Der unglaubwürdige Herr Voigt

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Der Wahlausgang in Thüringen lässt an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig. Sechzig Prozent der Wähler haben bürgerlich-konservativ gewählt. Die CDU liegt zehn Prozentpunkte hinter der siegreichen AfD. Noch deutlicher wird das Ergebnis, wenn man zur Kenntnis nimmt, dass die AfD diesmal mehr absolute Wähler aktiviert hat als die CDU 2004, als sie die absolute Mehrheit verteidigen konnte.

Die Hoffnung der Wähler auf einen Wechsel bleibt vergeblich, denn CDU-Chef Marion Voigt hat schon im Wahlkampf immer wieder erklärt, dass er die AfD verhindern will. Er hat die von der Linken diktierte „Brandmauer“ gegen rechts verinnerlicht, während er dabei ist, die von seiner Partei beschlossene Brandmauer gegen die Linke zu Makulatur zu machen.
Sein durchsichtiges Argument lautet, das Bündnis Sahra Wagenknecht sei nicht die SED-Linke. Das stimmt, aber es ist die Nachfolgepartei der SED-Linken, gegründet von einer ehemaligen Chefin der Kommunistischen Plattform der SED, Ulbricht- und Putinverehrerin. Ersteres mag in Vergessenheit geraten sein, Letzteres ist hochaktuell.

Schaut man sich die Programme von AfD und BSW an, kann man unschwer feststellen, dass die sogenannten Schnittmengen mit der AfD größer sind als mit dem BSW. Im „Sondierungspapier“, das nach den Gesprächen mit BSW und SPD veröffentlicht wurde, findet man einen Punkt, der von der CDU stammen könnte: „Keine Windräder im Wald“, ein früheres, ureigenstes Anliegen von Voigt. Der wird schon im nächsten Satz kassiert, der Ausnahmeregelungen für Kommunen einräumt und damit der Verspargelung der Wälder Tür und Tor öffnet. Voigt ist da ein gelehriger Schüler Angela Merkels, die in den Koalitionsverhandlungen auch nie Probleme hatte, ihre im Wahlkampf als Anliegen deklarierten Themen umstandslos unter den Tisch fallen zu lassen. Für die Vertrauenswürdigkeit von Voigt spricht das nicht. Es spricht auch nicht für ihn, dass im Sondierungspapier eine Ausgabenorgie angekündigt wird, die alles in den Schatten stellt, was sich Regierungen in Thüringen bisher geleistet haben. Wer sich die Erhöhung bestehender und zu schaffender neuer Programme und Fonds anschaut, weiß, dass diese unfinanzierbar sind. Um die Wähler zu beruhigen, soll beschlossen werden, eine Kommission einzusetzen, die Ausgabenkritik üben soll. Wie glaubwürdig ist das, wenn lediglich Ausgaben erhöht und nicht eingespart werden sollen? Die CDU-Verhandler, an der Spitze Voigt, haben mit der Ausgabenspirale gezeigt, dass sie anscheinend gar nicht mehr wissen, was vernünftige bürgerliche Politik ausmacht. Sie nehmen nicht nur sich, sondern der Partei jeden Rest an Glaubwürdigkeit.
Aber Voigt hat auch ein persönliches Glaubwürdigkeitsproblem. Kurz vor der Wahl, als er sich vehement dafür einsetzte, dass der Landtagspräsident auf keinen Fall von der AfD gestellt werden dürfte, hat er aber verkündet, dass die AfD eine Vizepräsidentschaft bekommen müsste. Abgesehen davon, dass die CDU einen Antrag von den Grünen in der letzten Legislaturperiode, die Wahlregelung entsprechend zu verändern, abgelehnt hatte, weil sie sich einbildete, als stärkste Partei aus den Wahlen hervorzugehen, ließ die CDU-Fraktion unter Voigts Führung Wiebke Muhsal auch als Vizepräsidentin durchfallen. Ein Schelm, wer dabei daran denkt, dass Voigt Muhsal im Kampf um das Direktmandat unterlegen war? Hat Voigt hier glaubwürdige Ministerpräsidenten-Qualitäten gezeigt? Eindeutig nein.

Dazu kommen noch die Plagiatsvorwürfe, was Voigts Dissertation und mehrere andere Veröffentlichungen betrifft. Man könnte ihm zugute halten, dass er immerhin eine Dissertation zustande gebracht hat, während immer mehr Politikerkollegen so eine Untersuchung nicht fürchten müssen, weil sie nie ein Studium oder eine andere Ausbildung abgeschlossen haben. Man kann sich auch die Frage stellen, was Dissertationen überhaupt noch wert sind, wo es seit den neunziger Jahren eine wachsende Anzahl von Arbeiten gibt, die teilweise durch Copy and Paste fremden geistigen Eigentums entstanden sind. Man denke an Annalena Baerbocks oder jüngst Kamala Harris’ neues Buch.
Es geht hier um den persönlichen Umgang mit diesem Plagiatsvorwurf. Die CDU sagt, es handle sich um eine Unterstellung. Wer sich die Gegenüberstellungen von Plagiatsjäger Weber anschaut, sieht, dass es sich nicht um Unterstellungen handelt. Jetzt beschäftigt sich die Universität Chemnitz, an der übrigens auch Wagenknecht promoviert hat, mit den Plagiatsvorwürfen und alles, worauf Voigt hoffen kann, ist ein ähnlicher Spruch wie für von der Leyen, dass zwar plagiiert wurde, aber keine Täuschungsabsicht erkennbar sei.

Ein ehrlicher Umgang mit den Entdeckungen wäre angebracht gewesen, so bleibt ein Gschmäckle. Traut sich Voigt nicht, weil er von seiner RCDS-Vergangenheit ablenken will? Ehemalige Mitglieder erinnern sich, dass Voigt sich mit Sprüchen hervorgetan hat, die mindestens ultrakonservativ waren. Davon ist beim heutigen Voigt nichts mehr zu spüren.

Voigt kommt damit durch, weil die staatsnahen Medien die „Brombeer“-Koalition wollen, um die Linken an der Macht zu halten. Es beschäftigt sich auch kein Journalist aus diesem Milieu mit Voigts Plagiaten, im Gegensatz zum Fall Karl-Theodor zu Guttenberg, wo sich jede Zeitung, jedes Radio, alle Fernsehsender mit dessen viel weniger zahlreichen Plagiaten in seiner Doktorarbeit beschäftigten, ihn bedrängten und schließlich zu Fall brachten.

Aber unter Voigt soll alles so weitergehen wie bisher. Deshalb wird er geschont und Thüringen geopfert.



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