Wir hatten am Nordkai festgemacht. Seit einigen Jahren dürfen die Kreuzfahrtschiffe nicht mehr am Stadthafen ankern – das ist auch gut so.
In der Ferne war die Silhouette der Stadt mit der höchsten Lebensqualität der Welt zu erkennen. Zu Fuß würde man eine Stunde brauchen, um sie zu erreichen. Die Rederei stellt deshalb Shuttlebusse zur Verfügung, die ihre Passagiere alle halbe Stunde bis zur „Kleinen Meerjungfrau“ fahren. Außerdem fahren die Hop-on-Hop-off-Busse den Nordkai an.
Ich hatte mich entschieden, einen Fahrrad-Ausflug zu buchen. Ich hatte dabei nicht richtig aufgepasst, denn ich bekam ein Elektrofahrrad. Ich musste mir von meinem Mitreisenden einen Crashkurs geben lassen, wie man mit so einem Ding umgeht. Ich brauchte eine Weile, ehe ich die richtige Einstellung fand, aber die ersten 5 km waren eine öde Strecke am Frachthafen entlang – ich konnte also üben, ohne etwas zu verpassen.
Unser Tourguide war eine junge Frau, die diese amerikanischen Mätzchen verlangte; „Seid ihr motiviert?“ „Ja.“ „Ich höre nichts! Seid ihr motiviert? „Jaaaaa!“, „Dann los!“.
Unser erster Stopp war die „Kleine Meerjungfrau“, die von Touristen eng umlagert war. Das Original befindet sich im Besitz einer Familie. Hier handelt es sich um die Kopie. Der Kopf wurde einer in Dänemark berühmten Ballerina nachgebildet, der Körper nach dem der Frau des Bildhauers, weil die Ballerina nicht bereit gewesen war, sich für den Meister zu entkleiden.
Wie ein so reizendes Geschöpf irgendwelche Aggressionen auf sich ziehen kann, ist ein Rätsel. Aber die Kleine wurde schon zwei Mal enthauptet, ihr wurde ein Arm abgetrennt und sie wurde vom Sockel abgesprengt. Es muss sich inzwischen um die Kopie einer Kopie einer Kopie handeln.
Der nächste Stopp war Schloss Amalienborg, wo die Königin residiert. Aber laut Beflaggung waren nur die Kronprinzen in einem der fünf fünfeckig angelegten Paläste zu hause. Im Hintergrund sahen wir den ganz aus Marmor gebauten Dom, die Frederiks Kirke. Leider gab es keine Möglichkeit, einen Blick hineinzuwerfen.
Am Nynhavn machten wir 20 Minuten Pause, um die schönen Häuser bewundern zu können, die an dem von Christian V angelegten Stichkanal stehen. Die Seite mit den ungeraden Hausnummern wurde zur „Sündenmeile“, die mit den geraden Hausnummern blieb gut bürgerlich. Heute ist die einzig übriggebliebene Sünde das Essen, daher die vielen Restaurants. Ich erkannte die Gegend nicht wieder. Wo Ende der 80er Jahre noch Hafen war, ist das Ufer zugebaut mit einer Oper, die nur halb so viel wie die Osloer gekostet hat, aber deshalb nicht besser aussieht, einem Erweiterungsbau der Königlichen Bibliothek, genannt der „Schwarze Diamant“, und andere Scheußlichkeiten.
Hinter Nyhavn beginnt Christianshavn, wo sich seit den 70er Jahren „Christiania“, die angebliche Freistadt befindet. Wir mussten von unseren Rädern steigen und wurden strengstens belehrt, nicht zu fotografieren, das könnte böse ausgehen. Dann schoben wir unsere Räder einmal quer durch den Drogenumschlagplatz, der längst zur Folklore mutiert ist.
Es handelt sich um ein ehemaliges Kasernengelände, das in den 70er Jahren von jungen Leuten besetzt wurde. Ein paar alte Männer aus dieser Zeit scheinen immer noch hier zu wohnen, ansonsten lugt unter der alternativen Graffiti-Fassade der Kommerz. Als ich in den 80er Jahren Christiania besuchte, gab es einen Markt und zwei oder drei Läden. Jetzt reiht sich Geschäft an Geschäft. Was sie bieten, sieht nicht mehr wie Trödel aus. Es hatte etwas Verklemmtes, wie wir unsere Räder durch diese Kulisse durchschoben. Nur eine Stelle fand ich witzig. Über einem der Ausgänge stand: „You are entering the EU“. Fotografiert habe ich natürlich nicht.
Ganz dicht bei Christiania steht die schönste Kirche der Stadt, die wegen ihres eigenwilligen Turms berühmte Freisers Kirke, die unserer Tourleiterin keine Erwähnung wert war. Wir ließen sie links liegen, keine Möglichkeit, ein Foto zu machen.
Wir hielten erst wieder gegenüber Schloss Christiansborg und der Börse. Weiter gings zum Kongens Have, einer wirklich wunderschönen Gartenanlage am Schloss Rosenborg, die im Frühjahrsgrün besonders reizend aussah. Wir hielten unter einer uralten Vogelkirsche, die in voller Blüte stand. Dieser Baum liefert das Holz für Kirschbaum-Möbel. Ich wäre ja so gern noch geblieben, aber die Räder mussten rollen. Mit einem letzten neidischen Blick auf die Glücklichen, die auf dem Rasen die Frühlingssonne genossen, fuhr ich mit den anderen weiter. Der letzte Stopp war die Festung Kastellet, die zum Teil heute noch vom Militär genutzt wird. Die Anlage wurde 1662 mit fünfeckigen Schanzen und Wassergräben versehen. Ein Museum informiert über die außenpolitischen Aktivitäten Dänemarks. Aber vor allem nutzen die Dänen und ihre Gäste die schöne Anlage für Spaziergänge.
Als wir nach drei Stunden „Schnuppertour“ auf der AIDA zurück waren, hätte ich noch einen Bus nehmen und zurück in die Stadt fahren können. Ich zog es aber vor, die wunderschöne und ziemlich leere Saunalandschaft zu besuchen.
Wir legten erst am Abend um 21:30 ab, weil wir als Ersatz für Skagen nach Arhus, der größten Stadt Jütlands fahren. Das Ablegen war spannend zu beobachten. Es dauert 20 Minuten, ehe der Kollos vom Kai loskam und Fahrt aufnahm. Der Kapitän verkündete die frohe Botschaft, dass diesmal die Reise sehr ruhig verlaufen würde. So war es auch.