Ein Besuch des Pumpspeicherwerkes Limmern der Linth- Limmern AG

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Von Peter Schewe

Anlässlich des 18. Geburtstages meines Enkelsohnes Noah besuchten wir eines der weltgrößten Pumpspeicherwerke im Kanton Glarus in der Schweiz. Hoch in den Glarner Alpen, tief verborgen im Fels treibt das Wasser des Muttsees 4 gewaltige Turbinenräder an, die wiederum die 4 Generatoren antreiben, die dann den Strom erzeugen.

Die Eltern wollten ihren Kindern und deren Freunde einen Blick hinter die Steckdose gewähren, damit sie eine Ahnung davon bekommen, welch riesiger Aufwand erforderlich ist, damit ihre Laptops, Handys und sonstige Annehmlichkeiten des Alltags ständig am Laufen sein können.

Die Linthal- Limmern Kraftwerks AG baute das schon seit den 60-ger Jahren bestehende Wasserkraftwerk von 2009 bis 2017 aus zu einem Pumpspeicherwerk. Neben dem vom auf 1.875 m ü. NN gelegenen  Limmernsee gespeisten Wasserkraftwerk wurde in 1.800 m Höhe ein neues Pumpspeicherwerk mit 4 Turbinen à 250 MW Leistung in einer riesigen, 55 m hohen Kaverne in den Fels gebaut. Es benutzt den mit einer 1.054 m langen und 35 m hohen Staumauer in seinem Speichervermögen erhöhten, auf 2.446 m ü.NN liegenden Muttsee als oberes und den Limmernsee als unteres Speicherbecken, der Höhenunterschied und damit die Fallhöhe des Wassers beträgt 571 m.

Zwei gewaltige, mit einer Tunnelbohrmaschine vorgetriebene und mit Stahlrohren ausgekleidete Druckstollen führen das Wasser an die waagerecht liegenden Turbinenschaufeln, über deren senkrecht stehende Wellen dann die zwei Etagen höher gelegenen, asyncron laufenden Generatoren den Strom erzeugen. Im umgekehrten Fall treiben sie als riesige Motoren die Turbine an, die dann das Wasser aus dem Limmernsee wieder in den Muttsee 571 m hoch pumpen. Mit dem Wasservorrat ist ein Vollastbetrieb 33 h lang möglich, was einer Strommenge von 33 GWh entspricht. Das in seiner Leistung (1060 MW) vergleichbare, größte deutsche Pumpspeicherwerk Goldisthal (Thüringen) schafft nur 8 Vollaststunden und somit 8,5 GWh. Nicht die installierte Leistung, sondern die verfügbare Wassermenge ist für die Kapazität eines solchen Kraftwerkes entscheidend.

In einer weiteren, etwas kleineren Kaverne stehen die wagongroßen, ölgekühlten Transformatoren, die den Strom auf 380 kV transformieren und ins Netz geben. Mit deren Abwärme wird das gesamte Kraftwerk beheizt.

Um das Ganze überhaupt bauen zu können und die Ausrüstungsgegenstände zu transportieren, wurde neben einer Luftseilbahn zum Muttsee von der Talsohle (800 m ü.NN) aus ein 4 km langer Stollen für eine Standseilbahn in den Berg getrieben, die 1.000 Höhenmeter überwindet und an der Kraftwerkskaverne endet. Mit ihr werden das Personal sowie alle notwendigen Materialien, Geräte, Fahrzeuge und Ersatzteile transportiert. Die bis zum Limmernsee zurückgebaute Luftseilbahn kann im Sommer von Wandertouristen genutzt werden.

Steht man in der Kaverne vor den riesigen Generatoren und spürt das Vibrieren selbst der meterdicken Betonwände, bekommt man in etwa ein Gefühl für die gewaltigen Kräfte, die hier am Wirken sind und gebändigt werden müssen.

Pumpspeicherwerke wurden nicht gebaut, um Geld zu verdienen. Sie dienen allein der Netzstabilisierung und dem Ausgleich der Spitzenlast. Ein Gewinn lässt sich nur aus der Differenz zwischen eingekauftem Strom zum Hochpumpen und dem in Spitzenzeiten zu Höchstpreisen verkauften Strom erzielen, was bei einem Wirkungsgrad von 80 % eher marginal ausfallen dürfte.

Die Gesamtinvestition betrug 2,1 Mrd. SFR, das ist selbst für die reiche Schweiz eine gehörige Summe. Als das Werk geplant wurde, dachte wahrscheinlich noch niemand daran, dass es eines Tages so viel überschüssigen Strom aus Wind und Sonne geben wird, dass nicht nur der Strom zum Hochpumpen nichts kostet, sondern sogar noch Geld dazu gegeben wird, also selbst mit dem Hochpumpen noch Geld verdient wird. Jetzt sprudelt nicht nur das Wasser bergauf und bergab, sondern auch die Geldquelle versiegt nie. Während der Strom munter hin und her fließt, kennt der Fluss des Geldes nur eine Richtung.

Das Werk hat sich innerhalb der 7 Jahre seit Inbetriebnahme voll amortisiert und arbeitet mit Gewinn, d.h. alle Verbindlichkeiten sind beglichen. Selbst bei Betrieb von nur 2 Turbinen (2 sind wegen Instandhaltungsarbeiten derzeit außer Betrieb) werden keine Verluste gemacht.

Woher der viele überschüssige und somit äußerst lukrative Strom kommt, darüber schweigt des Schweizers Höflichkeit, obwohl es alle wissen: Vorrangig aus Deutschland. Und wer speist diese nicht versiegende Geldquelle? Der deutsche Stromkunde.

Und deshalb kostet auch die Schweizer Vignette (40,- SFR) nicht wie noch vor wenigen Jahren 37,-€  sondern jetzt 44.- €. Erhielt man 2018 für einen Euro noch 1,20 SFR, zahlt man das Gleiche in Euro (1,20) jetzt für einen SFR.

So ahnungslos waren die Schweizer denn wohl doch nicht, als sie ihr Pumpspeicherwerk Linthal-Limmern planten und bauten, hatte doch Deutschland schon vor 25 Jahren allen verkündet, seine Energiebasis auf Wind und Sonne umzustellen. Weitergedacht haben wohl aber nur die Schweizer, denen ein besonders ausgeprägtes Gespür für‘s Geld der anderen wohl nicht umsonst nachgesagt wird. Die Dummen sind, wie so oft, wieder mal wir Deutschen, die ihre Pumpspeicherwerke lieber abschalten (siehe Niederwartha bei Dresden) statt neue zu bauen.

Inwieweit unser Besuch bei der Jugend einen nachhaltigen Eindruck hinterließ, vermag ich nicht zu beurteilen. Für uns Alte war es mal wieder eine Bestätigung für das Wort: Ohne Fleiß kein Preis und dafür, dass Menschen Enormes zu leisten vermögen. Dass es dazu nicht nur gewaltiger Anstrengungen sondern auch visionären Mutes und eines klugen Managements bedarf, das konnte man hier sehr anschaulich nachvollziehen.

Regenstauf, den 22.04.2024



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