wäre aus ihnen geworden, welche Chancen haben sie verpasst? Ich jedenfalls war bereit, statt zwei auch fünf Kinder großzuziehen, aber der Bauch wollte es nicht und ohne ihn ging es leider nicht.
Die Folge ist, dass die Reproduktionsrate westlicher Gesellschaften immer weiter sinkt und durch gebärfreudigere Völkerschaften mehr und mehr ersetzt werden. Spricht dann einer von ‚Umvolkung‘ ist die Empörung gerade unter denen riesengroß, die meinen, ihr Bauch gehöre ihnen allein oder die eigene ‚Fehlgeburtenrate‘ durch verstärkte Einwanderung ausgleichen zu können.
Dann kommen die Sozialpolitiker mit ihren Rezepten, das Kinderkriegen und -großziehen durch Geldangebote attraktiver zu machen: Kindergeld, Elterngeld, bezahlte Elternfreizeit, Erziehungsgeld und was es da alles noch so gibt. Besonders Alleinerziehenden gilt die Aufmerksamkeit besorgter Geldzuteiler. Mit dem Ergebnis, dass es immer mehr Alleinerziehende gibt und viele Kinder deshalb in prekären Verhältnissen aufwachsen. Hier wird eine Spirale in Gang gesetzt, deren Ende nicht absehbar ist. Und was vielleicht gut gedacht ist, muss nicht zwangsläufig Gutes bewirken. Das Elterngeld und die Elternfreizeit nutzen Gutverdienende oft für eine Weltreise mit dem Säugling im Reisegepäck.
Und nun zu den Organspenden: Spende ist schon mal ein beschönigender Begriff für das, was sich hinter der Widerspruchslösung verbirgt. Es geht schlichtweg darum, die uns eigene Trägheit, die jetzt dazu führt, dass viele keine potentiellen Organlieferer sind, auszunutzen mit dem Ergebnis, dass dann alle, die gewöhnlich nichts tun, plötzlich ihre Organe hergeben müssen, natürlich erst nach ihrem Hirntod. Aber es mehren sich schon die Stimmen, die das Herz-Kreislaufversagen als hinreichend für eine Organentnahme anerkannt haben wollen.
Wer sich jetzt aktiv gegen eine Organentnahme entscheidet, wird unweigerlich mit der Frage konfrontiert, inwieweit dann moralisch noch ein Anspruch zu rechtfertigen ist, selbst Organe im Falle eines Falles zu empfangen und in dieser Gewissensfalle dann lieber verzichtet, seinen Widerspruch zu aktivieren. Immer wieder wird uns versichert, es sei alles freiwillig und niemand würde zu etwas gezwungen, was seinem Willen widerspricht. Das mag in rechtlicher Hinsicht so sein, doch sehe ich in der Widerspruchslösung eine gewisse Eingrenzung dieser meiner Freiheit. Zumindest muss ich aktiv werden, um zu verhindern, ausgeschlachtet zu werden, demnächst vielleicht sogar schon vor dem Hirntod.
Apropos Spende: Der Spender bzw. seine Hinterbliebenen bekommen natürlich nichts und auch der Empfänger muss dafür nichts direkt hergeben. Alle Kosten übernimmt ja die Versicherung und somit die Gemeinschaft der Beitragszahler. Dass aber die Transplantationsmedizin eines der lukrativsten Geschäftsfelder für Ärzte und Pharmaindustrie ist, darüber spricht man nicht. Muss doch der mit einem Ersatzorgan Weiterlebende sein Immunsystem außer Betrieb setzen und bleibt somit für die Restlaufzeit abhängig von teuren Medikamenten und ständiger ärztlicher Überwachung.
Meine Krankenversicherung hat zum neuen Jahr wieder mal die Prämie kräftig erhöht, so dass ich jetzt 75 % meiner Rente auch dafür aufbringen muss, dass anderen ein Ersatzorgan zur Verfügung gestellt werden kann.
Schwangerschaftsabbruch und Organspende, zwei Seiten ein und derselben Medaille, die widersprüchlicher nicht sein könnten. Heranwachsendes Leben verhindern und bestehendes Leben retten bzw. verlängern wird die Bevölkerungspyramide weiter kopflastig werden und die Kosten unseres kranken Gesundheitswesens weiter explodieren lassen. Bis der Kipppunkt erreicht ist und das System unbezahlbar wird, was nur dank staatlicher Steuersubventionen noch nicht der Fall ist.
Ich weiß, dass ich mich mit diesem Thema auf vermintes Gelände begebe und einige Tabus anspreche. Aber eines ist sicher: Jeder Schwangerschaftsabbruch und jede Organverpflanzung machen unsere Gesellschaft älter und unser auf Solidarität gegründetes Sozialsystem fragiler bis unbezahlbar. Und noch eines: Jeder, der sich ärztlicher Hilfe bedient, muss sich darüber im Klaren sein, dass er nicht nur ein Patient, sondern auch ein Geschäftsmodel für Ärzte, Kliniken und die Pharmabranche ist. Mit Kranken wird Geld verdient, nicht mit Gesunden!
Peter Schewe
Regenstauf