Von Peter Schewe
Ob es so etwas wie die Lust am eigenen Untergang gibt wäre eine Frage für Psychologen. Wie die Antwort lauten würde, weiß ich nicht. Aber gäbe es sonst Suizide? Kollektive Selbstmorde kennen wir bisher nur von Lemmingen und Sekten, wobei erstere sich nur nach Massenvermehrung auf der Suche nach Nahrung über die Klippen stürzen, während Sekten Opfer von Weltuntergangsideologien werden.
Mir fällt da nur der Spruch ein: „Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen.“
Ersetzen wir Tage durch Jahrzehnte, könnte man sich vorstellen, dass es so etwas wie einen kollektiven Überdruss an einer Jahrzehnte andauernden Phase des Wohlstandes und Friedens, wie ihn die Menschheit nach allem, was wir bisher von unserer eigenen Vergangenheit wissen, bisher noch nie durchlebt hat, gibt. Noch nie war es so einfach und bequem, sich den Notwendigen des Überlebens und den Zumutungen des irdischen Daseins zu entziehen.
Anstatt sich dieses Zustandes zu erfreuen und alles zu tun, ihn zu erhalten, greift eine schwer zu erklärende und an Selbstzerstörung grenzende Unzufriedenheit um sich. Alles was diesen Wohlstand erst ermöglicht hat wird hinterfragt, negativ bewertet und als in die Katastrophe führend verdammt.
Statt die auf Aufklärung und Erfindergeist beruhenden Errungenschaften unserer Zivilisation zu achten und weiterzuentwickeln, trachten wir nach ihrer Abschaffung bzw. Zerstörung.
Anders lassen sich die Bilder von Tausenden von Schaulustigen bei den Sprengungen der Kühltürme
der Kernkraftwerke in Grundremmingen oder Grafenrheinfeld und wahrscheinlich demnächst in Landshut nicht erklären. Milliarden an Volksvermögen werden dort ohne Notwendigkeit einer Ideologie geopfert und statt darüber zu trauern, erfreuen wir uns der Zerstörung. Offenbar lassen die Jahrzehnte einer Friedensphase die Sehnsucht nach Zerstörung wachsen. Die täglichen Nachrichten vom Niedergang der Wirtschaft, von Krisen der Automobilbranche oder von Firmenpleiten auf Rekordhöhe scheuchen keinen mehr vom Fernsehsessel auf, eher werden sie mit Schadenfreude zur Kenntnis genommen. Verdächtig auch, wie sanft die Wirtschaftsvertreter mit den Politikern umgehen, hoffen sie doch nur auf weitere Milliarden aus dem Steuertopf.
Wenn gestern war, wie heute ist und morgen sein wird, wenn es keine neuen Herausforderungen gibt, wenn alles so bleibt wie es schon immer war, macht sich offenbar ein Unwohlsein breit und die Sehnsucht nach Veränderung, nach einem plötzlichen Knall der alles verändert, wächst. Vielleicht werden deshalb die Böllerschüsse zu Sylvester immer lauter und zerstörerischer. Vielleicht gaffen wir deswegen und filmen, wenn es auf der Autobahn gekracht hat und andere zu Tode gelkommen sind. Vielleicht wird deshalb in München der Untergang der Titanic virtuell- realistisch für den Besucher erlebbar gemacht. Vielleicht verblasst dadurch über 2 – 3 Generationen der Widerstand gegen Krieg und Zerstörung getreu dem Grundsatz „Nie wieder“ und Krieg wird wieder als eine Handlungsoption erwogen.
Die Lust an der Sensation lenkt ab von dem trübseligen Einerlei der im gleichen Trott dahindämmernden Tage und Jahre. Josef Kraus nennt es in seinem sehr lesenswerten Buch den „Rausch der Dekadenz“.
Da bringt uns doch der überraschend plötzlich angesagte Wahlkampf eine willkommene Abwechslung. Wie sich die Parteien gegenseitig mit unhaltbaren Versprechen zu übertrumpfen versuchen und meinen, ihre Wähler für dumm verkaufen zu können, hat schon einen so manchen Krimi übertreffenden Unterhaltungswert.
Doch es bleibt zu befürchten, dass nach der Wahl sich wenig bis gar nichts ändern wird und sich wieder lähmende Resignation und Lethargie breit machen werden. Denn ohne die SPD oder/und die Grünen wird die CDU diesseits der Brandmauer keine Mehrheit finden und das planwirtschaftliche und schuldenmachende Basteln an den Symptomen unseres überlasteten Sozialstaates, an der alles erdrückenden Bürokratie wird sich nichts grundsätzlich ändern. Nur die Talfahrt als einzig verbleibende Option wird an Tempo zunehmen.
Milei’s mit Kettensägen sehe ich nicht, wie auch, hat doch die Fa. STIHL vorsorglich Deutschland schon verlassen.
Regenstauf