von Philipp Lengsfeld
Friedrich Merz und die Union haben das Tor zu einem Politikwechsel aufgemacht. Die AfD muss nur endlich auch richtig durchlaufen.
Dafür sollte die Wahlkampfstrategie geändert werden: Solange Merz und die Union auf dem „Zufallsmehrheiten“-Trip festsaßen, war die Entscheidung, das Feuer auf die Union zu konzentrieren richtig.
Nach Freitag gilt das nicht mehr: Hauptgegner der AfD ist nicht mehr die Union und Friedrich Merz, sondern die dogmatischen und destruktiven Linksblockierer von SPD und Grünen, die es geschafft haben, die FDP praktisch in den politischen Selbstmord zu treiben.
Es waren die vielen linksliberalen FDPler plus einige wenige Union-Merkelianer, alle davon übrigens in der CDU, die am Freitag dafür gesorgt haben, dass die liberal-konservative Mehrheit von Union, FDP, AfD, u BSW gegen den Linksblock gescheitert ist.
Die AfD sollte und muss ihre Aufstellung jetzt sofort anpassen – weitere Rechthaber-Rhetorik gegen die Union ist fehl am Platz. Wen interessiert es, wer zuerst welche Forderung aufgestellt hat? In der Politik zählt nur der Erfolg – und den gibt es in der momentanen Lage nur gemeinsam.
Union und AfD müssen zusammen deutlich mehr als 50% der Mandate erringen. Nur in diesem Szenario ist die „Macht“ des linken Blockes gebrochen. Wenn BSW oder FDP einziehen (verdient haben es beide in momentaner Form nicht), wird der Reformblock gestärkt. Der Hauptgegner der AfD sind die Grünen und die SPD mit ihrer Mützenich-Scholz-Linie.
Bei den meisten Politikfeldern ist diese neue Linie überhaupt kein Problem, sondern fließt ganz natürlich, denn auch bei Energie- und Industriepolitik und vermutlich sogar bei den Kernproblemen Europa sind Union und AfD jedenfalls viel näher beieinander, als jede der beiden Parteien und die linken Kräfte.
Ausnahme ist „nur“ die Position zum Krieg in der Ukraine. Auch hier ist eine Friedensposition der AfD anschlussfähig. Nur einen selbstverliebte, Angst schürende, spalterische „Kriegstreiber“-Rhetorik, vermutlich ausgekocht in unsäglichen geschlossenen Chatgruppen des Parteiapparats, ist ein echtes Hindernis. Ich bin optimistisch, dass Tino Chrupalla und auch Alice Weidel nachstellen werden.
Alles andere ist Wahlkampf: Jede Partei kämpft um das beste Ergebnis. Und das geht auf Kosten von Prozenten und Mandaten der anderen Parteien. Warum Friedrich Merz denkt, dass er mit „die wollen uns zerstören“ gegenüber der AfD ein Plausibilitäts-„Argument“ hätte, kann man vermutlich nur nach jahrelanger Berlin-Mitte-Blasen-Prägung nachvollziehen. Ich halte es für undurchdacht, wie fast die gesamte momentane deutsche Politik.
Die AfD und Alice Weidel können und müssen auf Stimmenmaximierung setzen. Mit einer AfD über 25% ist eine Union-AfD-Mehrheit praktisch garantiert. Wenn die AfD vor der Union liegt (ich wäre dafür), steigt der Druck auf diese noch mal enorm.
Die AfD kann aber in unserem Land keine Verantwortung übernehmen, wenn sie weiterhin in einer Art Komplementärrolle zu den linken Spaltern agiert. Verantwortung geht über Koalition, über Verhandlungen, über Inhalte und Kompromisse. Die reine Lehre funktioniert nur innerhalb der geschlossenen, isolierten Zirkel der Parteivereine. Die ist für mich das Zentralproblem und der zentrale Schlüssel zum Verständnis der momentanen deutschen Misere.
Wenn die AfD Teil der Lösung sein will und nur dann kommt Deutschland nicht noch tiefer in die Krise, muss der Kampf um die Stimmen inhaltlich, durchdacht, konsistent, anschlussfähig und in der Mitte erfolgen.
Noch drei Wochen…
Philipp Lengsfeld war von 2013 bis 2017 Bundestagsabgeordneter der CDU und ist mittlerweile parteilos im liberal-konservativen Spektrum aktiv.